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Roundtable
„Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel am Kapitalmarkt“
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Roundtable „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel am Kapitalmarkt“

Börsenhändler in New York
Börsenhändler in New York: Die eine robuste Assetklasse gibt es nicht, daher bieten kombinierte Ansätze Chancen für Anleger in diesem Marktumfeld. | Foto: imago images / Xinhua

DAS INVESTMENT: Die Welt hat sich seit Jahresanfang sehr verändert. Wie bewerten Sie die Marktlage?

Torben Peters: Die Nervosität und die Unsicherheit sind sehr groß, das reflektiert sich in den Rückgängen am Aktienmarkt von 20 Prozent und mehr. Wir gehen kurz- und mittelfristig davon aus, dass das gesamte Paket an Unsicherheiten, das unter anderem Zinsen, Inflation, Konjunktur, Lieferketten und den Krieg in der Ukraine umfasst, nach und nach besser planbar werden wird. Kurzfristig gehen wir von weiterhin sehr hoher Volatilität in den Märkten aus, aber eine Beruhigung sowohl auf der Zins- als auch auf der Kapitalseite sehen wir bereits in sechs Monaten.

Robin Beugels: Je kurzfristiger man sich die Lage anschaut, desto schwieriger die Prognose. Krisenherde wie die aktuelle Gaskrise summieren sich seit 2020 immer weiter auf. Natürlich gibt es hier auch Trigger: In China etwa wäre sicherlich ein Umdenken in der Null-Covid-Politik hilfreich, um Lieferketten wieder entspannen zu können. Auch in der Ukraine-Frage und beim Energieproblem wäre eine Beruhigung für die Weltwirtschaft wichtig. Die hohe Volatilität im Zinsmarkt, auch im Options- und im Rentenbereich, wird nicht über Nacht verschwinden. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass man politische Themen nicht erfolgreich traden kann. Mittelfristig fühle ich mich in Aktien besser aufgehoben als in Zinspapieren.

Mirko Kohlbrecher: Wir sind der Überzeugung, dass Qualitätsunternehmen auch diese schwierige Marktphase meistern werden – gute Unternehmen schaffen es, Margen und Umsätze langfristig aufrechtzuhalten und sich neuen Gegebenheiten anzupassen – sie bieten Anlegern langfristig Teilhabe am produktiven Kapital. Wir zielen darauf ab, dass wir Alpha auch durch die Selektion von Unternehmen mit robustem Geschäftsmodell generieren – wenngleich auch Qualitätswerte im aktuellen Umfeld eine leicht negative
Wertentwicklung aufweisen. Mit Blick auf Europa ist unser Basisszenario, dass Putin uns nicht komplett den Gashahn abdrehen wird. Der Preis ist massiv gestiegen – auf die höheren Einnahmen wird er nicht verzichten.

 

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Henning von Issendorff: Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel am Kapitalmarkt. Der Übergang aus einem Deflations- in ein Inflationsumfeld ist fast wie ein tektonischer Bruch. Solche Brüche und die Auflösung von Blasen gab es immer, wenn das finanzpolitische Regime gewechselt hat. Aktuell haben wir mehr Blasen denn je. In den jüngsten fünf bis zehn Jahren haben institutionelle Investoren einen unglaublichen Schwenk raus aus liquiden Märkten vorgenommen. Zum Teil haben sie nun bis zu 50 Prozent und mehr illiquide Anlagen in den Portfolios. Der Paradigmenwechsel zeichnet sich auch in den illiquiden Vermögenswerten ab. Das kann bedeuten: Wenn die großen Vermögensträger aus Risikogesichtspunkten ihre Positionen abbauen müssen, schauen sie sich zwangsläufig auf dem liquiden Kapitalmarkt um, denn nur dort verfügen sie über Möglichkeiten, Risiko abzubauen.

Wie reagieren Ihre Kunden auf das unsicher gewordene Umfeld?

Steffen Kern: Wir bieten als klassischer Fondsanbieter Publikums- und Spezialfonds an. Das Angebot unserer Publikumsfonds richtet sich primär an Vermögensverwalter und Family-Offices. Bei diesen stieg das Interesse an unkorrelierten und marktneutralen Strategien. Das stützt die These, dass die Kunden das größere Risiko eher in den zinstragenden Papieren und weniger in den Aktien sehen.

Peters: Die Kunden machen den Fernseher an und sehen die Nachrichtenlage: Krise, Krise, Krise. Da besteht erhöhter Gesprächsbedarf. Proaktiva betreut viele kapitalmarktaffine Kunden bereits über Jahrzehnte und Generationen. Das ist nicht die erste Krise. Als konservatives hanseatisches Haus sind wir auch in der Risikobegrenzung gut unterwegs. Es herrscht keine Panik bei den Kunden, aber eine größere Verunsicherung als in anderen Marktphasen.

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