LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
, in MeinungenLesedauer: 6 Minuten

Gute Abwehrkräfte Warum der Mittelstand in Deutschland und Japan stabil bleibt

Seite 2 / 3

Ein ähnliches Phänomen lässt sich in diesen Tagen auf der anderen Seite des Planeten beobachten. So ging auch die sogenannte Japan AG mit teils hohen Rücklagen in die Krise. Die Gründe hierfür lassen sich auch hier auf vorangegangene Erfahrungen aus der Schuldenkrise der 1990er-Jahre zurückführen, als die Banken die Kreditvergabe einschränkten und das Betriebskapital der Unternehmen knapp wurde. Folglich stockten die japanischen Unternehmen ihre Eigenkapitalbasis kräftig auf, sodass 55 Prozent der Nicht-Finanzunternehmen in der Krise nun über eine Netto-Cash-Position verfügen, während es in den USA gerade einmal 14 Prozent sind. Dies ermöglicht es vielen Unternehmen zum einen, weiter in Wachstum zu investieren. Zum anderen können sie ihre Dividendenzahlungen fortsetzen oder müssen diese nur wenig reduzieren, derweil viele andere Unternehmen weltweit mit Ausbruch der Pandemie die Dividenden ausgesetzt oder sogar ganz gestrichen haben.

Doch es gibt noch weitere Gründe, wieso mittelständische Unternehmen in Japan, allen voran das Gros der Familienunternehmen, wirtschaftlich gut in die Krise gegangen sind. Neben einer seit sechs Jahren in Folge rückläufigen Verschuldung japanischer Unternehmen, profitieren viele Unternehmen davon, dass ihre Firmengründer noch immer an deren Spitze stehen. Ein Umstand, der auch darauf zurückzuführen ist, dass das Wirtschaftswunder in Japan nicht wie in Deutschland in die 1950er-Jahren zu datieren ist, sondern in die 1970er-Jahre fällt. In ihrem Fahrwasser entstand einerseits eine von Familienunternehmen getragene Industrie- und Dienstleistungsinfrastruktur, die eine enge Symbiose mit den staatsnahen Unternehmen einging. Diese inzwischen fest etablierten Unternehmen zeichnen sich gleichwohl durch eine Neugründermentalität aus, aus der eine starke Kapitaldisziplin und langfristige Denkweise sowie die Suche nach einzigartigen Geschäftsmöglichkeiten resultieren. Sie sind demnach Start-ups, die lediglich etwas in die Jahre gekommen sind.

Ein Paradebeispiel ist die Hoya Corporation, die ihre Kernkompetenz in der Glasverarbeitung zu einer nahezu marktbeherrschenden Stellung bei Glassubstraten für Festplatten und Fotomasken für Halbleiter ausgebaut hat. Das in der Glasherstellung tätige Unternehmen wurde nach dem zweiten Weltkrieg durch die Zusammenarbeit beim Bau von Gebäuden für die amerikanische Besatzungsbehörde landesweit bekannt. Nicht nur seine Bereitschaft, das traditionelle Kristallwaren- und Kamerageschäft zu verkaufen, an dem viele andere japanische Unternehmen trotz Verlusten festhalten, spiegelt die Flexibilität und das schon fast unerbittliche Streben nach Rendite wider. Auch der Aufbau einer auf Kontaktlinsen spezialisierten Einzelhandelskette ist dafür ein gutes Beispiel. Diese profitiert zwar vom Renommee des Unternehmens in der Augenoptik, verkauft aber Linsen anderer Anbieter, weil das rentabler ist. Auf die Frage an Hiroshi Suzuki, Aktionär und langjähriger CEO von Hoya, welche Geschäftszweige er behält und warum, antwortet dieser lehrbuchhaft: „Das Unternehmen gehört nicht mir. Jedes Geschäft kann in die Jahre kommen, und wir müssen ständig darüber nachdenken, was wir verkaufen und was wir behalten.“

Tipps der Redaktion