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Arts-AM-Chef Leo Willert Unter den Schwellenländern gibt es aktuell keine Gewinner

Mitglieder der Nachwuchsorganisation der indischen Nationalkongresspartei demonstrieren gegen hohe Ölpreise: Schwellenländer verzeichnen nach dem Corona-Kurstief eine langsamere Erholung, sagt Leo Willert von Arts AM.
Mitglieder der Nachwuchsorganisation der indischen Nationalkongresspartei demonstrieren gegen hohe Ölpreise: Schwellenländer verzeichnen nach dem Corona-Kurstief eine langsamere Erholung, sagt Leo Willert von Arts AM. | Foto: imago images / Hindustan Times
Leo Willert
Foto: Arts AM

Um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Kapitalmärkte zu beschreiben, wird oft der Vergleich mit der Finanzkrise 2008/2009 herangezogen. Auf den ersten Blick identisch, zeigt sich doch ein erheblicher Unterschied bei Betrachtung der Datenauswertung: Waren nach der Finanzkrise Schwellenländer noch die größten Gewinner, führen jetzt Industriestaaten die Rankings an.

Schwellenländer aktuell abgehängt

Während in China, den USA und Europa der Höhepunkt der Virusausbreitung überschritten scheint, verzeichnen andere Regionen wie Südamerika oder Zentral- und Südasien noch immer steigende Infektionsraten. In den gegenwärtig stark betroffenen Gebieten, die per se wirtschaftlich nicht so gut aufgestellt sind, kommen noch andere erschwerende Umstände wie eine mangelhafte Gesundheitsinfrastruktur oder eine höhere Armut in der Bevölkerung hinzu. Bei einigen Ländern, die zudem vom Ölexport abhängig sind – beispielsweise Brasilien – hat außerdem noch der Ölpreisverfall im April für einen wirtschaftlichen Dämpfer gesorgt.

Die Trendfolgeanalyse auf Basis von über 10.000 Fondsdaten zeigt, dass die Schwellenländer an der Börse allenfalls unterdurchschnittlich von der Erholung nach dem Tiefpunkt der Kurse profitierten. Die Aufwärtsbewegung wurde vielmehr von den Kapitalmärkten in den Industrienationen getragen. Den Startzeitpunkt der Analyse für die aktuelle Krise bildet der 23. März 2020, jener Tag, an dem der MSCI-Emerging-Markets-Index seinen (bisherigen) Jahres-Tiefststand markierte. Der Beobachtungszeitraum bis Ende Mai umfasst 69 Tage. In dieser Periode kommen auf Grundlage der umfassenden Datenbank von Arts unter den Top-Performern weltweit die Schwellenländer schlichtweg nicht zum Zug. Dies gilt für ETFs und aktiv gemanagte Fonds gleichermaßen.

Ganz vorne bei den Gewinnern dabei waren vielmehr Fonds mit regionalem Schwerpunkt auf australische Werte und solche, die vornehmlich in Gold investieren – wobei die Überschneidungen zwischen den beiden Kategorien teilweise auf der Hand liegen. Darüber hinaus trieben die zuvor stark in Mitleidenschaft gezogenen Rohstoff-Fonds die Erholung ebenso voran wie solche, die auf Nachhaltigkeit fokussiert sind. Die meisten Rohstoffunternehmen, deren Aktien in den Rohstoff-Fonds enthalten sind, haben zudem ihren Hauptsitz in den entwickelten Ländern. Zusätzlich finden sich auf US-Titel spezialisierte Fonds unter den Gewinnern.

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2009 waren Emerging Markets die Stars

Bei ETFs sah das Bild in der aktuellen Krise ein wenig anders aus: Immerhin konnten sich dort auch ETFs mit Schwerpunkt Europa und Deutschland in die Siegerliste eintragen. Zu den größten Verlierern, also Fonds mit der schwächsten Kursentwicklung, zählen aktive Fonds mit Schwerpunkt Türkei und Mittlerer Osten sowie ETFs mit Fokus auf Türkei, China und Pakistan.

In der Erholungsrally nach der letzten Finanzkrise bot sich ein gänzlich anderes Bild. Ausgehend vom 9. März 2009, dem damaligen globalen Börsentiefpunkt, wurde ebenfalls eine 69-Tage-Periode ausgewertet. Dort drängelten sich Indien, China, Osteuropa und Russland bei den Fonds in der Spitzengruppe. Einzig Finanztitel konnten die geschlossene Front der Schwellenländerfonds durchbrechen. Deren Schicksal glich dem der aktuellen Ölwerte, sie waren zuvor dramatisch abgestürzt. Unter den ETF-Underperformern von 2009 fanden sich Medien & Entertainment, Mining und Health Care. Bei den Fonds zählte im Frühjahr 2009 auch noch die Biotechnologiebranche zu den Verlierern.

Corona-Krise: Wie geht es regional weiter?

Dass Schwellenländer bei Fonds und ETFs aktuell eine viel schlechtere Performance als nach der Finanzkrise von 2008/09 verzeichnen, dürfte einerseits damit zu tun haben, dass die Krise in den einzelnen Regionen der Welt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ihren Höhepunkt erreicht hat und für viele Emerging Markets vermutlich noch längst keine Beruhigung in Sicht ist. Andererseits haben die Zentralbanken der Industrieländer mit teilweise massiven Kaufprogrammen die dortigen Kurse künstlich gestützt. Wer absehen kann, wann eine nachhaltige Eindämmung des Virus gelingt, könnte daran seine Anlagestrategie ausrichten. Allerdings sind die wenigsten Investoren gleichzeitig Virologen. Deshalb dürfte eine tragfähige Strategie schlicht darin bestehen, dem Motto „Das Momentum hat immer Recht“ zu huldigen. Die Daten werden zu gegebener Zeit zeigen, wann die Schwellenländer am Kapitalmarkt wieder Fahrt aufnehmen.


Über den Autor:
Leo Willert ist Chef und Leiter des Handels bei Arts Asset Management. Arts AM ist Teil der C-Quadrat-Gruppe.

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