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in WirtschaftLesedauer: 4 Minuten

Geldpolitik Der Spielraum schwindet

Die Finanzmärkte sind kurios: Gerade erst platzierte die Bundesregierung eine 30-jährige Anleihe mit einer negativen Rendite. Dabei sollte doch, zumindest in der Theorie, der Zins eine Belohnung sein für den Verzicht auf heutigen Konsum. Sparkassenpräsident Helmut Schleweis meinte dazu zu Recht in einem Interview mit dem Handelsblatt: „Die Europäische Zentralbank setzt die bisherigen Spielregeln außer Kraft.“

Marco Herrmann, Fiduka
Foto: Fiduka

Mittlerweile werfen auch kurzlaufende deutsche Bundesanleihen Minus-Renditen ab. Negative Zinsen gibt es mittlerweile jedoch nicht nur bei Staatsanleihen, sondern auch bei Corporate Bonds. Weltweit werden mittlerweile Anleihen mit einem Volumen von insgesamt rund 16 Billionen US-Dollar mit negativen Zinsen gehandelt.

Drohende Rezession

Nun kommt ein weiteres Problem hinzu: Die sich abschwächende Weltkonjunktur. Nachdem in Deutschland die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,1 Prozent geschrumpft ist, weist unter anderem der Ifo-Geschäftsklima-Index darauf hin, dass sich diese Entwicklung auch im dritten Dreimonats-Zeitraum fortgesetzt haben könnte. Damit befände sich die Bundesrepublik wieder in einer Rezession. In anderen Ländern sieht es kaum besser aus. Die Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft wurde bereits mehrfach nach unten revidiert.

In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder die Frage gestellt, was die Notenbanken angesichts der globalen Nullzinsen im Fall einer Rezession noch tun könnten. EZB-Chef Mario Draghi meint zwar, dass sein Werkzeugkoffer gut gefüllt sei. Wie weitere Maßnahmen zur Konjunktur-Belebung konkret aussehen könnten, hat er jedoch bislang noch nicht durchblicken lassen. Tja, wir werden es in den nächsten Monaten herausfinden.

Die Null war bislang die magische Schallmauer, zumindest bei länger laufenden Anleihen. Doch nun ist die Tabu-Schwelle überwunden. Zehnjährige Bundesanleihen kosten den Anleger bereits rund 0,7 Prozent an Strafzinsen pro Jahr. Sie rentieren damit weiter unter dem aktuellen Einlagenzins von minus 0,4 Prozent, den die Banken für kurzfristig bei der EZB geparktes Geld zahlen müssen. Das macht nur Sinn, wenn Anleger weitere Zinssenkungen erwarten. Und warum soll aus minus 0,7 Prozent nicht minus zwei oder minus fünf Prozent werden? Die technischen Voraussetzungen hierfür wurden mit dem Unterschreiten der Nulllinie bereits geschaffen.

Weltweit expansive Maßnahmen

Die EZB hat bereits angedeutet, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Von der amerikanischen Notenbank Fed erwarten die Marktteilnehmer ebenfalls weitere expansive Maßnahmen. Ähnliches gilt für die Bank of Japan und die People's Bank of China. Außer der Fed haben bereits auch die Notenbanken von Indien, Neuseeland und Thailand ihre Leitzinsen gesenkt, um der heimischen Konjunktur auf die Beine zu helfen.

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Historisch betrachtet war es in der Regel so, dass die Notenbanken auf Rezessionen mit Zinssenkungen in der Größenordnung von drei bis sechs Prozentpunkten reagiert haben. Doch mit der Ausnahme einiger weniger Schwellenländer bietet derzeit kein Staat den nötigen Zinssenkungsspielraum - außer es werden deutlich negativere Zinsen akzeptiert.

Damit besteht das Risiko, dass die Bürger und vor allem große Anleger ins Bargeld flüchten könnten, um so den negativen Zinsen zu entfliehen. Eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds hat hierfür schon eine Lösung vorgeschlagen. Dabei geht es gar nicht mal darum, das Bargeld zu verbieten, sondern unser Geld in zwei lokale Währungen aufzuteilen: Bargeld und elektronisches Geld, also das Geld auf unseren Konten.

Beide Währungen sind über einen Wechselkurs verbunden. Das Bargeld wertet so automatisch in der gleichen Höhe ab, wie Negativzinsen den Wert des elektronischen Geldes reduzieren. Bei einem angenommenen Minuszins von beispielsweise 3 Prozent würde der Wert eines 100-Euro-Scheines nach einem Jahr auf 97 Euro sinken. An der Kasse eines Geschäfts wären aber immer noch 100 Euro zu bezahlen. Mit dieser Maßnahme hofft man den Konsum zur Rettung der Konjunktur anzukurbeln.

Ob Negativzinsen in voller Breite auf uns zukommen, ist schwer zu sagen. Nach all den geldpolitischen Experimenten der zurückliegenden Jahre ist die Chance dafür aber eben nicht mehr bei null. Wahrscheinlicher dürften jedoch staatliche Ausgabenprogramme zur Stabilisierung der Wirtschaft sein. So fordert der Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft, der renommierte Ökonom Michael Hüther, einen 450 Milliarden Euro schweren Infrastruktur-Fonds. Doch auch solche staatlichen Konjunkturpakete wollen günstig finanziert sein.

Negative Zinsen werden uns noch länger begleiten und erfüllen indirekt die Funktion einer politisch gewollten Vermögenssteuer. Auswege aus dem Geldanlage-Dilemma bieten nur ein international breit gestreutes Aktienportfolio, Gold und vor allem die eigengenutzte Immobilie.

Marco Herrmann ist Vorstand der Fiduka Depotverwaltung.

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