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„Neuer Wirecard-Skandal wäre möglich“ So bewerten Finanzprofis die neuen Dax-Regeln

Von in UnternehmenLesedauer: 9 Minuten
Hauptsitz des Pharmazulieferers Sartorius in Göttingen
Hauptsitz des Pharmazulieferers Sartorius in Göttingen: Das Unternehmen könnte zu den 10 zusätzlichen Dax-Kandidaten gehören. | Foto: imago images / Hubert Jelinek

Kurt Cruickshank, Fondsmanager des Aberdeen Standard

Die Deutsche Börse ist verständlicherweise sehr daran interessiert, zu zeigen, dass aus dem Wirecard-Skandal Lehren gezogen wurden. Eine der wichtigsten Änderungen im Regelwerk des Dax ist aus unserer Sicht, dass die Mitglieder des erweiterten Leitindex zur Veröffentlichung von testierten Geschäftsberichten und vierteljährlichen Quartalsmitteilungen verpflichtet werden und zudem ein Prüfungsausschuss auf Aufsichtsratsebene vorhanden sein muss. Dies positioniert den Dax als einen der ESG-freundlichsten Indizes – ganz im Einklang mit der Führungsrolle Europas in diesem Bereich. Wir möchten auch die Anforderung hervorheben, dass zukünftige Kandidaten vor der Aufnahme in den Index ein positives EBITDA in ihren zwei letzten Jahresberichten aufweisen müssen. Die Grundüberlegungen hinter dieser speziellen Regeländerung sind zwar nachvollziehbar. Allerdings könnte sie für den noch jungen und sehr dynamischen deutschen Technologiesektor weitreichende und nicht unbedingt immer positive Auswirkungen haben.

Zu den wahrscheinlichsten 10 zusätzlichen Dax-Kandidaten gehören Symrise, Zalando, Siemens Healthineers, Hannover Re, Scout24 und Knorr-Bremse, in denen auch der Aberdeen Standard German Equity engagiert ist, sowie Qiagen, LEG, Sartorius und Brenntag.

Andreas Strunk, Analyst bei Grüner Fisher Investments

Die Anpassung der Deutschen Aktienindizes ist beschlossene Sache und wird dennoch die vorrangigen Ziele nicht erreichen. So wollte man verhindern, dass sich ein Skandal im Ausmaß des Wirecard-Bilanzskandals in Zukunft wiederholt und verlustträchtige Firmen ohne Umsätze in Deutschland weiterhin in den Deutschen Aktienindex aufgenommen werden können. Schließlich sollte die deutsche Wirtschaft besser im größten deutschen Index abgebildet werden.

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Doch die Konstruktion des Dax wird das Erreichen dieser Ziele auch nach der Erweiterung verhindern. Zunächst einmal ist die Gewichtung im Dax nicht gleichgewichtet, sondern richtet sich, auch nach der Anpassung, weiterhin anhand der frei handelbaren Marktkapitalisierung aus. Durch diese Konstruktion stehen die größten fünf Unternehmen im Dax (Linde, SAP, Siemens, Allianz und Bayer) derzeit für mehr als 40 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung. Mit Continental, Covestro, Beiersdorf, MTU und Heidelberg Cement machen bereits heute fünf Firmen jeweils weniger als ein Prozent des Deutschen Aktienindex aus. Hinzukommen werden zehn tendenziell kleinere Unternehmen mit geringer freier Marktkapitalisierung. Das reduziert zwar die Gewichtung der großen Firmen minimal, verändert aber nicht die wesentliche Struktur.

Der Wirecard-Skandal hingegen wäre auch mit der Indexanpassung entstanden. Entscheidend hierfür waren mangelnde Prüfstandards. Über Jahre hinweg gab es immer wieder Zweifel am Wachstum von Wirecard und spätestens der Sonderprüfbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG lieferte mehr neue Fragen als Antworten. Doch die Kurse brachen vorerst nicht ein, auch weil viele Privatanleger einen Skandal dieses Ausmaßes nicht für möglich halten wollten. Letztendlich knickte der Dax unter dem Skandal auch nicht ein, weil Wirecard nur sehr gering gewichtet war – schädlich war der Skandal eher für das Image von Aktien, Bilanzprüfern und der Bundesaufsicht.

Ein weiterer Kritikpunkt beschäftigt sich mit den Auslandsumsätzen der Unternehmen im Dax –spätestens seit es Delivery Hero, ein Essenslieferant ohne Geschäft in Deutschland, in den größten deutschen Index geschafft hat. Doch bereits heute stammen nur etwa 20,4 Prozent der Umsätze im Dax aus Deutschland, was tendenziell beweist, dass Produkte und Dienstleistungen deutscher Unternehmen noch immer im Ausland begehrt sind. Umsätze in China oder den USA sorgen für eine geografische Risikostreuung, vermindern somit Investitionsrisiken und werden sich auch durch zehn zusätzliche Unternehmen nicht verändern. Vor allem ist dies nicht negativ zu sehen, sondern tendenziell eher ein Gütesiegel der deutschen Wirtschaft.

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