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Kommentare und Meinungen „Mario Draghi legt die Zündschnur“

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Wolfgang Bauer, Manager des M&G (Lux) Absolute Return Bond Fund

Mario Draghis Amtszeit als EZB-Präsident wird wahrscheinlich nicht mit Gewimmer, sondern mit einem Knall enden. Mit dem heute aktualisierten Zinsausblick, der „Forward Guidance“, erscheint eine Zinssenkung auf der bevorstehenden geldpolitischen Sitzung der EZB im September sehr wahrscheinlich. Auch eine Wiederbelebung des Ankaufprogramms ist wahrscheinlicher geworden.

Wenig überraschend haben die Bundrenditen unmittelbar nach der Ankündigung neue Tiefststände erreicht. Gleichzeitig erlebten risikobehaftete europäische Anlagen angesichts der Lockerungssignale der EZB eine Rally. Die Marktreaktionen zeigen somit einmal mehr, dass die Zentralbanken derzeit alle wirtschaftlichen Probleme übertrumpfen.

Und diese türmen sich in Europa. Kurz vor der heutigen Ankündigung der EZB – und von den Marktteilnehmern kaum beachtet – war der ifo Geschäftsklimaindex auf den niedrigsten Stand seit April 2013 gesunken. Die Gefahr: Anleger könnten zu selbstgefällig werden, sich völlig auf die zurückhaltende Geldpolitik verlassen und so die anhaltenden Risiken am Ende des Konjunkturzyklus ignorieren.

Robert Greil, Chefstratege bei Merck Finck Privatbankiers

  • Die EZB hat die Tür für eine noch expansivere Geldpolitik weiter geöffnet.
  • Die nächste Liquiditätswelle wird wohl ab Herbst über die Märkte hereinbrechen. Mit seinen Aussagen zum „schlechter und schlechteren“ Wachstumsausblick und zu den schwachen Inflationsperspektiven hat Mario Draghi den Boden dafür bereitet.
  • Mit einer weiteren Senkung des Einlagensatzes wird die EZB im September den nächsten Schritt gehen.
  • Die EZB prüft jetzt offiziell ein weiteres „Asset“-Kaufprogramm und bereitet den Markt damit bereits heute darauf vor, sollten die Inflationsperspektiven schwach bleiben.
  • Da im weiteren Jahresverlauf keine wirklich stärkeren Inflationstendenzen zu erwarten sind, rechnen wir im Herbst mit einer Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms. Wir gehen davon aus, dass Papiere des Finanzsektors und von supranationalen Emittenten eine Rolle spielen.
  • Die EZB dürfte damit ihre Geldschleusen im Herbst noch ein gutes Stück weiter öffnen.
  • Draghi will die Maßnahmen wohl noch vor seiner Staffelstab-Übergabe an Christine Lagarde einleiten.

Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa bei der DWS

Noch fühle sich die wirtschaftliche Lage zwar gut an, doch die Frühindikatoren und der fortlaufende Handelskonflikt trübten die Aussicht, fasste EZB-Präsident Mario Draghi die Lage nach der EZB-Sitzung am Donnerstag zusammen. Die jüngsten Ifo-Zahlen bestätigen diese Einschätzung. Da sich die Konjunkturrisiken verfestigt hätten und die Inflation auf absehbare Zeit hinter dem Zielwert zurückbleiben wird, sieht sich die Notenbank zum Handeln gezwungen. Und wir erwarten, dass sie dies auch im großen Stil tun wird: Zinssenkung für den Depositensatz, Freibeträge bei der Nutzung der Einlagenfazilität, eine Verlängerung der Forward Guidance (Lenkung der Markterwartungen durch die kommunikativ langfristige Festlegung der Geldpolitik) und die Neuauflage eines Wertpapierankaufprogramms.

Die Ankündigung dieses Maßnahmenkatalogs und die Betonung, dass die zwei Prozent ein symmetrisches Inflationsziel seien, deuten unserer Meinung darauf hin, dass es auf längere Zeit keine Normalisierung der geldpolitischen Maßnahmen geben wird. Ob diese Maßnahmen allerdings ausreichen, einen signifikanten konjunkturellen Schub zu erzeugen, bezweifeln wir. Nicht zuletzt, da die Konjunktur durch die weltwirtschaftliche Entwicklung gebremst wird. Zudem betonte Draghi erneut, dass auch die Politik, ob durch Strukturreformen oder fiskalische Maßnahmen, in der Pflicht stünde. Insgesamt bestätigt die EZB damit unsere Auffassung, dass uns das Niedrigzinsumfeld auf sehr lange Zeit erhalten bleiben wird. Mit allen Vorteilen und Risiken.

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