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Hypotheken-Boykott Chinas Immobilienkäufer rebellieren

Halb fertiggestellte Hochhäuser in Hongkong
Halb fertiggestellte Hochhäuser in Hongkong: PIMCO geht davon aus, dass sich bis zu 8 Prozent der Immobilienprojekte in China festgefahren haben. ((ZUMA Wire / 0117450332)) | Foto: Imago Images / ZUMA Wire

Der sich ausweitende Hypotheken-Boykott in China schürt Befürchtungen einer weiteren Abwärtsspirale im Immobiliensektor. Es braut sich eine Bedrohungslage für die Finanzstabilität in einer Volkswirtschaft zusammen, die bereits durch das ins Stocken geratene Wirtschaftswachstum, die schleppende Verbrauchernachfrage und die Null-Covid-Politik unter Druck steht.

Seit Ende Juni bedienen Hunderttausende von Hauskäufern in Dutzenden chinesischer Städte ihre Hypothekenzahlungen für festgefahrene Immobilienprojekte nicht mehr. Berichten zufolge sind mindestens 300 Bauprojekte betroffen, die meisten in den zentralen und westlichen Regionen, darunter rund 20 Prozent in der Provinz Henan, in der 100 Millionen Einwohner leben.

Die Drohungen erhöhen den Druck in einer sich abschwächenden Wirtschaft. Aus den Daten des Nationalen Statistikamtes für das zweite Quartal geht hervor, dass Chinas BIP im Jahresvergleich nur noch um 0,4 Prozent gewachsen ist – der zweitniedrigste Wert, der jemals in China verzeichnet wurde.

Könnten die Probleme des chinesischen Immobiliensektors eine systemische Finanzkrise auslösen? Unserer Ansicht nach ist das unwahrscheinlich. Unsere Stresstests zeigen, dass das chinesische Bankensystem insgesamt über genügend Puffer verfügt, um den Schock eines relativ schweren Abwärtsszenarios aufzufangen.

Bis zu 10 Prozent aller Neubauprojekte könnten nicht fertiggestellt werden

Unserer Einschätzung nach belaufen sich verzögerte Projekte derzeit auf etwa 4 bis 8 Prozent aller im Bau befindlichen Projekte. In unserem Negativ-Szenario gehen wir davon aus, dass letztendlich 10 Prozent aller im Bau befindlichen Projekte unvollendet bleiben und die damit verbundenen Hypotheken zu notleidenden Krediten (Non-performing loans, NPL) werden würden. Dies würde für das Kreditsystem insgesamt eine NPL-Bildung von etwa 0,5 Prozent bedeuten.

In Verbindung mit drei anderen Quellen von Abwärtsrisiken – zusätzliche NPL-Bildung durch Bauträger, NPL aus Baukrediten und Schattenrisiken der Banken gegenüber Bauträgern – schätzen wir den zusätzlichen NPL-Druck auf etwa 2,6 Prozent der Gesamtkredite. In diesem Zusammenhang gehen wir davon aus, dass die jährliche Netto-NPL-Bildungsrate für den gesamten Bankensektor derzeit bei 0,7 bis 0,8 Prozent liegt und die normalisierte Spanne für den Zeitraum 2017 bis 2020 etwa 1,0 bis 1,3 Prozent beträgt.

Puffer des Bankensystems

Mit Blick auf das Ausmaß des potenziellen Stresses haben wir die drei wichtigsten Puffer untersucht, über die das Bankensystem verfügt: Das über das aufsichtsrechtliche Minimum hinausgehende harte Kernkapital (CET1), die allgemeinen Rücklagen und die Betriebsgewinne vor Rückstellungen. Wir kalkulieren, dass die Mittel sich auf 9,3 Billionen Yuan summieren, was 5,7 Prozent der gesamten Kredite im System entspricht – ein ausreichender Puffer, um Schocks aus unserem Abwärtsszenario aufzufangen. Allerdings würde der Puffer deutlich schwächer ausfallen, wenn wir die wenigen größeren Banken mit starken Bilanzen außen vor lassen würden.

Schwachpunkt für Systemrisiken: Mittelgroße Banken

Für kleine und mittelgroße Banken schätzen wir den potenziellen NPL-Druck auf 3,4 Prozent ihrer gesamten ausgereichten Kredite gegenüber 4,4 Prozent der verfügbaren Puffer. Die Auswirkungen einzelner Fälle von Stress bei kleinen Regionalbanken auf das Bankensystem dürften jedoch aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer begrenzten Abhängigkeit von der Interbankenfinanzierung überschaubar zu bleiben.

Stattdessen sind wir der Meinung, dass das Hauptaugenmerk im Hinblick auf das Systemrisiko auf mittelgroßen Banken liegen sollte. Diese Banken sind nicht nur relativ groß und landesweit tätig, sondern auch innerhalb des Bankensystems stark vernetzt – 37 Prozent der Bilanzsumme mittelgroßer Banken setzen sich nach Angaben der People’s Bank of China aus Interbankenkrediten und Anleihen zusammen, verglichen mit lediglich 17 Prozent bei Großbanken und 15 Prozent bei kleinen Banken.

Darüber hinaus sind mittelgroße Banken auch verhältnismäßig stärker im Schattenbanken-Geschäft engagiert, was ebenfalls darauf hindeutet, dass sie anfälliger sein könnten, sobald die Finanzierung von Bauträgern durch Nichtbanken vor Bankkrediten hakelig wird.

Unmittelbare Bankenkrise unwahrscheinlich, aber Vorsicht vor Ansteckung

In Anbetracht der umsichtigen Art und Weise, wie die Regierung mit den finanziellen Aspekten der Immobilienkrise umgeht, halten wir eine drohende Bankenkrise nach wie vor für unwahrscheinlich. Die Banken verzögern die NPL-Erkennung bei ihren Bauträgerkrediten mit einer von den Aufsichtsbehörden gewährten Nachsicht. Lokale Regierungen haben spezielle Anleihen ausgegeben, um kleine Banken zu rekapitalisieren und so die Verlustabsorptions-Kapazität des Systems zu erhöhen.

Hochfrequenzdaten aus Pools von mit Wohnimmobilienkrediten besicherten Wertpapieren (RMBS) zeigen, dass die Zahl der ausstehenden Hypotheken nach wie vor sehr niedrig ist und sich die Lage im Juni trotz eines leichten Aufwärtsdrucks im ersten Halbjahr 2022 weiter verbessert hat.

Aus der Makroperspektive betrachtet ist die Gesamtverschuldung der chinesischen Haushalte (gemessen an den Krediten der Haushalte im Verhältnis zum BIP) von 44 Prozent im Jahr 2016 auf 62 Prozent im Jahr 2021 stark angestiegen, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich belegt. Daten aus RMBS-Assetpools deuten allerdings auf ein relativ gesundes Maß an Verschuldung und Schuldendienstbelastung für Hypothekenschuldner hin. Hypothekenausfälle dürften sich daher in Grenzen halten, da die Bilanzen der privaten Haushalte im Durchschnitt solide sind.

Eine Hauptsorge, die sich aus dem Hypotheken-Boykott und dem schwächelnden Immobilienmarkt ergibt, ist jedoch, ob die negative Stimmung auf weitere Immobilienkäufer übergreifen und zu neuen Ausfällen bei bestehenden Hypotheken führen könnte. Sollte das der Fall sein, könnten sich unserer Meinung nach die systemischen Risiken im Bankensystem erhöhen.

Eine weitere Analyse zum chinesischen Markt lesen Sie hier: What China’s Recovering Supply Chain Means for Global Inflation (Englisch)

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