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Vermögensverwalter zur Situation an der Börse Georg von Wallwitz über den August-Crash

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2. Die technische Perspektive

Die Märkte erleben derzeit einen erheblichen Verkaufsdruck, der unabhängig von der wirtschaftlichen Situation ist. Zu viele Marktteilnehmer haben sich an die steigenden Kurse gewöhnt und sind nicht eingerichtet auf den Verlust von 10 Prozent oder gar 30 Prozent. Viele von denen, deren Nerven oder finanzielle Verfassung nur geringe Verluste erlauben, sind nun gezwungen, sich aus dem Markt zurückzuziehen. Ihre Verkäufe lassen die Kurse noch weiter fallen und zwingen immer mehr Marktteilnehmer, ebenfalls die Reißleine zu ziehen.
Am Ende trifft es gerade die liquidesten und solidesten Werte, weil alles andere praktisch unverkäuflich geworden ist (in China werden kaum noch Aktien gehandelt, also sind chinesische Investoren gezwungen, die Standardwerte an der Börse in Hong Kong zu versilbern, um irgendwie an Geld zu kommen). Der technische Verkaufsdruck endet, wenn es mehr Käufer (welche die Wertpapiere billig finden und zu Kursen kaufen, die sie sich schon immer gewünscht haben) gibt als Verkäufer (bei denen Zwang zur Liquidation von Beständen irgendwann aufhört, weil alles verkauft ist und die „schwachen Hände“, die „Momentumspieler“ den Markt verlassen haben). Wann das sein wird, ist schwer zu sagen. Diese Woche? Nächsten Monat? Glücklich, wer es vorhersagen kann. Allerdings gibt es eine Reihe technischer Indikatoren, die darauf hindeuten, dass es mit dem Verkaufen bald ein Ende hat: Gewaltige Bewegungen provozieren oft sehr schnelle und nicht weniger aggressive Gegenbewegungen – bis der Markt ein neues Gleichgewicht gefunden hat. In Phasen so extremer Ausschläge machen auf Sicht von einem Jahr meistens die Verkäufer den Fehler. Die Gier ist der Angst gewichen, der spekulative Überschwang ist in eine Rette-sich-wer-kann-Mentalität umgeschlagen. Aus psychologischer und technischer Perspektive haben wir derzeit Kaufkurse.

3. Die große Perspektive

Aktien sind auf dem derzeitigen Kursniveau (der DAX stand bei 9.500 als ich zuletzt hinsehen konnte) in Europa eher billig und in den USA etwa fair bewertet mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von 12 bzw. 16. Aus dem Blickwinkel der Bewertung (welcher sich nur langfristig durchsetzt) haben wir derzeit in Europa ebenfalls Kaufkurse. Die Aktien sind zwar heftig gefallen, aber in China und in Europa haben sie bislang nur wenig mehr als die Gewinne des ersten Quartals wieder abgegeben – Verluste hat nur, wer erst in diesen acht Monaten eingestiegen ist. In den USA sind die Märkte seit Jahresanfang deutlich im Minus (ca. 8 Prozent), aber auch dies muss man vor dem Hintergrund der starken Kursanstiege des letzten Jahres sehen. Jeder, der eine Perspektive von mehr als einem Jahr hat, kann die Verluste, so ekelhaft sie sich im Moment anfühlen, gelassen sehen. Sie gehören zum Börsengeschehen dazu. Wer diese Volatilität nicht aushält und einen kurzen Zeithorizont hat, legt sein Geld sowieso besser nicht in Aktien an.
Dem rationalen Investor bleibt demnach, mit Anselm von Canterbury, wenig anderes übrig als eine lange Perspektive zu nehmen und der Versuchung des kurzfristigen Handelns während eines Crashs zu widerstehen.

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