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Aktualisiert am 22.02.2023 - 15:47 Uhrin VersicherungenLesedauer: 6 Minuten

Ex-Tecis-Vertriebspartner im Gespräch „Heute kann ich echte Freundschaften pflegen“

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Wie sah es mit Ihrem eigenen Verdienst während der Strukturvertriebszeit aus?

Korzhuk: In den drei Jahren bei Tecis habe ich insgesamt rund 30.000 Euro verdient. Zuerst habe ich nebenberuflich gearbeitet und mit dem Hauptjob die Rechnungen bezahlt. Erst gegen Ende meiner Zeit bei Tecis habe ich die Tätigkeit in Vollzeit ausgeübt.

Und wie viel haben Sie dafür gearbeitet?

Korzhuk: Das kann ich leider nicht genau sagen. Nicht alles, was man im Strukturvertrieb tut, führt zu Einkommen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die zahlreichen Vorträge und Schulungen, die man als Vertriebspartner anfangs besuchen und später auch selbst halten muss. Das alles nimmt zwar viel Zeit in Anspruch, wird aber nicht vergütet. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man im Strukturvertrieb nur von zwei Dingen leben kann: entweder Umsatz, den man selbst schreibt oder Vertriebspartner, an deren Umsätzen man beteiligt wird. Die einzige Frage, die man also ständigim Hinterkopf hat, ist: „Woher kommt der nächste Kunde oder Partner?“ Auch abends, bei Hobbys und Veranstaltungen oder auf Familienfeiern ist diese Frage stets mit dabei. Jeder Kontakt und jede neue Bekanntschaft wird auf das Potenzial, Kunde oder Vertriebspartner zu werden, überprüft. Echte Freundschaften, die keine geschäftliche Absicht verfolgen, sind dabei eher die Ausnahme als die Regel. Insofern hat man fast nie den Kopf frei.

Können Sie ungefähr schätzen, wie viel von Ihrer Provision Sie persönlich an den
Vertrieb „abgeben“ mussten?

Korzhuk: Ich weiß die genaue Zahl natürlich nicht, aber grob lässt sich das recht einfach schätzen. In meiner gesamten Zeit bei der Tecis habe ich geschätzt zirka 2 Millionen Euro Bewertungssumme geschrieben. Bei 2 Millionen Euro Bewertungssumme wurden ausgehend von einem Eingangssatz von 45 Promille zirka 90.000 Euro Provision von den Versicherern an die Tecis gezahlt. Ich bekam davon, wie bereits erwähnt, nur zirka 30.000 Euro. Das heißt, Tecis hat ungefähr 60.000 Euro an mir verdient. Ein Teil davon ging natürlich an Leute über mir in der Struktur.

Was verdienen Sie jetzt als selbstständiger Versicherungsmakler?

Korzhuk: 2021 wurden bei mir zirka 120.000 Euro Umsatz abgerechnet.

Sehen Sie auch Positives am Strukturvertrieb?

Korzhuk: Selbstverständlich. Ohne Strukturvertrieb gäbe es nicht so viele Menschen in der Finanzbranche. Der Strukturvertrieb hat mir beim Einstieg in die Branchesehr geholfen. Die Fachausbildung wurde nicht in Rechnung gestellt, lediglich die Ausbildungsvorbereitungswochen waren kostenpflichtig. Auch die anfängliche Unterstützung durch meine Führungskräfte habe ich sehr wertgeschätzt. Zusammenge fasst bin ich fest davon überzeugt, dass der Strukturvertrieb für viele Menschen der richtige Ort ist, um Karriere zu machen. Es gibt aber auch viele, die mit einem eigenen Maklerunternehmen deutlich besser dran wären.

Und was hindert die Berater daran, beim Strukturvertrieb einzusteigen, Qualifikationen zu sammeln und sich anschließend selbstständig machen?

Korzhuk: Meistens ist es das Vertragsverhältnis, welches der Vertriebspartner mit dem Vertrieb eingeht. Der Ausstieg ist alles andere als einfach. Die Kündigungsfristen betragen, je nach Vertrieb, bis zu zwei Jahre. Innerhalb dieser Zeit ist der Vertriebspartner weiterhin verpflichtet, jeglichen Umsatz über den Vertrieb einzureichen und abrechnen zu lassen. Dazu kommt noch, dass man nach einer Kündigung alle Kunden, die man in der aktiven Zeit im Vertrieb gewonnen hat, beim Vertrieb lassen muss. Denn der Kundenbestand, den man selbst akquiriert und jahrelang betreut hat, gehört rechtlich gesehen nicht dem Berater, sondern dem Vertriebsunternehmen.

Was machen Sie jetzt als freier Makler anders?

Korzhuk: Ich darf meine Entscheidungen als Makler zu 100 Prozent selbst treffen. Ich habe mir ein eigenes Marketing und Kooperationen aufgebaut, die die Kundenakquise im Freundes- und Bekanntenkreis überflüssig machen. Ich bin nicht mehr auf jeden Vertragsabschluss angewiesen und kann heute echte Freundschaften pflegen, ohne an potenzielle Umsatzmöglichkeiten denken zu müssen.

Über den Interviewten:

Ruslan Korzhuk ist Gründer und Geschäftsführer der Finanz- und Versicherungsberatung Finance for Heroes, die sich an Bundeswehrangehörige richtet. Zwischen Ende 2016 und Ende 2019 war er als Vertriebspartner bei Tecis beschäftigt. Davor diente Korzhuk selbst bei der Bundeswehr.

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