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Gerd Kommer und Maximilian Bartosch analysieren Wertsteigerungen von Wohnimmobilien – mehr Traum als Wirklichkeit

Neu gebautes Einfamilienhaus
Neu gebautes Einfamilienhaus: Die Rally der Wohnimmobilienpreise ist vorbei, sind Gerd Kommer und Maximilian Bartosch überzeugt. | Foto: imago images/U. J. Alexander

Für die Wertsteigerungen deutscher Wohnimmobilien war 2022 vermutlich ein Umbruchsjahr. Nach zwölf Jahren starkem Preisauftrieb bis 2021 fielen deutsche Wohnimmobilienpreise 2022 erstmalig wieder: Nominal um 3,6 Prozent und real (inflationsbereinigt) sogar um 12,1 Prozent.

Die Wende am Wohnimmobilienmarkt hat zwei allseits bekannte Hauptursachen: Der markante Anstieg der Immobilienkreditzinsen ab Anfang 2022 und die inzwischen sehr hohe Bewertung deutscher Wohnimmobilien, verursacht durch den vorangegangenen, über mehr als zehn Jahre anhaltenden Preisanstieg. (Bewertungen lassen sich an der Mietrendite messen oder ihrem Kehrwert, dem Mietmultiplikator sowie an der sogenannten Erschwinglichkeitskennzahl, dem Verhältnis von durchschnittlichen Immobilienpreisen zu durchschnittlichem Einkommen.

Vor dem Hintergrund der möglichen Trendwende in 2022 wollen wir in diesem Artikel einen Blick auf langfristige, nachhaltige Wertsteigerungen im deutschen Wohnimmobilienmarkt werfen. Unser Ziel ist es,

  1. herauszufinden, welche Preissteigerungen ein Immobilieninvestor auf lange Sicht erwarten kann und
  2. die wichtigsten Strukturfaktoren zu identifizieren, die die Entwicklung des hiesigen Wohnimmobilienmarktes mittel- und langfristig bestimmen werden.

Die folgende Tabelle zeigt die inflationsbereinigten Wertsteigerungen von Wohnimmobilien in 13 westlichen Ländern von 1970 bis 2022 (53 Jahre). In der Tabelle werden fünf Länder (DE, CH, AT, NL und USA) einzeln hervorgehoben und daneben noch der bevölkerungsgewichtete Durchschnitt für alle 13 Länder gezeigt.

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Reale Wertsteigerung von Wohnimmobilien in 13 Ländern, 1970 – 2022 (53 Jahre) sowie maximaler kumulativer Wertverlust

Tabelle Wohnimmobilienpreise
Tabelle Wohnimmobilienpreise © Gerd Kommer Invest

Die folgenden Einsichten lassen sich aus der Tabelle ableiten:

  • Wertsteigerungen von Wohnimmobilien sind auf lange Sicht niedriger als viele von uns glauben. Warum wir dazu neigen Wertsteigerungen von Wohnimmobilien zu überschätzen, erläutern wir weiter unten.
  • Unter den 13 Ländern, die der Tabelle zugrunde liegen, hielt Deutschland in diesen 53 Jahren mit 0,3 Prozent p.a. durchschnittlicher Preissteigerung die rote Laterne – weniger noch als Japan mit 0,4 Prozent p.a.
  • In allen Ländern verliefen die Wertsteigerungen über diese fünf Jahrzehnte hinweg nicht gleichmäßig, sondern variierten im Zeitablauf beachtlich. Die Daten zeigen, dass nationale Immobilienmärkte ohne Weiteres über zehn Jahre und mehr real sinken können. Einzelne Immobilien werden nach oben und unten noch extremere Entwicklungen zeigen. Das für Deutschland mit großem Abstand beste Jahrzehnt seit 1970 war das soeben abgelaufene.
  • Wertsteigerungen von Immobilien unterliegen der so genannten Regression zum Mittelwert. Auf Phasen besonders hoher Preissteigerungen folgen tendenziell Phasen niedrigerer Anstiege oder sogar Preisrückgänge. Umgekehrt folgen auf Phasen besonders geringer Preissteigerungen tendenziell kräftigere Preisanstiege. Dieses statistische Phänomen (Regression zum Mittelwert) lässt sich mit bloßem Auge in der Tabelle erkennen. Es lässt sich auch formaler mit anspruchsvollen statistischen Techniken nachweisen.
  • Der wichtigste einzelne Grund dafür, dass die Wertsteigerungen in Deutschland in den zwölf Jahren von 2010 bis 2021 im historischen Maßstab exorbitant stark waren, lag paradoxerweise daran, dass sie in den vorangegangenen 40 Jahren von 1970 bis 2009 exorbitant schwach waren. Dieses eigentlich banale Faktum wird in der Diskussion um Preissteigerungen in Deutschland regelmäßig übergangen. Am Ende dieser 40 Jahre im internationalen Maßstab eigentlich desaströser Wertentwicklung, waren Wohnimmobilien in Deutschland vermeintlich unglaublich billig. Von diesem historischen Tiefstniveau musste es perspektivisch irgendwann wieder deutlich nach oben gehen, die Frage war nur wann und wie schnell. Dass die Zinsen ab 2010 ihren fallenden Trend (der bereits viele Jahre vorher eingesetzt hatte) weiter fortsetzten, half natürlich auch, war aber relativ betrachtet von sekundärer Bedeutung.
  • Wohnimmobilienpreise können crashen – genauso wie Aktien. Bei Immobilien vollzieht sich ein Crash jedoch typischerweise langsamer als bei Aktien und wird oft wegen dieser Langsamkeit nicht als Crash wahrgenommen. Einige Crash-Beispiele (alle Zahlen inflationsbereinigt): USA über sechs Jahre von 2006 bis 2011: minus 39 Prozent, Irland über sieben Jahre von 2007 bis 2013: minus 57 Prozent, Niederlande über acht Jahre von 1978 bis 1985: minus 51 Prozent, Japan über 20 Jahre von 1990 bis 2009: minus 49 Prozent, Deutschland über 30 Jahre von 1981 bis 2010: minus 31 Prozent.