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Gerd Kommer und Alexander Weis Sozial verantwortlich investieren mit ETFs?

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Passiv gemanagte ESG-Investments?

ESG-Investieren für einen aktiven Anleger ist also, jedenfalls nach außen hin, eine eher einfache Angelegenheit. In der Welt von Index-Investing ist das alles viel schwieriger. Hier existieren weniger Subjektivität, mehr Transparenz, mehr (in diesem Fall unangenehme) Klarheit und letztlich kein Wegdelegieren.

Soviel zu der Hauptursache dafür, warum ESG-Investing in der Indexfonds-Welt bisher eine deutlich geringere Rolle spielt als in der Welt aktiven Investierens.

Kommen wir nun zum zentralen investmenttechnischen Problem der Umsetzung von ESG-Investing aus dem Blickwinkel eines passiven Anlegers, nämlich der Schwierigkeit, ausreichend Diversifikation zu erreichen. Das ist der weiter oben erwähnte Gesichtspunkt (C).

Optische statt echter Lösungen

Ein Beispiel: Es leuchtet unmittelbar ein, dass der MSCI Europe Standard ESG Index weniger unterschiedliche Aktien enthält als sein „Parent-Index“ (Eltern-Index), der MSCI Europe Standard Index, aus dem der ESG-Index seine Mitglieder rekrutiert. Und je strenger, also wirksamer die angewandten ESG-Kriterien sind, desto größer ist dieser Unterschied und desto schlechter ist der ESG-Index in einer reinen Investmentperspektive gegenüber seinem Parent Index diversifiziert.

Angesichts des grundsätzlich großen Interesses des Publikums und der Medien nach ESG-Indexfonds, versuchen die Indexanbieter und Indexfondsgesellschaften naturgemäß, dieses Grundproblem (Verlust an Diversifikation bei ESG-Indizes) zu adressieren. „Adressieren“ heißt hier allerdings lediglich „mildern“, denn eine vollständige Beseitigung dieses Problems ist strukturell unmöglich.

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Die heute üblichen Problemlösungsansätze sehen im Einzelnen unterschiedlich aus und haben unterschiedliche Namen, laufen aber alle auf den gleichen hier bewusst zynisch formulierten Gedankengang hinaus: „ESG-Filter führen zu einem Verlust an Diversifikation. Das ist schlecht und könnte zu mangelnder Akzeptanz des Anlageprodukts führen. Weil wir dieses Problem nicht wirklich lösen können, finden wir stattdessen optische Lösungen, die von den meisten Anlegern wahrscheinlich mit echten Lösungen verwechselt werden.“

Beispiele attraktiv aussehender Lösungen

Nachfolgend nennen wir drei Beispiele für attraktiv aussehende Lösungen in der MSCI-ESG- und SRI-Indexfamilie.

Bei Aktienindizes ist MSCI in Europa der führende und bekanntest Indexanbieter. Das gilt jedoch nicht für andere Weltregionen. Das hier anhand von MSCI-Beispielen beschriebene Sachverhalt tritt bei anderen Indexanbietern in exakt gleicher Weise auf.

Aus der Perspektive eines Nicht-ESG-Fans könnte man dabei boshaft von „Weichzeichnereffekt“ sprechen. All diese Lösungsansätze haben das eine, gleiche Ziel: Dafür zu sorgen, dass weniger Unternehmen aus dem ESG-Index herausfallen als es bei konsequenter, strenger Anwendung der ESG-Kriterien der Fall wäre und damit die Einbuße an risikosenkender Diversifikation möglichst gering ausfällt. Die Namen dieser ESG-Indexvarianten tauchen auch in den Namen von ETFs auf, die solche Indizes replizieren.

  • „ESG Trend Leaders“: Hier schaffen es nicht mehr nur Unternehmen mit einer absolut guten ESG-Note in den Index, sondern auch Unternehmen, die zwar keine gute ESG-Note aufweisen, aber immerhin einen Trend (Momentum) in die richtige Richtung zeigen. Die ESG-Kriterien werden also gelockert, damit mehr Unternehmen in den ESG-Index gelangen.
  • „SRI 5% Capped“: Weil eine einfache, strenge Anwendung von SRI- oder ESG-Filtern oft dazu führt, dass einige wenige Unternehmen in einem Index ein sehr hohes Gewicht einnehmen (und damit auch die Diversifikation des Index reduzieren), wird das Gewicht jedes Unternehmens bei 5 Prozent gedeckelt. Das kommt natürlich ebenfalls einer Lockerung des ESG-Filterkriteriums gleich, ohne dabei das Wort „Lockerung“ zu benutzen.
  • „Best In Class“: Weil eine einfache, strenge Anwendung von SRI- oder ESG-Filtern zum völligen oder nahezu völligen Ausschluss ganzer Branchen führt (was wiederum die Diversifikation des Index mindert), werden nun nicht mehr nur die absolut besten ESG-Unternehmen zugelassen, sondern auch die relativ besten Unternehmen in vorherigen Ausschlussbranchen. Wieder liegt im Ergebnis eine Aufweichung der ESG-Kriterien vor.

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