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Finanzprofis kommentieren Bidens Wahlsieg „USA sind von 180-Grad-Wende in der Politik weit entfernt“

Feuerwerk bei Siegesfeier mit Joe Biden und Kamala Harris in Wilmington
Feuerwerk bei Siegesfeier mit Joe Biden und Kamala Harris in Wilmington: Zwar werde sich der Ton mit dem neuen Präsidenten verändern, an eine politische Kehrtwende glauben viele Finanzprofis aber nicht. | Foto: imago images / UPI Photo

Maximilian Kunkel, Chefanlagestratege bei UBS in Deutschland

Biden als Präsident und ein gespaltener Kongress sind für den Dax der bestmögliche Wahlausgang. Falls das Ergebnis bestätigt wird, kann sich der Markt auf eine kooperativere und berechenbarere Handelspolitik verlassen, was für deutsche Unternehmen und Anleger mehr Planungssicherheit bedeuten würde. Eine weniger expansive US-Fiskalpolitik als in einer rein blauen Welle sollte zudem die Abwertung des Dollars gegenüber dem Euro in naher Zukunft begrenzen. Auch regulatorische Bedenken in der Technologie- und Gesundheitsbranche würden sich als übertrieben erweisen. Nicht zuletzt würde der Weg hin zu einer nachhaltigeren Energieversorgung bei diesem Ergebnis auch in den USA die notwendige politische Aufmerksamkeit erlangen.

Das Wahlergebnis sollte damit den zuletzt eingesetzten Kaufstreik beenden. Anleger mit einer positiven Sicht auf die Impfstoffentwicklung sollten sich taktisch vor allem auf konjunktursensible Unternehmen konzentrieren.

Eckhard Schulte, Vorstandsvorsitzender von Main Sky Asset Management

Jetzt steht es fest, Joe Biden wird der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der von den Demoskopen vorhergesagte Erdrutschsieg der Demokraten allerdings ist ausgeblieben. Die blaue Welle dürfte am Ende nur dafür reichen, einen höchst umstrittenen Präsidenten aus dem Amt zu spülen. Für die Finanzmärkte sollte der Machtwechsel im Weißen Haus nicht zu einem Game-Changer werden. Denn auch mit einem demokratischen Präsidenten sind die USA von einer 180-Grad-Wende in der Politik weit entfernt. Denn noch steht zwar nicht fest, ob und wie sich die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat verschieben, zu einem Durchwinken demokratischer Gesetzesvorhaben dürfte es aber eher nicht kommen, egal wie die Stichwahlen im Januar ausgehen.

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Das sollte auch dazu führen, dass die fürs Sparen bekannten Republikaner noch ein paar Hundert Milliarden aus dem angestrebten Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise herausdiskutieren, bevor es dann erst im neuen Jahr verabschiedet werden dürfte. Insgesamt aber wird die USA auch unter Biden fiskalpolitisch weiter auf Investitionen vor allem in die Infrastruktur setzen, diesen allerdings einen etwas grüneren Anstrich verleihen. Unwahrscheinlich dagegen sind gravierende Änderungen oder gar eine Rücknahme von Trumps Steuerreform. Als politisches Risiko Bestand haben dürfte dagegen der Konflikt zwischen den USA und China, während aber auch die Demokraten kein Interesse daran haben, die monopolartige Vormachtstellung der US-Technologieunternehmen zu gefährden.

Die nächsten Wochen dürften zwar noch von juristischen Auseinandersetzungen bis hin zu absurden Versuchen Trumps, mit dem von ihm noch in letzter Minute neujustierten Supreme Court das Wahlergebnis in Frage zu stellen, geprägt sein – eine zwischenzeitlich höhere Volatilität am Aktienmarkt nicht ausgeschlossen. Übergeordnet allerdings sollte die Dynamik, die zum einen von einer ultraexpansiven Geldpolitik und zum anderen von einer Gezeitenwende in der Fiskalpolitik ausgelöst wurde, auch nach dem Machtwechsel im Weißen Haus anhalten.

So wie die Demoskopen einen erdrutschartigen Sieg der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl vorhergesagt hatten, warnten Analysten beinahe unisono vor dem Worst-Case-Szenario eines nicht eindeutigen Wahlausgangs mit anschließenden Turbulenzen an den Finanzmärkten. Fünf Tage voll dieser Ungewissheit nach der Wahl wissen wir nun, dass sich beide Expertengruppen geirrt haben. Die Kursverluste an den Aktienmärkten erstreckten sich genau auf ein paar Stunden am Wahlabend, danach hieß es für die Finanzmärkte zunächst einmal Business as usual, und so dürfte auch die Devise für die nächsten Monate lauten.

Zwar gibt jetzt mit Joe Biden ein neuer Präsident den fiskalpolitischen Ton an, die Strategie des Demokraten sollte allerdings im Ergebnis nicht allzu unterschiedlich zu der seines Vorgängers sein. Die Fiskalpolitik bleibt in jedem Fall expansiv. Während Trump als Verfechter von Investitionen in die Infrastruktur gilt, die für eine breit angelegte konjunkturelle Erholung erforderlich sind, kann die grüne Politik seines Herausforderers in Verbindung mit der Stärkung der Kaufkraft von Beziehern niedriger Einkommen letztlich die gleichen Effekte haben. Auch in der Steuerpolitik wird sich vermutlich unter Biden nicht viel ändern. Zwar hat er angekündigt, unter anderem höhere Einkommen stärker zu besteuern und die Sozialabgabenpflicht auszuweiten. Zudem sollen Unternehmen durch eine Erhöhung der Körperschaftsteuer sowie eine Mindeststeuer stärker belastet werden. Allerdings sollten zum einen mindestens in 2021 noch eine schwache Konjunktur und eine hohe Arbeitslosigkeit die Tür für Steuererhöhungen fest verschlossen halten und zum anderen ist eine Zustimmung im Senat ohne Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten nur schwer realisierbar.

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