Pimco-Portfoliomanager über Asiens Wirtschaft „Chinas Binnenkonsum treibt die Erholung“
Herr Chang, Analysten sehen Anzeichen für eine schnelle Erholung der globalen Wirtschaft. Wie schätzen Sie die Aussichten für China ein?
Stephen Chang: Die chinesischen Wirtschaftsindikatoren zu Beschäftigung und Mobilität sowie Produktion haben sich zuletzt positiv entwickelt. Das Land erholt sich weiter von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Gestützt wird die Entwicklung durch hohe Investitionen in Wohnraum und Infrastruktur sowie eine Normalisierung des Konsums. Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaftsleistung im Jahresvergleich um 3,2 Prozent. Auf Quartalsbasis stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von April bis Juni um 11,5 Prozent. Die Erholung wurde durch die Lockerung des Lockdowns, das Aufholen von Produktionsausfällen, den Nachfrageschub nach medizinischen Produkten und Hardware sowie durch Konjunkturmaßnahmen vorangetrieben.
Welche Rolle spielt die chinesische Zentralbank?
Chang: Der Staatsrat hat über die chinesische Volksbank, die People's Bank of China, den Mindestreservesatz für Kreditinstitute gesenkt und zugesagt, kleine und mittlere Banken bei der Kapitalbeschaffung zu unterstützen. Außerdem sollen die Kreditzinsen und Anleiherenditen sinken. Banken werden dazu angehalten, auf Gewinne zu verzichten, um Unternehmen zu helfen. Chinas Regierung hat die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zur Priorität gemacht.
Es besteht zwar noch eine gewisse Unsicherheit darüber, wie sich der Handelskonflikt mit den USA entwickelt. Die Entwicklung der Wirtschaft in China aber ist vielversprechend.
Die Zeichen stehen also auf Erholung. Was bedeutet das für die Finanzmärkte im asiatisch-pazifischen Raum? Wie sollten Anleger sich aufstellen?
Chang: Im besten Fall setzt sich die schnelle Erholung fort. Voraussetzung dafür wäre aber, dass sich das Virus mithilfe von Impfstoffen eindämmen oder mit Medikamenten behandeln lässt und die Abstandsregeln schneller als erwartet aufgehoben werden. Kommt es zu einer V-förmigen Erholung, setzen wir auf Inlandskonsum, darunter Internetanbieter, die Immobilienbranche sowie Unternehmen, die reichlich Liquidität vorhalten, aber im bisherigen Jahresverlauf unterdurchschnittlich abgeschnitten haben. Dazu zählen die Automobil- und Leasing-Branche sowie Häfen. In diesem Szenario würden wir Sektoren mit begrenzten Aussichten auf Gewinnsteigerung und dem Potenzial für eine Spread-Einengung wie Banken und Versorgungsunternehmen meiden.
Noch ist die Corona-Pandemie aber nicht eingedämmt. Wie würden Sie auf ein schlechteres Szenario reagieren?
Chang: Eine zweite Corona-Welle könnte tatsächlich zu einer langsameren Erholung oder sogar zu einem sogenannten Double Dip führen; einem erneuten Abrutschen in eine Rezession. Einige Branchen dürften aufgrund ihres starken Marktanteils und dem Zugang zu Finanzmitteln auch bei einem L-förmigen Verlauf der Wirtschaft profitieren, darunter inländische Internetfirmen und die Immobilienbranche. Darüber hinaus würden wir defensive, streng regulierte Branchen wie Banken, Versorgungsunternehmen, erneuerbare Energien und Telekommunikation vorziehen.
Die Internet- und Immobilienbranche entwickeln sich in beiden Szenarien sehr gut. Können Sie das näher erläutern?
Chang: Internetanbieter werden auch weiterhin von den Auswirkungen von Covid-19 profitieren, insbesondere im Hinblick auf Homeoffice und Online-Shopping. Abgesehen von der Wachstumsdynamik sind die Finanzkennzahlen dieser Unternehmen solide, ihre Aktienkurse erholen sich. Für eine Expansion sind diese Firmen damit gut gerüstet. Im Vergleich zu globalen Konkurrenten sehen wir in dieser Branche vielversprechende Bewertungen.
Der chinesische Immobilienmarkt wird eher von der Binnenwirtschaft getrieben und ist damit weniger abhängig vom globalen Wachstum. Die chinesische Regierung hat großes Interesse daran, diesen wichtigen Wirtschaftsmotor stabil zu halten. Daher erwarten wir, dass diese Branche mit geldpolitischen Mitteln gestützt wird, bis sich die Wirtschaft vollständig erholt hat. Kommt es zu einem L-förmigen Konjunkturverlauf, rechnen wir mit einer Lockerung der Immobilienpolitik. Das dürfte die Nachfrage ankurbeln. In einem V-förmigen Szenario verfügen Verbraucher über mehr Kaufkraft. Aber selbst wenn sich der Markt schnell normalisiert, wird die Politik die Regularien vermutlich zunächst nicht verschärfen.
Wie werden sich die asiatischen Rentenmärkte in den kommenden sechs bis zwölf Monaten entwickeln?
Chang: Wir erwarten, dass die Zentralbanken in Asien ihren lockeren geldpolitischen Kurs beibehalten und eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, um Wachstum und Erholung zu fördern. Dazu könnten Zinssenkungen, Kürzungen der Mindestreserveanforderungen und quantitative Lockerungen zählen. Allerdings dürfte die Entwicklung bei den asiatischen festverzinslichen Wertpapieren ungleichmäßig verlaufen, da die Zinsen in den unterschiedlichen Ländern stark voneinander abweichen. Branchen, die sich auf den Binnenkonsum stützen, werden in den meisten Szenarien besser abschneiden.
In diesem Umfeld sind aktive Investoren gefragter denn je. Entscheidend ist, gezielt vorzugehen und gleichzeitig flexibel zu bleiben, da die Märkte noch eine Weile volatil bleiben dürften.