Pictet-Nutrition Ackerbau aus der Luft
Die Digitalisierung der Industrie, kurz Industrie 4.0, ist in aller Munde. Weniger bekannt, aber ebenso spannend – auch für Investoren – ist das Thema Landwirtschaft 4.0. Die Welt steht vor der Herausforderung, eine stetig wachsende Bevölkerung ernähren zu müssen. Precison Farming, auf Deutsch Präzisionslandwirtschaft, soll bei dieser Mammutaufgabe helfen. Grundlage für die optimale und zielgerichtete Bewirtschaftung von Flächen sind Daten – und die holen sich die Experten auch aus der Luft.
Ein Kämpfer in dieser technologischen Revolution ist beispielsweise Carl Salvaggio. Der Professor am Rochester Institute of Technology entwickelt Methoden, die Landwirten nicht nur zeigen, welche ihrer Pflanzen unter Wassermangel, Insekten- oder Pilzbefall leiden. Sie sollen ebenfalls vorhersagen, welche gesund aussehenden Pflanzen sich bereits in Gefahr befinden. So können rechtzeitig und ganz präzise nur dort, wo es nötig ist, Dünger, Wasser oder Insektizide eingesetzt werden. Wichtige Helfer bei Salvaggios Auswertung der landwirtschaftlichen Flächen sind Drohnen. Die kleinen unbemannten Flugobjekte haben eine wertvolle Ausrüstung an Bord. Hyperspektrale Sensoren und ein Lidar-System zur Abstandsmessung senden Unmengen an Daten und ermöglichen eine forensische Analyse der Ackerflächen aus 120 Metern Höhe. Auch wenn die Technik noch sehr weit am Anfang steht, so steuern die Daten, die Salvaggio und Mitstreiter ernten, schon heute die Produktion und beeinflussen die globale Nahrungspolitik.
Pilzbefall entdecken, bevor er sichtbar ist
In dieser Anbausaison widmet sich der Rochester-Professor der Weißstängeligkeit bei grünen Bohnen. Ist der weiße Pilzbefall bereits mit dem Auge erkennbar, ist es zu spät für die Pflanze. Mithilfe der Sensoren seiner Drohne will er daher herausfinden, ob es schon frühe Anzeichen gibt, die für Menschen nicht sichtbar sind, und die Pflanze rechtzeitig durch Fungizide gerettet werden kann.
Bislang ist der Einsatz von Drohnen in der Landwirtschaft noch durch Sicherheitsregularien begrenzt. Entscheidend für große landwirtschaftliche Betriebe wird es sein, dass auch Drohnenflüge ohne direkten Sichtkontakt möglich sind. 2016 hat der Drohnenhersteller PrecisionHawk bereits eine Genehmigung der US-Bundesluftfahrtbehörde für Testflüge ohne Sichtkontakt erhalten.
Auch die Technik muss sich noch weiter entwickeln. Zum Beispiel sieht Salvaggio Schwierigkeiten dabei, die Daten auf unterschiedliche Wetter- und Lichtverhältnisse abzustimmen oder auf Pollenflug und andere Quellen von Verzerrungen. Zudem können Drohnen nur bestimmte einzelne Felder beobachten. Für das große Ganze sind Satellitenbilder weiterhin unverzichtbar.
Satellitendaten sind günstiger, aber weniger präzise
Die Nachteil der Satelliten gegenüber Drohnen: Sie sammeln Daten nicht so häufig und sind weiter weg, so dass ihre Bilder eine schlechtere Auflösung bieten. Ihre Vorteile: Sie liefern die Daten kostengünstiger und unterliegen weniger Vorschriften. Einer der erfolgreichsten Startups auf diesem Gebiet ist Planet Labs. Das Unternehmen aus San Francisco betreibt eine Flotte aus 144 solargetriebenen Satelliten. Die schuhkartongroßen Objekte mit der gleichen multispektralen Technologie an Bord wie die Drohnen umkreisen unseren Planeten schon seit gut einem Jahr und liefern täglich Daten von jedem Flecken Erde.
Die Auflösung ist zwar schlechter als bei Drohnen – etwa 3,5 Quadratmeter pro Pixel gegenüber ein Quadratzentimeter pro Pixel –, aber der Ansatz bedeutet einen deutlichen Sprung nach vorn innerhalb der Satellitentechnologie. Öffentliche Satelliten liefern nicht jeden Tag, sondern nur alle zwei Wochen Daten. Planet Labs verkauft seine Daten beispielsweise an Unternehmen, die künstliche Intelligenz und selbstlernende Algorithmen nutzen, um bestimmte Muster wie drohende Dürren, Entwaldung und weitere Änderungen in der Landnutzung zu entdecken. Ebenso können diese Daten und andere Satellitendaten dazu dienen, Ernteprognosen erstellen, wie es beispielsweise Descartes Labs anbietet.