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Aktualisiert am 09.08.2022 - 10:54 Uhrin EurozoneLesedauer: 6 Minuten

Robert Halver zum allgemeinen Preisanstieg Die Sache mit der Inflationsbekämpfung

EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit dem Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel (links), und Finanzminister Christian Lindner beim Treffen der G7-Finanzminister
EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit dem Präsident der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel (links), und Finanzminister Christian Lindner beim Treffen der G7-Finanzminister: Kolumnist Robert Halver fragt sich, ob die EZB gegen die Inflation wirklich die harte Knute auspacken wird. | Foto: Imago Images / Marc John

Wie Schulkinder auf die Ferien warten alle gespannt auf den Rückgang der Inflation. Zwar gibt es durchaus Gründe, dass sie zukünftig etwas nachgibt. Aber um sie auf das Niveau vor Corona und Ukraine-Krieg zu drücken, müsste vor allem die EZB gewaltig über ihren Schatten springen. Aber inwieweit wird sie wirklich die harte Knute auspacken, die mit ebenso harten (finanz-)wirtschaftlichen Folgeschäden verbunden ist?

Neuer „Kalter“ Krieg

Vor allem hält uns die Energiekrise in Atem. Nach der Wartung der Gaspipeline Nord Stream 1 wird Putin vermutlich kein totales Lieferende ausrufen, sondern eher weiter reduzieren. So kann er uns wie einen Fisch an der Angel zappeln zu lassen und sich sadistisch an den gestiegenen Preisen laben.

Übrigens, auch auf kolossal sinkende Ölpreise wegen rezessiver Nachfrageschwäche sollte niemand hoffen. Das Trauma der OPEC und Russlands im Zuge der Corona-Pandemie, als der Ölpreis an den Terminmärkten unter null fiel und die Staatseinnahmen kollabierten, wollen sie niemals wieder erleben. Daher werden sie ihre Fördermengen mit der Nachfrage auch nach unten atmen lassen.

Zwar arbeitet die Bundesregierung mit Hochdruck an Alternativen. Doch sind die ideologischen Bretter vor so manchem Politiker-Kopf weiter aus Hartholz gefertigt. Ist es unzumutbar, die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland zumindest so lange laufen zu lassen, bis wir alternativ satisfaktionsfähig sind? Auf sie entfallen zwar nur sechs Prozent der deutschen Stromerzeugung. Aber in dieser Größenordnung muss eben nicht kostbares Gas verstromt werden. Und würden deutsche Unternehmen bei Stromknappheit nicht sofort französische Kernenergie importieren?  

 

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Und dann das Thema Gas. Ist es moralisch einwandfrei, weltweit um gefracktes Gas auch in Ländern zu buhlen, die diplomatisch ausgedrückt die Menschenrechte nicht erfunden haben, aber über entsprechende Gasvorkommen in Niedersachsen die Nase zu rümpfen?

Kein vernünftiger Mensch hat was gegen die Energiewende. Doch sollte auf dem Weg dorthin pragmatisch alles unternommen werden, damit der Inflationsdruck und damit Kaufkraftverlust und die Energiesorgen der Industrie so gering wie möglich bleiben. Nur staatlich empfohlene kürzere Duschzeiten oder der selbstgestrickte Pullover von Häkel-Tante Anna helfen nicht.

Überhaupt bietet auch die Energiewende keine wirkliche Preisentspannung, im Gegenteil. Statt frühzeitig die Weichen zu stellen, hat die deutsche Politik blind und grob fahrlässig auf Onkel Wladimir vertraut. Damit haben wir wertvolle Zeit verloren. Und wer sich jetzt die Preise von Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen anschaut, die wie Windräder mangels Vorprodukten rare Güter sind, weiß, dass die energiewendige Inflation noch lange galoppieren wird. Und wo kommen diese Güter auch in puncto E-Mobilität mehrheitlich her? De facto ist unsere Energiewende von Pekings Gnaden abhängig. 

An die Blutgrätsche traut sich die (Geld-)Politik nicht mehr heran

Da Inflation vor allem als relative Größe gemessen wird - Vergleich des aktuellen mit dem Vorjahres-Monat - ist zwar zu erwarten, dass die Dynamik der Preisentwicklung früher oder später etwas nachgibt. Es wird nicht permanent neue Rekorde bei Inflationsraten geben. Aber ein bisschen weniger schlimm ist noch lange nicht gut. Der Inflationsdruck bleibt grundsätzlich hoch. Das hat kürzlich sogar EZB-Präsidentin Lagarde bestätigt, was für ihre Verhältnisse eine wahrhaft epochale Aussage ist. 

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