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Anleihemärkte „Bei Fallen Angels tun sich Chancen auf“

Anleihe-Spezialistinnen von Pimco: Sonali Pier, Portfoliomanagerin für High Yield-Unternehmensanleihen (l.), und Eve Tournier, Head of European Credit Portfolio Management.
Anleihe-Spezialistinnen von Pimco: Sonali Pier, Portfoliomanagerin für High Yield-Unternehmensanleihen (l.), und Eve Tournier, Head of European Credit Portfolio Management. | Foto: PIMCO

Frau Tournier, kommen die niedrigeren Bewertungsniveaus am Markt für Sie überraschend?

Eve Tournier: Selbstverständlich haben wir zu Jahresbeginn nicht mit einem derart plötzlichen Marktschock gerechnet, doch der hochgradige Optimismus hatte uns seit längerem vorsichtig gestimmt.

Frau Pier, wie haben sich Ihre Ansichten in Anbetracht des neuen Umfelds geändert?

Sonali Pier: Unsere Präferenz für Qualität, Vorsicht und Diversifikation hat sich nicht verändert, die Bewertungen dagegen schon. Unseres Erachtens gehen Investment-Grade- und forderungsbesicherte Wertpapiere mit einer soliden Liquiditätsprämie einher, die einen gewissen Ausgleich für die erhöhte Volatilität und Ungewissheit bietet.

Im Hochzins- und Schwellenländersegment bleiben wir hingegen zurückhaltend, bedingt durch stärkere Anfälligkeit und höhere Ausfallrisiken. Eine umsichtige Sektor- und Einzeltitelauswahl ist unabdingbar, um Kaufgelegenheiten an diesen Märkten wahrnehmen zu können.

Außerdem bleiben wir in zyklischen Sektoren vorsichtig sowie in jenen, die von der Krise am stärksten betroffen sind, und bevorzugen traditionell robuste Sektoren wie Kommunikationsdienstleister und Versorger. Pharma und Gesundheit sind weitere Sektoren, die defensiv aufgestellt sind und infolge der Krise ebenfalls bessere Ergebnisse erzielen könnten. Darüber hinaus erscheinen uns einige Banktitel interessant – dank erheblich gestärkter Bilanzen und Kapitalpuffer, die mit der strengeren Regulierung des Sektors zusammenhängen und die Institute bestens dafür rüsten, um die Folgen einer Rezession zu bewältigen.

Welche Sektoren dürften von der Rezession am stärksten betroffen sein?

Tournier: Der Energiesektor ist gefährdet: Ölkonzerne litten schon zu Beginn der Krise unter einem Angebotsüberhang, dieser ist nun noch weiter angewachsen.

Der Einzelhandel mit Nicht-Nahrungsmitteln und die Freizeitbranche werden ebenfalls weiterhin unter Druck stehen – je nachdem, welche Auswirkungen die Krise auf die Konsumnachfrage hat. Umfangreiche Zahlungsausfälle könnten sich einstellen, obwohl viele Emittenten über Liquidität, Kreditlinien und andere Mittel verfügen, auf die sie zurückgreifen können, um eine Zahlungsunfähigkeit in naher Zukunft abzuwenden.

Nicht zuletzt sind auch Autohersteller und Fluggesellschaften stark betroffen. Kurz gesagt: Die bottom-up-orientierte Titelauswahl war nie von größerer Bedeutung.

Preisen die gegenwärtigen Spreads die Risiken vollständig ein, die in Bezug auf Unternehmensgewinne, Schuldenstände und mögliche Zahlungsausfälle bestehen?

Pier: Die Spreads haben sich selbst unter Berücksichtigung der jüngsten Rally auf Niveaus begeben, die eine tiefe und ausgedehnte Rezession einpreisen. Wir erwarten zwar eine weitere Zunahme der Schuldenstände und der Ausfallquote; dennoch sind Ausfälle im Investment-Grade-Bereich erfahrungsgemäß eher selten. In den vergangenen 35 Jahren beliefen sich die Verluste im Schnitt auf fünf Basispunkte pro Jahr.  2008 war das schlechteste Jahr, als die Verluste von Investment-Grade-Unternehmensanleihen nach Angaben von Moody‘s auf 41 Basispunkte kletterten. Mit einer laufenden Rendite von 2,0 bis 2,5 Prozent halten wir Investment-Grade-Anleihen zu ihren aktuellen Bewertungen und in Anbetracht des unsicheren Umfelds für eines der lohnenderen Segmente.

Insbesondere bei Hochzinsanleihen dürften sich bei Fallen Angels – also Unternehmen, die aus dem Investment-Grade-Bereich zurückgestuft werden – Chancen auftun. Unserer Einschätzung nach wird die Ausfallquote von US-Hochzinsanleihen über die kommenden 12 Monate auf 6 bis 9 Prozent steigen, wobei das Gros der Ausfälle auf kurze bis mittlere Sicht höchstwahrscheinlich im Energiesektor zu sehen sein wird.

Was die einzelnen Regionen betrifft – sehen Sie ähnliche Chancen in Europa und den USA?

Tournier: In den USA ist das Wachstumspotenzial wegen der dynamischeren Konjunkturentwicklung höher. Außerdem waren die Vereinigten Staaten im Verlauf dieser Krise in der Lage, massivere geld- und fiskalpolitische Maßnahmen umzusetzen. Diese Punkte sprechen also für die USA; gleichwohl rechnen wir bei US-Anleihen mit höheren Ausfallraten als in Europa, wo Unternehmen häufig mehr Unterstützung seitens der Geldgeber und Regierungen erhalten, um einer Insolvenz zu entgehen. Daher ist hier einmal mehr Umsicht bei der Titelauswahl gefragt.

Inwieweit ändert der jüngste Ölpreisverfall Ihre Einschätzung auf Schwellenländerwerte?

Pier: Obgleich die Schwellenländer mit weitgehend guten Fundamentaldaten in diese Krise gerieten, sind 40 Prozent der Länder Nettoexporteure von Öl und viele hängen in hohem Maße vom Tourismus ab, was sich als Herausforderung herausstellen dürfte. Selbstverständlich wird das Virus auch hier seine Spuren hinterlassen, da die Gesundheitssysteme dieser Nationen weniger robust sind. Kombiniert mit einem starken US-Dollar haben wir es mit einer Anlageklasse zu tun, die von einer anhaltend hohen Unsicherheit geprägt ist; auch hier sind umsichtige Auswahlprozesse von entscheidender Bedeutung.

Letzte Frage: Ist der größte Teil der Kursrally schon vorüber?

Tournier: Das Spektrum möglicher künftiger Ergebnisse ist breit gefächert. Die Antwort auf diese Frage hängt in hohem Maße davon ab, ob und wann es einen Impfstoff gegen das Corona-Virus geben wird. Richtig ist auch, dass einige Bewertungen sehr vielversprechend erscheinen, insbesondere bei qualitativ hochwertigen Investment-Grade-Anleihen. Doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu hohe Risiken einzugehen. Anleger sollten vielmehr die Zeit nutzen, um sich in hochwertigen und defensiven Bereichen des Anleihen- und Kreditmarktspektrums zu positionieren. Die bottom-up-orientierte Titelauswahl erschließt in diesem Zusammenhang zahlreiche Chancen. In Zeiten erhöhter Volatilität ist Flexibilität der Schlüssel, um die Marktschwankungen nutzen zu können.

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