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Aktienmarkt Europa „Anleger achten derzeit zu sehr auf die Politik“

Insulinspritze: Das in der Diabetesbehandlung weltweit führende Unternehmen Novo-Nordisk aus Dänemark ist für Ben Ritchie von der britischen Fondsgesellschaft Aberdeen Standard Investments ein europäisches Positivbeispiel.
Insulinspritze: Das in der Diabetesbehandlung weltweit führende Unternehmen Novo-Nordisk aus Dänemark ist für Ben Ritchie von der britischen Fondsgesellschaft Aberdeen Standard Investments ein europäisches Positivbeispiel. | Foto: Henrik Gerold Vogel / pixelio.de

Als Reaktion auf schwächere Wirtschaftsdaten auf dem gesamten Kontinent, auf die Unwägbarkeiten des Brexit und Sorgen um die italienischen Banken zogen internationale Investoren 2018 mehr als 50 Milliarden Euro aus europäischen Aktien ab. Die Anleger sind heute in Europa genauso untergewichtet wie zuletzt während der Eurokrise.

Es ist verständlich, dass Investoren aufgrund des möglichen wirtschaftlichen Abschwungs vorsichtig werden. Die politische und kulturelle Komplexität Europas kann dazu beitragen, vorsichtige Anleger abzuschrecken. In einer Zeit, in der die US-Wirtschaft relativ robust bleibt und die Begeisterung für die Schwellenländer wieder zunimmt, entscheiden sich deshalb viele dafür, europäische Aktien als „zu problematisch" einzustufen.

Es gibt jedoch drei gewichtige Gründe, warum Anleger, die sich wegen makroökonomischer Prognosen und politischer Bedenken für eine Untergewichtung europäischer Aktien entscheiden, Gefahr laufen, etwas zu verpassen.

BIP-Wachstum weniger wichtig

Erstens ist der Zusammenhang zwischen der Entwicklung der europäischen Aktienmärkte und dem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU geringer, als vielfach angenommen wird. Wenn man die Branchen- und Unternehmensebene betrachtet, gibt es viele Unternehmen, die nur sehr begrenzt von der lokalen Wirtschaftsleistung abhängig sind.

Ben Ritchie, Aberdeen Standard

Unsere Analyse legt nahe, dass weniger als 25 Prozent der Aktienmarktrenditen der Eurozone durch das BIP erklärt werden können, während insgesamt weniger als 50 Prozent der Einnahmen börsennotierter Unternehmen aus der EU kommen.

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Betrachtet man einzelne Branchen und Unternehmen, sinkt die Korrelation weiter. Die Aussichten jener Sektoren, in denen Europa über viele weltweit führende Unternehmen verfügt, etwa im Gesundheitswesen, im Technologiesektor und bei Konsumgütern, stehen in einem sehr begrenzten Zusammenhang mit der inländischen Gesamtnachfrage.

Strukturelle Trends im Fokus

Stattdessen werden sie weitaus mehr von strukturellen Trends wie der Digitalisierung, einer alternden Weltbevölkerung oder einer aufstrebenden Mittelschicht beeinflusst. Für ein Unternehmen wie Novo-Nordisk aus Dänemark, das weltweit führend in der Diabetesbehandlung ist, wird die finanzielle Performance nicht von kurzfristigen Wirtschaftsdaten bestimmt, sondern davon, wie es gelingt, solchen Gesundheitsrisiken zu begegnen, die durch langfristige Gewohnheiten verursacht werden.

Zweitens ist die scheinbare Komplexität des europäischen Markts für einen erfahrenen Stockpicker, der unterbewertete und übersehene Chancen erkennen kann, in Wirklichkeit ein echter Vorteil.

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit sorgt diese Komplexität bei Anlegern allerdings oft für zusätzliche Abneigung. Mit fast 20 Ländern in der Benchmark, viele davon mit eigener Sprache, jedes mit seiner eigenen Kultur, eigenen Gesetzen und einem Labyrinth politischer Prozesse, liefert Europa viel Anlass für Verunsicherung. Tatsächlich bleibt Europa jedoch einer der vielfältigsten und liquidesten Aktienmärkte der Welt und sein BIP ist nach China das zweitgrößte.

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