Volkswirt Johannes Mayr
Zinsanstieg: Crasht jetzt der Immobilienmarkt?
Aktualisiert am 19.12.2023 - 15:38 Uhr
Johannes Mayr ist Chefvolkswirt der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz. Foto: Eyb & Wallwitz / Canva
In der Immobilienbranche herrscht schlechte Stimmung: Die Haus- und Wohnungspreise fallen, doch wegen des Zinsanstiegs können sich immer weniger Menschen ein Eigenheim leisten. Hier erklärt Johannes Mayr von der Anlagegesellschaft Eyb & Wallwitz, wie es dazu kam.
Neben den höheren Finanzierungskosten nennen Banken das gesunkene Verbrauchervertrauen und die schlechteren Preisaussichten am Immobilienmarkt als zentrale Treiber für den Nachfrageeinbruch. Dazu beigetragen hat aber wohl auch der Rückgang der Kaufkraft durch das hohe Inflationsniveau. Und schließlich wurden die staatlichen Förderungen für Kauf und Bau energieeffizienter Neubauten deutlich gedrosselt. Vielmehr soll die Sanierung von Bestandsimmobilien Priorität haben.
Interesse an Krediten sinkt
Infolgedessen hat die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen zum Jahreswechsel so stark nachgelassen wie noch nie seit Erhebung der Daten...
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Neben den höheren Finanzierungskosten nennen Banken das gesunkene Verbrauchervertrauen und die schlechteren Preisaussichten am Immobilienmarkt als zentrale Treiber für den Nachfrageeinbruch. Dazu beigetragen hat aber wohl auch der Rückgang der Kaufkraft durch das hohe Inflationsniveau. Und schließlich wurden die staatlichen Förderungen für Kauf und Bau energieeffizienter Neubauten deutlich gedrosselt. Vielmehr soll die Sanierung von Bestandsimmobilien Priorität haben.
Interesse an Krediten sinkt
Infolgedessen hat die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen zum Jahreswechsel so stark nachgelassen wie noch nie seit Erhebung der Daten ab 2003. Dazu kommt, dass sich die noch verbleibende Nachfrage deutlich auf ältere und kleinere Bestandsimmobilien verschoben hat. Zusätzlicher Druck auf die Nachfrage – vor allem nach Mehrfamilienhäusern – kommt über den Kapitalmarkt, wo festverzinsliche Anleihen durch den Zinsanstieg für Investoren wieder interessante risikoarme Alternativen bieten.
Mit Blick auf die kommenden Monate dürften sich die Finanzierungskonditionen und damit die Nachfrageperspektiven noch weiter eintrüben. Ein neuerlicher großer Zinsschock scheint aber wenig wahrscheinlich. Denn die Erwartungen zur Terminal Rate der EZB liegen bereits bei über 3,5 Prozent. Dieses Niveau schätzt der EZB-Rat deutlich restriktiv ein.
Kurz- und mittelfristig stabilisierend wirkt zudem, dass das Angebot gerade auf dem deutschen Immobilienmarkt nach wie vor knapp und wenig flexibel ist. Die Ursache liegt auch in den schleppenden Neubauprozessen der vergangenen Jahre, vor allem aber im starken Rückgang des Angebots ab Anfang der 1990er Jahre bis 2009. Vor dem Hintergrund skeptischer Projektionen zur Bevölkerungsentwicklung sank in dieser Zeit die Zahl der Fertigstellungen von Neubauten in Deutschland von über 600.000 pro Jahr auf nur noch 160.000, was zu einer strukturellen Knappheit an Wohnraum beigetragen hat.
Bürokratie blockiert Baubranche
Dazu kommen bürokratische und baurechtliche Hürden und Verzögerungen. Zwar hat die Bundesregierung 2021 den Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr als neues Ziel formuliert und will durch stärkere direkte öffentliche Investitionen und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren das Angebot an günstigem Wohnraum in Ballungsgebieten spürbar erhöhen.
Tatsächlich lag die Zahl der Fertigstellungen aber auch 2021 und 2022 jeweils unter 300.000 Einheiten, Tendenz fallend. Hintergrund sind ökonomisch limitierende Faktoren wie Personalknappheit und Materialmangel und der dadurch verstärkte Druck auf die Baupreise, die allein 2022 um gut 15 Prozent zulegten. Eine Reihe von großen Wohnbaugesellschaften hat deshalb sogar einen Stopp sämtlicher Neubauprojekte bekannt gegeben. Der bis zuletzt anhaltende Rückgang der Baugenehmigungen zeigt, dass trotz einer Entspannung von Lieferkettenproblemen hier kurzfristig keine Trendwende zu erwarten ist.
Vor allem in den Städten läuft die Schaffung von Angebot nach wie vor sehr schleppend. In den Metropolen ist die Zahl von Fertigstellungen seit 2021 sogar deutlich rückläufig. Sie sinkt um etwa 4 Prozent pro Jahr. Dementsprechend niedrig ist die Leerstandsquote, die anhaltend unter 3 Prozent liegt.
Die Inflexibilität des Angebots ist gesellschaftlich und gesamtwirtschaftlich ein Problem, begrenzt kurzfristig aber das Korrekturpotenzial der Immobilienpreise in Deutschland. Denn im Unterschied zur Situation in den USA und den südlichen Euroländern zur Zeit der Finanzkrise dominiert in Deutschland die Knappheit von Wohnraum. Überkapazitäten haben sich trotz dem Boom der vergangenen Jahre kaum aufgebaut.
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