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Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin Warum Europa dringend Reformen benötigt

Karsten Junius, Chefökonom des Schweizer Bankhauses J. Safra Sarasin, hält die Europäische Union für dringend reformbedürftig.
Karsten Junius, Chefökonom des Schweizer Bankhauses J. Safra Sarasin, hält die Europäische Union für dringend reformbedürftig. | Foto: J. Safra Sarasin

Die Wetterkarte für Europa für Tag eins nach dem Griechenland-Programm zeigt es besser als alle ökonomischen Statistiken: Sonnenschein von Portugal bis Finnland und von Zypern bis Irland mit drei bezeichnenden Ausnahmen: Regenwolken oder Gewitter werden für Italien, Grossbritannien und Russland gezeigt.

Die meisten Ökonomen würden die aktuelle Lage wohl etwas weniger positiv kommentieren als Meteorologen oder der Tourismussektor. Tatsache ist aber auch, dass viele ihrer schlimmsten Befürchtungen nicht eingetreten sind: Weder ist die Währungsunion auseinandergefallen, noch haben sich Deflation oder Stagflation ausgebreitet. Stattdessen ist die Arbeitslosenquote seit Mitte 2013 von 12,1% auf 8,3% gefallen und das strukturelle Haushaltsdefizit von -4,2% im Jahr 2010 auf -0,8% in diesem Jahr. Die Leistungsbilanz weist einen steten Überschuss von über 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf. Dabei handelt der Euro gegenüber dem USD fast auf den Cent genau auf dem Niveau seiner Einführung Anfang 1999.

Das Wachstum mag nicht mehr so dynamisch sein wie im letzten Jahr, lag mit 0,4% qoq in den ersten beiden Quartalen 2018 aber ungefähr auf Potenzial und dürfte nach den letzten Stimmungsindikatoren dort wohl auch im weiteren Jahresverlauf bleiben. Dass dafür negative Geldmarktzinsen benötigt werden, wäre von den meisten allerdings wohl nicht erwartet worden.

"Deutlich nationalistische Töne vernehmbar"

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Vor Griechenland haben bereits Portugal, Spanien, Irland und Zypern ihre Anpassungsprogramme beenden können. So erfolgreich das klingen mag – wiederholbar sind diese Programme im erneuten Krisenfall kaum. Die sozialen Härten, die die Bevölkerung vor allem in Griechenland zu erleiden hatte, wären politisch kaum tragbar.

Bereits jetzt sind von Populisten in mehreren Ländern deutlich nationalistischer Töne zu hören, die die europäischen Institutionen häufig offen kritisieren. Bislang stellen Populisten lediglich in Italien die Regierungsmehrheit. Wir befürchten, dass es dabei nicht bleibt – vor allem, wenn bei einem erneuten Wirtschaftsabschwung in der Währungsunion.

Es ist absehbar, dass die geldpolitischen Möglichkeiten, die Wirtschaft zu stimulieren angesichts bereits negativer Leitzinsen, begrenzt sind. Umso stärker wäre die Versuchung einer expansiven Fiskalpolitik, die in einzelnen Ländern leicht in Konflikt mit den europäischen Vorgaben kommen könnte. Dass Populisten diesen Konflikt sogar suchen könnten, scheint der inzwischen 300 Basispunkte betragende Zinsaufschlag italienischer gegenüber deutschen Anleihen zu signalisieren.

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