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Teuerung und Aktienbewertungen „Wir sind vom temporären Charakter der Inflation überzeugt“

SUV-Motorenproduktion in Dearborn, USA
SUV-Motorenproduktion in Dearborn, USA: Wegen global fehlender Halbleiterchips können deutlich weniger Neuwagen gefertigt werden, wodurch die US-Gebrauchtwagenpreise steigen. | Foto: imago images / ZUMA Wire
Stephen Dover, Franklin Templeton

Stephen Dover: Herr Curtis, die Märkte und Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind auf einem hohen Niveau. Zuletzt mussten die in der Pandemie heiß gelaufenen Tech-Aktien Einbußen hinnehmen. Was sollten Anleger jetzt wissen?

Jonathan Curtis: Die Bewertung des IT-Sektors war zu Beginn des Jahres 2021 in absoluten Zahlen hoch, erscheint uns aber nach dem jüngsten Verkaufsdruck jetzt in relativen Zahlen angemessener. Wir sind außerdem der Auffassung, dass die Tech-Unternehmen ihre Qualität stetig verbessern – wir sehen eine wachsende Anzahl wiederkehrender Umsatzquellen, solide Bilanzen und insgesamt starke Ebitda-Margen. Auch aufgrund ihrer überzeugenden Wachstumseigenschaften sollten die Unternehmen einen Bewertungsaufschlag gegenüber dem breiteren Markt erzielen. Der Sektor profitiert von der digitalen Transformation, die gerade erst beginnt. Er dürfte sich daher auch als robuster zyklischer Gewinner in der Phase der weiteren konjunkturellen Entwicklung nach der Pandemie erweisen.

Jonathan Curtis, Franklin Equity Group

Die Digitalisierung fällt vielen konventionellen Unternehmen allerdings nicht leicht. Tech-Unternehmen könnten sich unter Umständen schwertun, ihre Märkte rasch zu erschließen…

Curtis: Die IT-Unternehmen werden die kommenden Jahre nutzen, um zu evaluieren, was zuletzt gut funktioniert hat und was nicht, um das, was gut läuft, zu skalieren. Die Verbraucher haben in der Corona-Krise viel über die Nützlichkeit neuer Technologien gelernt und werden diese auch in Zukunft anwenden. Einfach ausgedrückt: Wir glauben, dass wir im Hinblick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung erst am Anfang dessen stehen, was in Beziehung auf Kundenerlebnisse und die Chancen für Unternehmen möglich ist.

Herr Moberg, zunächst scheint derzeit Inflation für Wachstumsaktien zum Problem zu werden. Wie denken Sie über Risiken durch Inflation und steigende Zinssätze?

Matt Moberg, Franklin Equity Group

Matt Moberg: Steigende Zinsen sind unter dem Gesichtspunkt gesund, dass sie den Wettbewerb um Kapital anregen. Auf einem gesunden Markt kommt Kapital breit gestreut zum Einsatz. Wir sehen hingegen derzeit Überinvestitionen in einigen neuen Märkten, die gerade erst anfangen, sich zu entwickeln.

Nach unserer Auffassung kommen wir bedingt durch das hohe Maß an Innovation in den verschiedensten Bereichen langfristig wieder in ein deflationäres Umfeld. Vor diesem Hintergrund haben wir allein im vergangenen Jahr eine rasante Produktivitätssteigerung gesehen: In den USA ist die Produktion insgesamt um 7 Prozent gestiegen, obwohl die Zahl der Mitarbeiter um 2,5 Prozent zurückgegangen ist.

Es liegt auf der Hand: Die Produktivität steigt...

Moberg: Deflationär wirkt auch der Drang, in Vororte und kostengünstigere US-Bundesstaaten umzuziehen, nachdem die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren vielerorts durch die Decke gegangen sind. Interessant ist auch das Beispiel der LKW-Fahrer in den USA. Jetzt zieht die Wirtschaft kräftig an, infolgedessen streichen die Brummifahrer deutlich gestiegene Löhne ein. Aber auf lange Sicht, sagen wir über einen Zeitraum von zehn Jahren, dürften die Gesichter wieder länger werden, weil das automatisierte Fahren sehr viele Jobs überflüssig machen wird.

Insgesamt sind wir daher vom temporären Charakter der Inflation überzeugt: Auch wenn wir jetzt angesichts des dynamischen Hochfahrens der Wirtschaft eine inflationäre Phase durchlaufen, dürfte die kontinuierliche Weiterentwicklung von Technologie und Innovationen langfristig zu deflationären Tendenzen führen.   

Wie sehen Sie den Einfluss der Zinsen auf Tech-Werte, Herr Curtis?

Curtis: Zinserhöhungen haben die Tendenz, langfristige Wachstumssektoren wie den Technologiesektor, wo ein Großteil der Ertragskraft erst in einigen Jahren entsteht, abbremsen zu können. Sofern die Zinsen aus den „richtigen“ Gründen steigen – vorrangig, weil sich der wirtschaftliche Hintergrund verbessert – dürfte sich jedoch das Wachstum von Tech-Unternehmen gut entwickeln. Besonders wichtig: Weil diese Unternehmen über eine ausgeprägte Preissetzungsmacht verfügt, werden sie wahrscheinlich deutlich schneller wachsen als die Inflation. Zu erwarten ist, dass der Sektor aufgrund seiner im Allgemeinen robusten Fundamentaldaten einem inflationären Umfeld gut standhalten sollte.

Herr Moberg, Sie sind im Silicon Valley ansässig. An welchen innovativen Bereichen sind Sie derzeit besonders interessiert?

Moberg: Wir beobachten eine Vielzahl von Innovationen und Disruption, beispielsweise im Online-Handel, in der Genomik und Genom-Sequenzierung, beim Einsatz künstlicher Intelligenz; etwa bei Roboteranwendungen, im Finanzwesen und im Bereich der Simulierung von Realität. Die neuen Möglichkeiten in allen diesen Bereichen, die im Verlauf der nächsten zehn Jahre mit heute noch oft ungeahnten Produkten und Dienstleistungen auf den Markt kommen werden, haben eine besondere Faszination. Viele dieser Innovationen wirken in den breiten Markt und stoßen wiederum umfangreiche Neuerungen an.

Wir befinden uns in einer Entwicklungsphase der Menschheit, die von beispiellosen Veränderungen geprägt ist. Diese Phase ähnelt sehr stark der zweiten industriellen Revolution, wo sich binnen vergleichsweise kurzer Zeit enorm viel in der gesamten Wirtschaft veränderte. Auch heute entstehen wieder neue Marktführer, die um ein Vielfaches größer und einflussreicher sind als die bisherigen Rekordhalter.

Bei manchem Geschäftsmodell und manchen Zukunftsprognosen fragt man sich allerdings, ob der jeweils ausbrechende Hype seine Berechtigung hat …

Moberg: In der Tat konnten wir in den vergangenen Jahren teils sehr hochschlagende Wellen beobachten. 2016 und 2017 war eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt wurde: „Was ist am 3D-Druck dran?“ Und danach lautete die Frage: „Muss ich jetzt bei Cannabis einsteigen?“ Und unlängst: „Ist die Blockchain der Weg zur Weltformel?“ Bei jedem dieser Themen konnten wir einen eigenen Hype-Zyklus beobachten.

Wichtig ist für uns jeweils die Frage: Inwieweit ermöglicht Innovation ein wirklich gutes Geschäftsmodell? Nehmen wir das Beispiel Blockchain: Die Technologie wird unser Leben tiefgreifend verändern. Noch ist es jedoch sehr schwierig, nachhaltig interessante Investments zu finden, die mit der Blockchain zusammenhängen.

Letzte Frage: Gibt es etwas, das Ihnen im Hinblick auf aktuelle Risiken am Markt Sorge macht, Herr Moberg?

Moberg: Wenn man über steigende Inflation nachdenkt, muss man auch über die zunehmende Bedeutung des Online-Handels nachdenken, der die Preise deckelt. Diese Entwicklung wird es auch in anderen Bereichen geben, etwa durch Fortschritte in der Genomik: Die Genom-Sequenzierung, als Beispiel, wird immer kostengünstiger. Die Entwicklungsdynamik bei E-Mobilität und automatisiertem Fahren wird sich ebenfalls weiter beschleunigen.

Was mir ruhige Nächte verschafft: Ich bin der Meinung, dass sich in vielen innovativen Sektoren eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten auftut. Blicken wir drei, fünf oder zehn Jahre in die Zukunft, liegt damit ein Gedanke nahe: Heute getätigte Investments dürften dann viel Freude bereiten.

Und Ihre Ansicht dazu, Herr Curtis?

Curtis: Ich schließe mich Matt an. Wir konzentrieren uns weiterhin auf das große Thema der digitalen Transformation. Hier geht es darum, Software und Daten zu nutzen, um Kunden und Geschäftsprozesse besser zu verstehen, und Technologie einzusetzen, die der Arbeitsweise von Unternehmen auf die Sprünge hilft. Wir glauben, dass die Digitalisierung die Chance auf Wertschöpfung in der Höhe von mehreren Billionen US-Dollar darstellt – und bislang, lassen Sie mich das nochmals unterstreichen, erst am Anfang ihrer Entwicklung steht.

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