

Altersvorsorge in Deutschland Warum die Zinswende Lebensversicherern mehr hilft als schadet

Neue Rahmenbedingungen für Lebensversicherer: Nachdem das allgemeine Zinsniveau bereits Ende 2021 einen leichten Aufwärtstrend aufwies, läutete die Europäische Zentralbank (EZB) 2022 auch offiziell die Zinswende ein. Als Reaktion auf die Rekordinflation im Euroraum erhöhten die Notenbanker den Leitzins seitdem in mehreren Schritten auf aktuell 3 Prozent.
„Die Lebensversicherungsbranche profitiert insgesamt von den höheren Zinsen“, sagt Lars Heermann. Der Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata kommentiert damit die uneindeutigen Folgen der seit dem vorigen Jahr wieder steigenden Zinsen. Dabei beruft er sich auf die diesjährige Untersuchung der Kölner Rating-Agentur zur Ertragskraft der deutschen Lebensversicherer.

Dazu haben sie zahlreiche Kennzahlen zu Ertrag, Sicherheit und Beständen von 69 Lebensversicherern in ihrem Ertragskraft-Garantie-Check (EKG-Check) zusammengetragen. Ergebnis: Einerseits fließt Geld aus der Zinszusatzreserve zurück, die als Kapitalpuffer diente. Andererseits verlieren die Bestände in den Büchern durch sinkende Anleihekurse deutlich an Wert.
„Die zur Finanzierung der Zinszusatzreserve benötigten Bewertungsreserven wiesen Ende 2021 aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch ein Niveau von rund 150 Milliarden Euro auf“, rechnet David Dyschelmann vor. Allerdings: „Ende 2022 dürfte die Branche aufgrund des Zinsanstiegs im Saldo stille Lasten von circa 50 Milliarden Euro aufgewiesen haben.“
Doch was passiert nun mit diesen stillen Lasten? Und inwiefern können die Rückflüsse aus der Zinszusatzreserve hier helfen? Über diese Fragen spricht Dyschelmann als Assekurata-Analyst und Mitautor der Ende 2022 zum siebten Mal veröffentlichten EKG-Studie in der neuen Folge des Assekurata-Podcasts. Moderator ist Markus Kruse, seit 2012 Geschäftsführer bei Assekurata Solutions.
Die konkreten Folgen der steigenden Zinsen sind je nach Unternehmen sehr unterschiedlich. Das zeige die von den Assekurata-Analysten berechnete Ertragskraft-Garantie-Quote (EKG-Quote): Versicherer mit einer stärker diversifizierten Kapitalanlage sind unabhängiger vom Zins und weisen in der Regel höhere Kennzahlenwerte auf als Anbieter traditioneller kapitalbildender Policen.
„Bereits 2021 sind durch den Rückgang der Bewertungsreserven die EKG-Quoten vieler Unternehmen zurückgegangen“, berichtet Heermann. Doch mit Blick auf das gestiegene Zinsniveau lasse sich eine gegenläufige Entwicklung erkennen. Denn die Garantieversprechen seien wieder leichter zu erfüllen. „Dieses Gesamtbild wird sich weiter festigen“, prognostiziert der Branchenexperte.
Ende „einer jahrelangen Talfahrt“
Auch das Analysehaus Morgen & Morgen (M&M) beobachtet derzeit das Ende „einer jahrelangen Talfahrt“: In einer aktuellen Studie bewerten die Hofheimer Analysten die Überschussbeteiligungen deutscher Lebensversicherer. Demnach hat in diesem Jahr erstmals seit mehreren Jahren keine Gesellschaft ihre entsprechende Deklaration gesenkt.
20 der insgesamt 53 analysierten Anbieter haben ihre Überschüsse von 2022 auf 2023 im Durchschnitt um 0,30 Prozentpunkte erhöht. Die Steigerungen liegen zwischen 0,85 und 0,15 Prozentpunkten. Im Mittel liegen die laufenden Verzinsungen der 53 Gesellschaften 2023 bei 2,1 Prozent, im Vorjahr waren es nur 1,9 Prozent.
Die höchste Beteiligung an den Überschüssen beträgt demnach 3 Prozent, die geringste 1,25 Prozent. Im Vorjahr waren es sogar nur 0,90 Prozent. Doch noch immer bieten 21 Versicherer eine Beteiligung von unter 2 Prozent – trotz Erhöhungen von bis zu 0,40 Prozentpunkten. 32 Versicherer liegen dadurch inzwischen bei über 2 Prozent.
33 Versicherer passten ihre Deklaration nicht an. 19 von ihnen beteiligten ihre Kunden bereits 2022 mit über 2 Prozent an den Überschüssen. Das beweise, dass der Zinsanstieg des vergangenen Jahres in vielen Bereichen Folgen für die finanzielle Situation der Lebensversicherer habe, erklärt Thorsten Saal, M&M-Bereichsleiter Mathematik.