Wachtendorf-Kolumne Ausblick 2015: Aufforderung zum Tanz
Optimismus ist eine Sache der Einstellung – so lehrt es das Sinnbild von der halbvollen Flasche, die ein Pessimist naturgemäß als halbleer empfindet. In diesem Zusammenhang fällt es leicht, sich selbst als Optimist zu outen oder einzuordnen: Wer positiv denkt, hat mehr vom Leben und erreicht seine Ziele leichter als jemand, der vor lauter Bedenken nicht wagt, den ersten Schritt zu tun.
Vom Optimismus zu Leichtsinn und Übermut ist es jedoch nur ein kleiner Schritt, mit mitunter fatalen Folgen. Bezogen auf die Finanzwelt gibt es auch dafür ein Sinnbild, das nahezu jeder kennt, der mit dieser Branche zu tun hat. Geprägt hat es Charles Prince, von 2003 bis 2007 Chef der Citigroup. „Solange die Musik spielt, muss man tanzen“, hatte Prince wenige Monate vor seinem Abgang zu Protokoll gegeben und damit die Haltung der Banken zu Beginn der amerikanischen Hypothekenkrise auf den Punkt gebracht: Nach uns die Sintflut, und irgendwie kommen wir aus dem ganzen Schlamassel schon wieder heraus.
Hört man in diesen Tagen und Wochen Fondsmanager ihre Prognosen für das Anlagejahr 2015 in die Welt posaunen, schimmert bei dem einen oder anderen genau diese Haltung durch. Heute klingt das dann so: Früher oder später werden uns die Folgen der Finanzkrise einholen, aber solange die Notenbanken die Märkte mit Liquidität fluten, steigen die Kurse – da müssen und wollen wir dabei sein. Eine Einstellung, die jeder Anleger für sich selbst beurteilen und einordnen muss. Wer jedoch darauf vertraut, ein im aktuellen Umfeld voll investierter Fondsmanager mit dieser Haltung schaffe es, genau im richtigen Moment den Absprung zu schaffen, der ist mehr als optimistisch, leichtsinnig oder übermütig. Er ist naiv. Und das kann genauso fatal enden.