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Grünen-Finanzexperte im Interview „Das Misstrauen gegenüber Finanzberatern ist groß“

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… sondern weil kein Geld dafür da ist?

Schick: Die Abgabenbelastung ist hoch. Deswegen nennen wir gern das Beispiel Schweden oder Niederlande. Wo es einen ganz einfachen Ansatz gibt, der beim Betrieb ansetzt und bei dem Menschen zu geringen Kosten fürs Alter ansparen können. In Deutschland bleibt dagegen viel Geld hängen: in der Beratung, bei den Provisionen, und bei den hohen Kosten der Gesellschaften, die Altersvorsorgeprodukte anbieten. Vom mühsam Abgesparten bleibt nicht viel fürs Alter übrig. Die Menschen in Deutschland sollten mit dem Wenigen, das sie sparen können, nicht im Wesentlichen irgendwelche Finanzberater finanzieren.

Im Finanzvertrieb ist viel geschehen, zuletzt durch die europäischen Richtlinien Mifid II und IDD und ihre Umsetzungsgesetze. Branchenteilnehmer kritisieren allerdings, dass das den Verbrauchern wenig hilft, dafür aber dem Finanzvertrieb das Leben schwer macht.

Schick: Ich teile diese Kritik. Die Wirkung ist nicht unbedingt so, dass der Verbraucher heute besser dasteht als vorher. Wer liest denn die vielen Dokumente? Durch das Beratungsprotokoll oder Ähnliches können sich im Wesentlichen der Berater oder die Bank besser schützen. Deswegen glaube ich, dass man einen anderen Weg beschreiten muss. Man sollte eine wirklich unabhängige Beratung im Interesse des Kunden herbeiführen. Es braucht dafür einen wirklich unabhängigen Finanzberater, der wie ein Anwalt oder Steuerberater nur im Interesse seines Mandanten tätig sein darf.

Sie spielen auf die Honorarberatung und ein Provisionsverbot an. Das war bei Mifid II erst im Gespräch, wurde aber nicht umgesetzt. Der EU-Gesetzgeber hat viele Ausnahmen zugelassen.

Schick: Ja genau. Ich glaube, dass man die Interessenkonflikte ganz aus der Finanzberatung herausnehmen muss. Der Berater sollte nur im Interesse des Mandanten tätig sein und von ihm finanziert werden. Natürlich wird es dann immer noch gute und schlechte Berater geben. Aber dass es einen Grund gibt, im Interesse der Anbieterseite zu beraten, diesen Interessenkonflikt müssen wir unbedingt auflösen. Wenn das umgesetzt ist, kann man auch die Dokumentation einfacher gestalten als sie heute ist.

Die meisten Berater in Deutschland beraten heute über Provisionen. Aus der Branche hört man oft das Argument, dass das auch gar nicht anders geht. Die Vermittler müssen ja von etwas leben. Und viele Verbraucher wollen keine Gebühren für etwas zahlen, für das sie meinen, nie Gebühren gezahlt zu haben.

Schick: Viele Menschen verstehen nicht, dass sie die Beratung über Provisionen finanzieren. Dann ist es natürlich schwer für jemanden, der seine Beratung mit einem gewissen Preis versieht. Das geht auch nicht über Nacht. Ich glaube aber, dass es möglich ist, nach einem Modell ohne Interessenkonflikte Finanzberatung zu machen. Andere Länder sind diesen Weg schon gegangen. Und die Erfahrungen sind nach allem, was ich weiß, positiv. Dafür werden wir uns als Finanzwende einsetzen.

Aus europäischen Ländern, die ein Provisionsverbot eingeführt haben, hört man, dass im Ergebnis ein großer Teil der Menschen von Finanzberatung abgeschnitten ist.

Schick: Ich habe viele Fälle gesehen, in denen Menschen glücklich gewesen wären, wenn sie einen bestimmten Finanzberater nie getroffen hätten.

Schwarze Schafe gibt es in jedem Berufsstand.

Schick: Hier gibt es sie zu vielen Tausenden. Es mag sein, dass manche Leute sich eine Beratung nicht leisten können, die sie eigentlich bräuchten. Aber über solche Fragen muss man auch nicht jeden Monat sprechen, sondern nur, wenn wichtige Veränderungen anstehen: Einstieg in den Beruf, Berufswechsel, Kinder, Scheidung, das sind Punkte, an denen man die Altersvorsorge nachjustieren sollte. Das heißt nicht, dass Leute ständig 200 Euro Stundensatz für eine Beratung ausgeben müssen. Die lohnt sich vor allem an wenigen Wegmarken, weil hier Fehlentscheidungen wirklich teuer sind. Viele Leute zahlen heute aber implizit durch Provisionen sogar locker 300 Euro Stundensatz – für ein interessengeleitetes Verkaufsgespräch.

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