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Gerd Kommer und Martin Kerscher Sachwertanlagen – Fakten und Fantasien

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Argument 1: SWAs schützen besser vor Inflation als Nicht-SWAs

Inflationsschutz kann man auf zwei sehr unterschiedliche Arten interpretieren. (a) Das Vorliegen einer langfristig positiven realen Rendite – also einer nominalen Rendite, die höher ist als die Inflation. Mit anderen Worten: Das betreffende Investment erzeugt auf lange Sicht für seinen Besitzer einen Kaufkraftzuwachs. (b) Eine hohe Korrelation der nominalen Rendite eines Investments mit der Inflation. Wenn die Inflation steigt, steigt parallel dazu die nominale Rendite des Investments (umgekehrt, wenn die Inflation fällt).

Zu (a): Nach allem was die empirische Finanzökonomie auf der Basis der Daten aus den letzten 100 Jahren hierzu sagen kann, besitzen alle Asset-Klassen in Tabelle 1 vor Kosten und Steuern eine langfristige positive reale Rendite, also eine Langfristrendite oberhalb der Inflation. Wäre das nicht der Fall, würden vermutlich nur sehr wenige Menschen in diese Asset-Klassen investieren, und sie würden daher als Asset-Klasse bis auf einen kleinen Minimalbestand wegschrumpfen. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen SWAs und Nicht-SWAs existiert in dieser Hinsicht somit nicht.

Zu (b): In Bezug auf die kurz- und mittelfristige Korrelation eines Investments mit der Inflation (diese Korrelation sollte idealerweise hoch sein), bieten kurzfristige Staatsanleihen unter einem Jahr Restlaufzeit hoher Bonität (also Nicht-SWAs), den besten Inflationsschutz. Dieser Sachverhalt ist in der Wirtschaftswissenschaft so unumstritten, dass er an dieser Stelle nicht durch Zahlen belegt werden muss.

Argument 2: SWAs bieten besseren Schutz vor staatlicher Enteignung als Nicht-SWAs

Wer sich ernsthaft und eingehend mit diesem Argument (Enteignungsrisiko) von seiner theoretisch-rechtlichen Seite und seiner historisch-empirischen Seite befasst, kann unseres Erachtens nur zu dem Schluss kommen, dass auch hier kein prinzipieller Unterschied zwischen SWAs und Nicht-SWAs existiert.

Die Eigentumsgarantie in Art. 14 Grundgesetz gilt nicht nur für physische “Sachen” (die man lose mit bestimmten Sachwerten gleichsetzen könnte), sondern selbstverständlich auch für Bargeld und privatrechtliche Ansprüche wie Patente, Beteiligungen und Kreditforderungen.

Wen oder was der Staat auf der Basis rechtstaatlicher Regelungen oder unrechtstaatlicher Willkür enteignen will, den oder das wird er enteignen. Sei es durch direkte Enteignung oder durch konfiskatorische Besteuerung. Er wird dabei keinen Unterschied zwischen SWA und Nicht-SWA machen – warum auch?

Historisch besonders auffällig und häufig waren direkte oder indirekte staatliche Enteignungen bei den Sachwertanlagen Immobilien und Gold. Man denke dabei an die jahrzehntelangen sogenannten Goldverbote (partielle Enteignungen von Goldbesitzern), die es in den meisten westlichen Ländern im 20. Jahrhundert gegeben hat: In den USA, Australien, Kanada, Deutschland, Österreich und in vielen anderen europäischen Staaten (in den späteren kommunistischen Staaten sowieso)2; man denke an die eigentumszerstörenden Aktivitäten insbesondere des deutschen Staates im 20. Jahrhunderts in Gestalt des 1. Weltkriegs, der Hyperinflation 1922/23 3, des 2. Weltkriegs, der Immobilienenteignung in der DDR ab etwa 1950 und dem Lastenausgleichsgesetz von 1952 bis 1982 4. Nirgendwo ist hier ein konsistenter Wirkungsunterschied zwischen SWAs und Nicht-SWAs ersichtlich, und noch weniger einer, den ein Anleger im Vorhinein hätte zuverlässig ausnutzen können. Immobilien zeigten sich allem im Zweiten Weltkrieg und dessen Gefolge in Deutschland als schlechter Schutz vor staatlich verursachter Wertschädigung oder Enteignung.

Wenn man in dieser Hinsicht jedoch partout nach wenigstens marginal systematischen Unterschieden zwischen SWAs und Nicht-SWAs suchen will, dann dürften Immobilien unter allen Anlageformen in Zeiten schwerster Staatskrisen (Krieg, Bürgerkrieg, Staatsbankrott, Währungskrise, wirtschaftliche Depression oder Hyperinflation) einen strukturellen Nachteil vor anderen SWAs und Nicht-SWAs haben. Erstens ist mit Direktanlagen in Immobilien für normal vermögende Privatanleger keine internationale Diversifikation durchführbar. Zweitens lassen sich Immobilien nicht ins Ausland transferieren. Drittens können besonders hochwertige und teure Immobilien ein weithin sichtbares Neidobjekt sein. Sie und das Einkommen aus ihnen lassen sich kaum oder gar nicht “verstecken”. Nicht zufällig haben sich jüngst Bürgerinitiativen in Berlin formiert, die die Verstaatlichung von Wohnraum, nicht jedoch Wertpapierdepots, fordern.

Hingegen ist bei Aktien, Anleihen und Cash-Guthaben globale Diversifikation geradezu kinderleicht. Auch ein Transfer des Lagerorts von Aktien, Anleihen und Cash ins Ausland ist grundsätzlich unproblematisch (Depots im Ausland). Bei Gold entfällt zwar der Gesichtspunkt der Diversifikation, aber eine Aufbewahrung im Ausland lässt sich bei ihm ebenfalls einfach bewerkstelligen. Generell ist die Verschaffung von Aktien, Anleihen, Barvermögen und Gold (also mobile SWA und Nicht-SWA) ins Ausland als Ultima Ratio bei Zusammenbruch oder schwerer Krise des Heimatstaates sowohl faktisch durchführbar als auch normalerweise legal, jedenfalls bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor dem Beginn einer schweren Krise. Es braucht nicht betont zu werden, dass solche Notwehrmaßnahmen, insbesondere die Verlagerung von Vermögen ins Ausland, in Zeiten der immer zahlreicheren Informationsaustauschabkommen (IAA) zwischen den nationalen Finanzbehörden und der beinahe globalen Abschaffung des Bankgeheimnisses immer schwerer und in Bezug auf den Zugriff des Staates tendenziell wirkungsloser werden; ebenso, dass eine Nichtberücksichtigung der Erträge aus diesem Auslandsvermögen in der Steuererklärung in den meisten westlichen Ländern normalerweise strafbar ist.

Sofern in Deutschland wieder eine Vermögenssteuer erhoben würde, wie das manche Parteien fordern, würde das selbstverständlich sowohl SWAs und Nicht-SWAs als auch Auslandsvermögen generell betreffen.


Siehe das Stichwort “Goldverbot” auf der deutschen Wikipedia.

3 Es ist ein in der deutschen Immobilienbranche endlos oft wiederholter Mythos, dass Immobilienbesitzer von der Hyperinflation ab 1922/23, z. B. durch die vollständige Beseitigung ihrer Immobilienkreditschulden profitierten. Die Regierung der Weimarer Republik sorgte sehr schnell dafür, dass eher das Gegenteil zutraf. Immobilienbesitzer wurden im Nachgang der Krise besonders stark geschröpft. Wer es nicht glaubt, möge das Stichwort “Hauszinssteuer in Deutschland” googeln.

4 Siehe Stichwort “Lastenausgleichsgesetz” in der deutschen Wikipedia oder viele andere Internet-Einträge hierzu.

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