Aktienkorrektur Weder Inflation noch Zinsen sind der Grund
Gut klingende Stories sind nicht immer wahr
Es gibt nichts Schöneres als eine gut klingende Story – das weiß jeder Finanzberater, der ein Produkt verkaufen will. Der Grund: Viele Anleger sind bereit, solche Geschichten mental zu kaufen, wenn sie sie nur oft gut genug gehört haben. Eine dieser Börsen-Evergreens, die tibetanischen Gebetsmühlen gleichen, ist: Zieht die Inflation an und steigen dann die Zinsen, kommen Aktien zwangsläufig unter die Räder. In der Tat haben die Zinsen einen großen Einfluss auf die Rentabilität und die Bewertung von Unternehmen. Insofern ist die Aussage korrekt. Doch: Ausgerechnet in der stärksten Inflations-Phase seit dem 2. Weltkrieg, den 1970er-Jahren, zeigt sich kein Zusammenhang von Inflation und Aktienmarkt.
Die Fußspur des Geldes – oder: Charts lügen nicht
Offenbar machen sich nur wenige Menschen, auch Profis, die Mühe, Behauptungen zu prüfen. Doch wer sich den Chart des S&P 500 in den Jahren von 1973 bis 1980 zu Gemüte führt, erkennt: Unterm Strich kam der Index, der keine Dividenden erhält, kaum von der Stelle. Buy-and-Hold-Anleger verloren wegen der Kursentwicklung und der Inflation real viel Geld, strichen aber noch ordentliche Dividenden ein. Fakt ist aber auch: Es müssen andere Gründe als die hohe Inflation gewesen sein, die den Aktienmarkt erst nach Süden und später nach Norden schickten. Dies zeigt sich klar, wenn wir Kursgewinne und Kursverluste mit den Inflationsraten dieser Zeit abgleichen (siehe Tabelle).
Aktienkurse und Inflationsrate: Keine Korrelation!
Die von uns vorgenommene Auswertung, wie Sie sie in der Tabelle sehen, zeigt keine Korrelation zwischen der Höhe der Geldentwertung und den Kursgewinnen bzw. Kursverlusten an der Aktienbörse. Konkret:
- Von 1973 bis 74 verlor der S&P 500 satte 43 Prozent, während die gemittelte Inflation in diesen Jahren 8,15 Prozent betrug. Die annualisierte Rendite: minus 19,5 Prozent.
- Von 1975 bis 76 legte dieser marktbreite Index um starke 58 Prozent zu. Doch die Inflationsrate bewegte sich in diesen Jahren bei gemittelt 7,4 Prozent und somit kaum unter dem Niveau der Vorjahre. Die annualisierte Rendite explodierte auf 26 Prozent!
- 1977 verlor das Börsenbarometer 17 Prozent, die Inflation betrug mit 6,5 Prozent jedoch weniger als in den Vorjahren.
- In den Jahren 1978 bis 1980 erreichte die gemittelte Inflationsrate mit 10,7 Prozent sogar zweistellige Werte. Die Aktienanleger scherte das nicht, sie kauften den Index um 36 Prozent nach oben. Das ist eine annualisierte Rendite von knapp elf Prozent.
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Aktienmarkt kletterte trotz steigender Zinsen kräftig
Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Börsenkursen und der Inflationsrate lässt sich also selbst in hoch inflationären Zeiten nicht herstellen. Ähnliches gilt für Zinsanstiege: In den 1980er-Jahren erhöhte die US-Notenbank etliche Male die Leitzinsen. Den Anstieg des Aktienmarkts um mehrere hundert Prozent verhinderte das nicht. Unsere Schlussfolgerung: Ob Inflation oder Zinserhöhungen den Markt nach unten drücken, hängt von der Marktphase ab, in der diese Faktoren auftreten.
Aber: Unsere Untersuchung bedeutet nicht, dass Aktien nicht vor Inflation schützen würden. Wie wir im Februar erläutert haben, erzielten Aktien über lange Frist die höchsten Nominal- und Realrenditen unter allen Anlageklassen. Damit bleiben sie der beste Inflationsschutz.
Über den Autor:
Stephan Albrech ist Vorstand der Albrech & Cie Vermögensverwaltung aus Köln.