„Großteil der Kursrally hinter uns“ 10 Vermögensverwalter über die Dax-Entwicklung im 2. Halbjahr
Eine volatile Seitwärtsbewegung bis Jahresende

Wie beurteilen Sie die Perspektiven für den Dax in der zweiten Jahreshälfte?
Unserer Ansicht nach werden die Finanzmärkte aktuell primär vom globalen Handelsstreit der USA und insbesondere China tangiert. Die letzten Monate zeigen aber auch, dass der Handelsstreit jederzeit auf andere Handelspartner überspringen kann (zum Beispiel Mexiko) und wir erwarten, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU gegen Jahresende wieder in den Fokus der Marktteilnehmer rücken wird. Wir rechnen aber damit, dass es Handelsabkommen zwischen den USA und deren Handelspartner geben wird und sich diese „nur“ verzögern, da der freie Handel und die weltweite Arbeitsteilung den Wohlstand sichert und alle Vertragsparteien letztlich darauf angewiesen sind, um den Lebensstandard zu halten beziehungsweise weiter auszubauen. Allerdings ist zu befürchten, dass diese Thematik die Finanzmärkte noch bis zu den US-Wahlen im Herbst 2020 und gegebenenfalls darüber hinaus beschäftigen werden.
Die damit verbundene Unsicherheit für die Wirtschaftsteilnehmer wird letztlich insbesondere den industrielastigen Dax tangieren. Positive Signale zum Handelskonflikt dürften zu deutlich steigenden und negative zu entsprechend fallenden Notierungen führen. Bis Jahresende hatten wir zu Jahresbeginn den Dax bei zirka 12.500 Punkten prognostiziert, weshalb wir auf den aktuellen Niveaus und im aktuellen Marktumfeld wenig Potenzial sehen. Insgesamt erwarten wir bis Jahresende eine volatile Seitwärtsbewegung.
Welche Faktoren könnten den deutschen Leitindex stützen und wo sehen Sie mögliche Stolperfallen?
Die internationalen Handelskonflikte sehen wir als wesentliche Stolperfalle für den Dax, da die deutsche Industrie als Exportweltmeister besonders vom Handelsstreit betroffen ist. Dies ist auch ein Grund dafür, warum die Dax-Entwicklung (allen voran deutsche Automobilunternehmen) in den letzten beiden Jahren eher enttäuschte. Demgegenüber behaupteten sich Dienstleistungsunternehmen (zum Beispiel IT-Werte) recht gut, die allerdings im deutschen Leitindex nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Positiv dürften sich natürlich die letzten Statements der Notenbanken (primär Fed und EZB) auswirken. Dies zeigte sich auch sehr gut an der Marktreaktion nach den Statements von EZB-Chef Mario Draghi zu Beginn der Woche. So sei zusätzlicher Stimulus nötig, wenn sich das aktuelle Konjunkturumfeld nicht bessere. Es seien weitere Zinssenkungen möglich und weitere Anleihekäufe eine Option. Dies führte zu weiteren Zinsrückgängen (10-jährige Bundesanleihen notierten bei -0,3 Prozent ) und der Dax gewann im Tagesverlauf über 350 Punkte beziehungsweise zirka 3 Prozent hinzu. Die relativ attraktive Bewertung deutscher Unternehmen im Vergleich zu europäischen Anleihen (insbesondere Staatsanleihen) hat sich dadurch nochmal verstärkt. Positiven Einfluss in Form von steigenden Aktiennotierungen erwarten wir davon jedoch nicht. Wir sehen darin viel eher einen Grund dafür, dass die Aktienmärkte trotz des schwierigen Wirtschaftsumfeldes weiter auf relativ hohen Niveaus notieren.
Inwiefern könnten der Brexit oder andere politische Ereignisse für Störfeuer sorgen?
Insgesamt fällt bei Betrachtung der letzten Jahre auf, dass sich die Finanzmärkte in höherer Frequenz immer wieder auf neue oder aber auch bereits existierende Themen, die in Vergessenheit gerieten, fokussieren. Dazu haben natürlich die globale Vernetzung und die aktuelle Medienlandschaft ihren Beitrag geleistet.
Ein mögliches Störfeuer könnte daher natürlich der Brexit sein, welchen wir hinter dem globalen Handelskonflikt insbesondere für europäische Unternehmen und Investoren als zweitwichtigsten geopolitischen Risikofaktor erachten. Aktuell ist der Brexit etwas in den Hintergrund gerückt und die Briten scheinen sich derzeit eher auf die Nachfolgefindung von Theresa May zu fokussieren und weniger darauf, eine Lösung für die Umsetzung des Brexits zu finden. Aber spätestens im Oktober sollte die Thematik dann wieder stärker in den Fokus der Finanzmarktteilnehmer rücken und für Volatilität an den Finanzmärkten sorgen.
Ansonsten führen die globale Vernetzung und die heutige Medienlandschaft auch dazu, dass jederzeit politische Störfeuer drohen und sich die Gemengelage durch Tweets tagtäglich ändern kann. Zu nennen sind beispielsweise auch der aktuelle Konflikt zwischen den USA und dem Iran, der jederzeit eskalieren könnte, oder aber auch der Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien. In diesem Umfeld scheinen sich aber auch die Marktteilnehmer in ihrem Verhalten adaptiert zu haben, da sie relativ gelassen mit derartigen Störfeuern umzugehen scheinen. Aber insgesamt ist die Gemengelage fragil: einerseits abnehmende Wirtschaftsdynamik oder sogar eine möglicherweise kurzfristig bevorstehende Rezession und andererseits die stützende Notenbankpolitik. Sollten die Notenbanken die Finanzmarktteilnehmer enttäuschen und weniger expansiv agieren und sich die geopolitischen Risiken weiter verschärfen, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Aktien- aber auch die Rentenmärkte dies mit deutliche Rücksetzer quittieren werden. Wir sind daher aktuell vorsichtig und fahren in unseren Vermögensverwaltungsstrategien auf Sicht.