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Wegweisende Innovationen „Technologieunternehmen haben heute die Funktion von Versorgern“

Montage eines Elektro-Pickups in Illinois
Montage eines Elektro-Pickups in Illinois: „Im Gegensatz zur Dotcom-Blase steht heute die Technologie nicht auf dem Papier, sondern auf dem Schreibtisch oder in der Garage“, sagt Matt Moberg, Portfoliomanager bei Franklin Equity Group. | Foto: Imago Images / ZUMA Wire
Matt Moberg, Portfoliomanager
bei Franklin Equity Group

Herr Moberg, die Notwendigkeit und Stärke von Innovationen haben wir in der Pandemie hautnah erleben können. Doch wie die meisten anderen Bereiche des Marktes sind auch innovative Unternehmen in den vergangenen Quartalen unter Druck geraten. Wie beurteilen Sie das aktuelle Umfeld für Investitionen in Innovationen?

Matt Moberg: Eine Reihe von Fragen ist in diesem Zusammenhang wichtig: Wie sehen die Grundlagen des jeweiligen Unternehmens aus? Kann es in der Vierten Industriellen Revolution mitspielen? Ist das innovative Geschäftsmodell weiterhin gefragt? Die Beantwortung dieser Fragen ist für uns langfristig wichtiger als darüber nachzusinnen, wie sich der Markt in den nächsten drei oder sechs Monaten entwickeln wird.

Zu welchem Schluss kommen Sie folglich, wenn Sie über innovative, oft im Nasdaq gelistete Unternehmen nachdenken?

Moberg: Unser Team ist nach wie vor der Meinung, dass sich die Innovation in der Welt beschleunigt, dass sie ein aktives Management erfordert und dass sie überall stattfindet. Daran denken wir in Zeiten des Marktstresses. Ein kleines Beispiel: Erinnern Sie sich daran, wann Sie aufgehört haben, bar zu bezahlen, um eine Tasse Kaffee zu kaufen? Oder wann Sie aufgehört haben, Fernsehen zu schauen? Oder wann Sie Ihr letztes Fax geschickt haben? Die meisten Menschen erinnern sich nicht daran. Sie wechseln einfach zur nächsten Technologie. Und manchmal vergessen sie schnell – und gern – , wie die Dinge in der Vergangenheit gehandhabt wurden. Die Auswirkungen dieser Technologiewechsel können für uns Investoren enorm sein. Deshalb denken wir viel über solche Dinge nach.

Die Straffung der Geldpolitik hält die Aktienmärkte im Bann. Wie beurteilen Sie die derzeitigen Bewertungen?

Moberg: Der Rückblick zeigt: In den vergangenen 32 Jahren lag das KGV am Markt bei unterschiedlichen Zinsniveaus durchschnittlich bei etwa 17,5. Von diesem Standpunkt aus gesehen haben wir also nicht das Gefühl, dass es aktuell eine deutliche Überbewertung gibt. Tatsächlich handeln die meisten der Unternehmen zum jetzigen Zeitpunkt unter ihrem langjährigen Durchschnitt. Allerdings könnte es neue Verschiebungen geben: Sollte es aufgrund der steigenden Zinsen zu einer weiteren Abwärtsbewegung im Bärenmarkt kommen, könnte beispielsweise der Wohnungsbau noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden. Dadurch könnte wiederum der Bankensektor unter Druck geraten, der höhere Rückstellungen für Kreditausfälle vorhalten muss.

 

Zwischen der seit einem halben Jahr anhaltenden Drawdown-Phase und der Dotcom-Blase wurden viele Vergleiche bemüht. Was denken Sie?

Moberg: Die Perspektiven für die technologische Entwicklung im Jahr 2000 schienen wie aus einer anderen Welt. Die luftigen Bilanzen der Unternehmen waren für viele Marktteilnehmer uninteressant, sie hingen lieber Zukunftsfantasien nach. Heute steht die Technologie nicht auf dem Papier, sondern auf dem Schreibtisch oder in der Garage. Die betreffenden Lösungen sind wichtig und oft unerlässlich für Verbraucher, aber auch für Unternehmen und Betriebe. Technologieunternehmen haben heute eher die Funktion klassischer Versorgungsunternehmen, etwa eines Energiedienstleisters. Und Technologie lässt sich oft problemlos skalieren, denken Sie nur an Software, die überall gebraucht wird. Wir haben in den vergangenen Jahren noch keinen Gedanken daran verschwendet, dass wir uns in einer Blase befinden. Allerdings hat es in der Tat Bereiche gegeben, die ein wenig danach aussahen: Denken Sie nur an den Hype um die SPAC-Börsenmäntel oder die Meme-Aktien. Die Breite des Marktes betrafen diese Exzesse aber nicht.

Wo sehen Sie große Chancen? Und worauf achten Sie beim Investieren in Unternehmen mit großem Potenzial?

Moberg: Wir sehen uns genau an, ob sich die Unternehmen vorwärtsbewegen und an Dynamik zulegen oder ob sie sich zurückentwickeln. Nehmen wir den Bereich autonome Fahrzeuge. Wenn Sie mich 2017 danach gefragt hätten, hätte ich gesagt, dass sie im Jahr 2022 schon auf den Straßen unterwegs sein werden. Autonomes Fahren spielt sich bislang allerdings nur in sehr begrenztem Umfang ab. Vieles braucht seine Zeit. Wir werden oft auf Technologien zur additiven Fertigung, also den 3D-Druck, oder Wasserstoff angesprochen – auch für uns alles fabelhafte Technologien. Wir sind davon überzeugt, dass sie unser Leben erheblich verändern werden, aber sie sind vielleicht noch nicht investierbar, es könnte noch zu früh sein. Wir versuchen also zu durchdenken, wo die Entwicklung bei den verschiedenen Technologien steht und welche Geschäftsmodelle sich ableiten lassen.

Wie sieht es bei der E-Mobilität aus? Wie schätzen Sie die Innovationsmöglichkeiten in diesem Bereich ein?

Moberg: Es gibt 1,4 Milliarden Autos auf der Welt. Fast alle von ihnen – lediglich 16 Millionen Fahrzeuge ausgenommen – fahren mit Kraftstoff. Wenn alles wie geplant verläuft, könnten bis zum Jahr 2030 jährlich rund 25 Millionen E-Autos auf den Markt kommen – vorausgesetzt, die Hersteller können in ausreichenden Mengen auf Lithium und Kupfer zurückgreifen. Diese kleine Kalkulation hilft uns zu verstehen, wie lange wir noch auf fossile Brennstoffe angewiesen sein werden. Es wird noch lange dauern, bis die Welt nur noch aus E- und Wasserstofffahrzeugen besteht. Doch diese Entwicklung wird sich kräftig beschleunigen, soviel ist klar. Deshalb bieten sich hier in den nächsten zehn Jahren gute Investitionsmöglichkeiten.

Inwieweit ziehen Sie andere Perioden in der Wirtschaftsgeschichte heran, um Ihre Strategien für Investitionen in Innovationen festzulegen?

Moberg: Schocks gehören zu den wichtigsten Innovationsbeschleunigern, aber sie treten nur sehr selten auf. So beendete die Ölkrise in den 1970er-Jahren die Vorherrschaft der Amerikaner in der Autoindustrie: Coupés wie der Buick Riviera mit zwei Türen und 5,5 Meter Länge verschwanden vom Markt, um Kleinwagen Platz zu machen. Die Ölkrise führte zum Aufstieg japanischer und südkoreanischer Autohersteller. Weitere Innovationen folgten: Neben dem immer geringeren Benzinverbrauch wurde mit Antiblockiersystemen und Airbags geworben, weil die Leute nicht ungeschützt in den kleinen Autos sitzen wollten, während die großen Buicks noch über die Straßen rauschten.

Beim Covid-Schock verhielt es sich ja ganz ähnlich.

Moberg: Die Pandemie war auch insofern einzigartig, weil bereits viele Technologien bereitstanden, die anstehende Probleme lösen konnten. E-Commerce, elektronischer Zahlungsverkehr, Impfstoffe, Fortschritte in der Genomik und vieles mehr waren bereits in ihren Grundlagen entwickelt – und wurden dann stark nachgefragt.

Aber jetzt sehen die Kurse von Bezahldienstleistern wenig berauschend aus…

Moberg: Statistisch gesehen kommen Schockereignisse für die Märkte selten vor, und doch mussten wir gleich zwei hintereinander durchmachen. Und in gewisser Weise graben sich beide Schocks gegenseitig das Wasser ab. Mit anderen Worten: Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat zu Engpässen geführt, die in gewisser Weise einige der Fortschritte bremsen, die wir unter anderem im E-Commerce und im Zahlungsverkehr für dauerhaft hielten. E-Commerce und Zahlungsverkehr sind stark korreliert; die Bereiche sind unter Druck geraten, weil die Menschen jetzt mehr für Lebensmittel und Energie ausgeben müssen und sich Konsumgüter kaum noch leisten können.

Sobald der Krieg endet, sollte folglich der Markt rasch wieder drehen?

Moberg: Solange müssen Anleger gar nicht warten. Natürlich sind in Deutschland die Energiepreise um das 15-fache gestiegen, das lässt die Leute ihr Geld zusammenhalten. Aber so schlimm alles auch ist: Der Krieg in der Ukraine wird Innovationen voranbringen – sei es bei erneuerbaren Energien, der Energieversorgung im Allgemeinen oder auch bei den Themen Landwirtschaft und Ernährungssicherheit. Hier bieten sich schon jetzt Chancen.

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