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Mehr Meinungen zu Christine Lagarde „Das längerfristige Bild ist eher beunruhigend“

Maya Bhandari, Portfoliomanagerin für Multi-Asset bei Columbia Threadneedle

Die Nominierung von Christine Lagarde als EZB-Präsidentin signalisiert Kontinuität. Damit ist das Risiko vom Tisch, dass mit Jens Weidmann jemand ernannt wird, der für eine straffere geldpolitische Richtung steht. Unsere Erwartungen an die europäische Geldpolitik bleiben somit unverändert: ein Lockerungspaket inklusive eines geringeren Einlagensatzes und der Wiederbelebung vom Quantitative Easing bis zum Jahresende sind wahrscheinlich.

Der Hintergrund von Christine Lagarde sowie der politische Ablauf ihrer Nominierung lassen vermuten, dass unter ihrer Präsidentschaft ein stärkerer Fokus auf Themen wie einer koordinierten Fiskalpolitik und Bankenunion liegen wird. Gleichzeitig dürften andere Protagonisten, wie Chefvolkswirt Philip Lane, Kontinuität im geldpolitischen Rahmen sicherstellen.

Andrew Bosomworth, Leiter Portfoliomanagement bei Pimco in Deutschland

Christine Lagarde könnte als EZB-Präsidentin eine stärkere fiskalische Perspektive in die Geldpolitik einbringen, und das zu einem kritischen Zeitpunkt. Sollte die nächste Rezession anbrechen, so wird die EZB nicht nur vor der Herausforderung stehen, welche Instrumente ihr überhaupt noch zur Verfügung stehen, sondern auch vor der Frage nach der Wirksamkeit dieser Instrumente. Eine stärkere fiskalische Perspektive könnte sich etwa in der Form manifestieren, dass die EZB weiterhin staatliche Anleihe-Emissionen durch Käufe am Sekundärmarkt unterstützt. Lagarde hat sich zudem in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, dass die EZB an ihrer akkommodierenden Marschrichtung festhält. Auch die Vorschläge des IWF für ein symmetrisches und vereinfachtes Inflationsziel könnten ein Hinweis sein auf ihren möglichen Fokus an der Spitze der EZB.

Paul Diggle, Senior-Volkswirt bei Aberdeen Standard Investments

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Der EZB-Präsident musste stets die nationalen Regierungen beschwichtigen, um etwas zu erreichen, und Mario Draghi war darin immer gut. Christine Lagarde ist wahrscheinlich die einzige Kandidatin, die noch geschickter ist als Draghi.

Dass die Wahl auf Lagarde gefallen ist, sagt viel über die Situation aus, in der sich Europa befindet: Man will jemanden mit perfekten staatsmännischen Fähigkeiten für eine geldpolitische Aufgabe ernennen. Das ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Lagarde ist keine formal ausgebildete Ökonomin, verfügt aber über eine enorme Erfahrung. In den eher technischen Aspekten des Jobs wird sie von Chefökonom Philip Lane unterstützt.

Investoren jubeln über ihre Nominierung, weil sie denken, dass so neue Impulse wahrscheinlicher werden. Und es könnte so kommen. Sie ist pro monetären Stimulus und insbesondere pro QE. Der IWF hat auch die von ihr überwachten negativen Zinsen weitgehend unterstützt, obwohl man sich des Risikos einer finanziellen Destabilisierung bewusst war, das übermäßig negative Zinsen auch mit sich bringen.

Die Bewegungen an den Finanzmärkten sind eine allgemeine Reaktion darauf, dass sie als gemäßigt wahrgenommenen wird. Aber ihre Nominierung wird kurzfristig keinen großen Einfluss auf die Politik der EZB haben. Die Rally der europäischen Anleihenmärkte wurde bereits durch die Überzeugung ausgelöst, dass Mario Draghi eine Zinssenkung und QE vorbereitet. Als gemäßigte Kandidatin hat Lagardes Nominierung nur das Feuer angeheizt.

Was die Rallye an den Märkten ignoriert, ist die Herkulesaufgabe, vor der Lagarde steht. Zinssenkungen und mehr QE werden die Aktien- und Anleihemärkte vorerst stützen. Es wird den europäischen Banken eine Gnadenfrist einräumen und den Unternehmen helfen, die Kreditkosten niedrig zu halten.

Das längerfristige Bild ist jedoch eher beunruhigend. Die EZB hat nur sehr wenig Spielraum, die Zinsen sinnvoll zu senken, und es wird nur begrenzte Gewinne aus dem Neustart von QE geben. Was Europa wirklich braucht, ist, dass die Regierungen die fiskalischen Impulse, tiefgreifende Strukturreformen und die weitere europäische Integration fortsetzen. Jeder weiß das, und Mario Draghi selbst hat Jahre damit verbracht, die Botschaft endlos zu wiederholen, größtenteils ohne Erfolg.

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