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Medien-Rechtsspezialist im Interview
Strengere Regeln für Finfluencer: „Ich sehe hier durchaus einen Schutzbedarf“
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Medien-Rechtsspezialist im Interview Strengere Regeln für Finfluencer: „Ich sehe hier durchaus einen Schutzbedarf“

Rechtsanwalt Thomas Fischl
Rechtsanwalt Thomas Fischl: „Leider treffen viele Menschen ihre Anlageentscheidungen allein anhand von Informationen aus sozialen Medien.“ | Foto: Reed Smith

Ob auf Youtube, Instagram oder Tiktok: Influencer erreichen ein Millionenpublikum, meist unter jungen Menschen. Influencer, die im Bereich Finanzen unterwegs ist, werden auch Finfluencer genannt.

Das Handeln von Finfluencern ist schon mehrfach in die Kritik geraten, auch die Bafin hat vor möglicherweise unseriösen Auftritten gewarnt. Auf europäischer Ebene hat sich zudem die EU-Kommission das Thema vorgeknöpft: Die geplante EU-Kleinanlegerstrategie soll auch dem Finfluencer-Marketing einen engeren Rahmen setzen.

Anfang März hat sich zudem die Bundestagsfraktion der Grünen mit dem Thema befasst. Fachpolitiker sendeten einen Zehn-Punkte-Plan an die EU-Kommission. Darin forderten sie, dass Verbraucher vor unseriösen Praktiken im Internet besser geschützt werden sollten. Unter anderem für Finanzprodukte sollten keine Influencer mehr werben dürfen. Ein Vorbild für eine europaweite Regelung könnte Frankreich sein, wo bereits heute strenge Regeln fürs Influencer-Marketing gelten.

Wir haben Rechtsanwalt Thomas Fischl gefragt, inwieweit er die Vorschläge für sinnvoll und praktikabel hält – und was sich Deutschland möglicherweise von Frankreich abschauen kann.


DAS INVESTMENT: Die Grünen empfehlen der EU-Kommission, die Tätigkeit von Influencern im Internet in bestimmten Bereichen zu beschneiden. Unter anderem sollen sogenannte Finfluencer keine Finanzprodukte mehr bewerben dürfen.
Was halten Sie von dem Vorschlag?

Thomas Fischl: Das Problem ist: Jeder kann Finfluencer werden. Auch diejenigen, die überhaupt keine Ahnung von Finanzthemen haben. Und bei manchen ist daneben auch noch die Motivation unredlich. Deshalb hat selbst die Bafin schon Warnungen ausgesprochen. Auch die Verbraucherschutzverbände mahnen zur Zurückhaltung und Vorsicht. Leider ist es so, dass viele Menschen sich nicht nur allgemein aus den Feeds ihrer Social Media Apps informieren, sondern sogar ihre Anlageentscheidungen allein anhand von Informationen treffen, die sie in den sozialen Medien finden. Es ist auch allgemein bekannt, dass die Selbstreinigungskräfte bei Social Media nur sehr eingeschränkt funktionieren.

 

Wie stehen Sie zu dem Thema?

Fischl: Auch wenn ich persönlich in mancher Hinsicht stärker auf den mündigen Verbraucher vertrauen würde, als dies der Gesetzgeber zuweilen tut, stehe ich der neuen Initiative, die Tätigkeit von Influencern in diesem Bereich einzuschränken, daher erstmal aufgeschlossen gegenüber. Ich sehe hier durchaus einen Schutzbedarf, gerade auch bei der jungen Zielgruppe solcher Finfluencer.

Wie ist aktuell die rechtliche Lage?

Fischl: Zu einigen relevanten Punkten wenig. Zum Beispiel fehlt bisher eine übereinstimmende rechtliche Definition des Begriffs des Influencers. Schon allein der Umstand, dass der Anwendungsbereich einer neuen gesetzlichen Regelung genau bestimmt sein müsste, nämlich auf Finfluencer, ist eine erste juristische Herausforderung. Klar ist, dass Influencer-Marketing Werbung darstellt, für die allgemeinen gesetzlichen Regelungen gelten. Für das Handeln von Influencern auf den sozialen Kanälen sind daher Regelungen unter anderem aus dem Wettbewerbsrecht, dem Urheberrecht und dem Markenrecht relevant. Vor allem das Wettbewerbsrecht enthält Regelungen, die in Bezug auf die Werbung von Influencern Transparenz fordern.

Welche zum Beispiel?

Fischl: Das Telemediengesetz (TMG) sieht vor, dass Diensteanbieter kommerzielle Kommunikation klar kennzeichnen müssen. Und dass die Person, in deren Auftrag geworben wird, klar identifizierbar sein muss. Dass Werbung klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote klar trennbar sein muss, schreibt zudem auch Paragraf 22 Abs. 1 S. 1 Medienstaatsvertrag (MStV) vor. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt für den Fall der Nichteinhaltung der Vorschriften insbesondere Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Dazu können Mitbewerber, Wettbewerbsverbände oder Verbraucherschutzvereine aktiv werden.

Wenn es aber um Regeln konkret fürs Finfluencing geht – welche juristischen Herausforderungen sehen Sie dort?

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Fischl: Wie ein Gesetz konkret aussehen könnte, das die Tätigkeit von Finfluencern reguliert, lässt die Initiative der Grünen noch offen. Denkbar wäre es etwa aus meiner Sicht, dass schärfere Regelungen für Influencer-Marketing auf dem europäischen Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act) aufsetzen könnten. Es muss ohnehin noch in deutsches Recht umgesetzt werden. In Betracht ziehen könnte man auch, ein sogenanntes „Finfluencer“-Zertifikat einzuführen, wie es in Frankreich umgesetzt wurde.

Welche Regeln für Finfluencer gibt es in Frankreich?

Fischl: Frankreich hat Mitte letzten Jahres das Gesetz zur Regulierung des kommerziellen Einflusses und zur Bekämpfung der Exzesse von Influencern in sozialen Netzwerken erlassen. Erreichen wollte Frankreich damit eine strengere Kontrolle von Werbung auf sozialen Plattformen und zugleich den Grundstein legen für ein EU weites einheitliches Gesetz auf diesem Gebiet. Das Gesetz stuft Influencer neu als Berufskategorie ein und verlangt in der Folge, dass die Aktivitäten der Influencer vertraglich festhalten werden. Das gilt explizit für alle Influencer, die sich an ein französisches Publikum richten. Auch Influencer, die im Ausland agieren, werden damit von der Neuregelung erfasst. Im Ausland tätige Influencer müssen einen rechtlichen Repräsentanten in einem EU-Land bestimmen und eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Im Falle von Schäden kann so der Repräsentant haftbar gemacht werden und auf die Versicherung bei Schadensersatzansprüchen zurückgegriffen werden.

Neben der strengen Pflicht, Werbung klar zu kennzeichnen, um den Verbraucher zu schützen, ist auch das Bewerben von bestimmten Produktkategorien verboten. Dazu zählen chirurgische Schönheitseingriffe, gesundheitsschädliche Drogen, aber eben auch Kryptowährungen und Wett- und Glücksspiel. Finfluencer und die Bewerbung von Finanzprodukten wird ebenfalls ausdrücklich geregelt. Die direkte oder auch indirekte Bewerbung von Finanzverträgen und die Erbringung von Dienstleistungen bezogen auf digitale Vermögenswerte ist untersagt. Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 Euro geahndet werden.

 

Das klingt sehr rigoros. Können Sie sich ähnliche Regeln auch in Deutschland vorstellen?

Fischl: Man könnte in Betracht ziehen, nach dem französischen Vorbild ein Zertifikat einzuführen, das von der Bafin vergeben werden könnte. Dazu müssten aber erst Kriterien entwickelt werden, nach denen ein solches Zertifikat erteilt würde.Gute“ von „schlechten“ Finfluencern zu unterscheiden, ist zwar möglich, die Bafin gibt hier auch schon Tipps. Dies aber in einen Kriterienkatalog umzumünzen, wäre sicher nicht ganz einfach. Ein neues Gesetz wie in Frankreich scheint mir jedenfalls die Gefahr von Überregulierung mit sich zu bringen. 

In diesem Kontext darf auch nicht vergessen werden, dass die deutsche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sich wiederholt zur Kennzeichnungspflicht auf Instagram geäußert hat. Dem Konzept der Rechtsprechung folgend, setzte der deutsche Gesetzgeber bisher auch auf Transparenz statt Verbot.

Wie viele Finfluencer in Deutschland würde die weitergehende Regulierung überhaupt betreffen?

Fischl: Eine aktuelle Studie, die die HHL Leipzig Graduate School of Management zusammen mit Partnern durchgeführt hat, hat 357 aktive deutschsprachige Finfluencer auf Instagram mit insgesamt über 10 Millionen Followern identifiziert.

Wie stehen Ihrer Ansicht nach insgesamt die Chancen, dass sich die Forderungen, wie sie in dem Papier der Grünen stehen, durchsetzen?

Fischl: Die Finfluencer-Szene gewinnt laut der Studie auch weiter Einfluss. Vor diesem Hintergrund kann ich mir schon vorstellen, dass die Initiative der Grünen Fahrt gewinnen könnte. Auch der Umstand, dass es Tendenzen gibt, den Krypto-Finanzmarkt wegen einiger Unregelmäßigkeiten und auch Insolvenzen weltweit stärker zu regulieren, könnte dazu beitragen, dass sich der Gesetzgeber dieses Themas stärker annimmt. Ich würde allerdings erwarten, dass vor allem der europäische Gesetzgeber aufgefordert werden wird, hier tätig zu werden. Bemerkenswert ist, dass offenbar auch Branchenverbände, wie etwa der Bundesverband Influencer Marketing den Vorstoß begrüßen, wie zu lesen war. Eine solche Unterstützung wäre sicher notwendig, um den Gesetzgeber in Bewegung zu bringen. Auf der anderen Seite gibt es doch einige juristische Herausforderungen, so dass ich – auch mit Blick auf die langen Gesetzgebungsprozesse – eher nicht damit rechne, dass der Vorschlag der Grünen umgesetzt wird. Meine Vermutung ist, dass man auch in Zukunft weiter auf Transparenz und weniger auf Regulierung setzt.


Über den Interviewten:

Thomas Fischl ist Partner bei der international tätigen Kanzlei Reed Smith und dort Mitglied der hauseigenen Entertainment & Media Group. Er berät schwerpunktmäßig deutsche und internationale Unternehmen zu rechtlichen Fragestellungen rund um Digitalisierung, Digital Media, Internet of Things, Virtual Reality, Social Media und Data Economy. 

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