Robert Schramm-Fuchs von Janus Henderson „Die Aufholjagd an den Börsen ist erst einmal vorbei“
Die nächsten Monate wird es noch einmal ruppiger an den Aktienmärkten zugehen, davon ist Robert Schramm-Fuchs überzeugt. Er ist Portfolio-Manager bei Janus Henderson und sieht derzeit gleich zwei Warnsignale: die Rate der Veränderung der Geldmenge und die Entwicklung des Halbleiter-Bereichs. Denn auch hier läuft es alles andere als rund. Im Gespräch mit DAS INVESTMENT erklärt Schramm-Fuchs, warum viele US-Amerikaner trotz der jüngsten Aufholjagd Europas „dem Braten nicht so recht trauen“ und wie er sein Portfolio für die kommenden Monate aufstellt.
DAS INVESTMENT: Herr Schramm-Fuchs, Sie zeichnen ein sehr geteiltes Bild der kommenden Monate: Einerseits erwarten Sie, dass die Stimmung an den Börsen gedämpft werden wird, zugleich prognostizieren Sie eine Europa-Rally. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Robert Schramm-Fuchs: Wir glauben, die generelle Aufholjagd an den Börsen ist erst einmal vorbei. Die absolute Performance der Aktienmärkte wird den Rest des Jahres wahrscheinlich verhalten sein, womöglich geht es sogar nochmal etwas nach unten. Aber wir sind zuversichtlich, dass Europa innerhalb dieser negativen Zeit andere Märkte, allen voran die USA, outperformen wird.
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Die nächsten Monate wird es noch einmal ruppiger an den Aktienmärkten zugehen, davon ist Robert Schramm-Fuchs überzeugt. Er ist Portfolio-Manager bei Janus Henderson und sieht derzeit gleich zwei Warnsignale: die Rate der Veränderung der Geldmenge und die Entwicklung des Halbleiter-Bereichs. Denn auch hier läuft es alles andere als rund. Im Gespräch mit DAS INVESTMENT erklärt Schramm-Fuchs, warum viele US-Amerikaner trotz der jüngsten Aufholjagd Europas „dem Braten nicht so recht trauen“ und wie er sein Portfolio für die kommenden Monate aufstellt.
DAS INVESTMENT: Herr Schramm-Fuchs, Sie zeichnen ein sehr geteiltes Bild der kommenden Monate: Einerseits erwarten Sie, dass die Stimmung an den Börsen gedämpft werden wird, zugleich prognostizieren Sie eine Europa-Rally. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Robert Schramm-Fuchs: Wir glauben, die generelle Aufholjagd an den Börsen ist erst einmal vorbei. Die absolute Performance der Aktienmärkte wird den Rest des Jahres wahrscheinlich verhalten sein, womöglich geht es sogar nochmal etwas nach unten. Aber wir sind zuversichtlich, dass Europa innerhalb dieser negativen Zeit andere Märkte, allen voran die USA, outperformen wird.
Woran liegt das?
Schramm-Fuchs: Die vergangenen zehn Jahre waren von sinkenden Zinsen geprägt. Und diese verschafften Wachstumswerten, die bekanntlich in den USA zahlreicher zu finden sind, einen enormen Rückenwind. Nun haben wir wieder ein Umfeld, wie es in den Achtzigern, Neunzigern und frühen 2000ern normal war. Davon profitiert Europa mit seinen Substanzwerten. Der schwächere Euro macht die Produkte der Region international wettbewerbsfähiger. Und auch die Wiederöffnung Chinas kommt Europa überproportional zugute.
Aber ist die Europa-Rally nicht schon weitgehend gelaufen?
Schramm-Fuchs: Neben dem Horizon Pan European Absolute Return Fund habe ich noch einen zweiten Fonds, einen US Mutual Funds. Der investiert in Europa und wird ausschließlich an amerikanische Anleger vertrieben. Insofern habe ich ein gutes Gefühl, wie der Markt tickt. Und ich kann Ihnen sagen: Europa lief zuletzt gut, aber viele Amerikaner trauen dem Braten nicht so recht.
Dabei suchen nach dem verlustreichen Jahr 2022 doch alle nach Rendite. Warum steigen US-Investoren nicht im großen Stil ein?
Schramm-Fuchs: Es ist eine Art Muscle Memory. Viele Investoren haben sich geradezu antrainiert, dass Europa nicht outperformen kann. In meinem US Mutual Fonds verzeichne ich seit Ende 2022 wenige Zuflüsse. Nun baut sich ganz langsam eine Welle auf, weil individuelle Family Offices und Vermögensverwalter zunehmend den Blick gen Europa richten. Aber die Masse ist noch nicht so weit. Der Performance-Druck ist anscheinend noch nicht hoch genug.
Dabei sind die Zahlen auf dem Papier recht eindeutig. Bei europäischen Werten ist die Dividendenrendite bei den aktuellen Bewertungen im Schnitt höher und das KGV niedriger. Unterschätzen die Amerikaner Europa?
Schramm-Fuchs: Einhundertprozentig. Europa ist momentan auf einer relativen Bewertung, wie wir sie zuletzt in der Finanzkrise gesehen haben. Und damals war die Wirtschaft wirklich in einer Schieflage. Wir erwarten, dass sich dieses Niveau wieder normalisiert.
Europa wird zu den USA aufholen?
Schramm-Fuchs: Die Niveaus werden sich nicht komplett angleichen, dafür sind die Marktstrukturen zu unterschiedlich. Aber Europa wird sich aus dieser dramatischen Unterbewertung wieder nach oben entwickeln.
Wie lange wird das dauern?
Dieser Prozess kann locker ein bis zwei Jahre dauern.
Kommen wir nochmal zu Ihrer Ursprungsaussage zurück, dass die Party an den Börsen vorerst vorüber ist. Woran machen Sie das fest?
Schramm-Fuchs: Für uns ist die Rate der Geldmengenveränderung in den G7- und E7-Staaten der wichtigste makroökonomische Parameter. Typischerweise läuft diese Rate der Veränderung in der Geldmenge den Auftragseingängen im verarbeitenden Gewerbe um etwa 6 bis 9 Monate voraus. Und die Auftragseingänge wiederum laufen den Konsensschätzungen der Analysten im Aktienmarkt um etwa 4 Wochen voraus. Die Rate der Veränderung der Geldmenge ist also ein früher Indikator für die Entwicklung der darauffolgenden Quartale später. Im Juli 2022 ist die Rate der Veränderung auf minus 5,7 Prozent gecrashed gegenüber Vorjahr. Und hat sich dann allmählich auf minus 2 Prozent erholt. Das war immer noch negativ, aber die Entwicklung allein sorgte für steigende Kurse.
Wie sieht es jetzt aus?
Schramm-Fuchs: Die letzten 6 bis 8 Wochen haben wir statt der erwarteten Verbesserung einen Rückfall gesehen. Wir sind bei der Rate der Veränderung der Geldmenge noch nicht auf minus 5,7 Prozent, aber wir sind nicht mehr weit weg. Und angesichts der derzeitigen Lage ist schwer vorstellbar, warum es nicht noch weiter nach unten gehen sollte.
Also geht es im nächsten halben Jahr an der Börse wieder ruppiger zu?
Schramm-Fuchs: Weiteres Wachstum ist jedenfalls sehr unwahrscheinlich. Historisch gesehen wird die Volatilität steigen und wir werden stagnierende oder fallende Kurse sehen.
Die Rate der Veränderung der Geldmenge ist nur ein Frühindikator. Auf welchen Wert schauen Sie noch?
Schramm-Fuchs: Ein weiterer Gradmesser ist der Halbleiterbereich. Das ist einer der sensibelsten Bereiche der Wirtschaft. Wir sind von dem Sektor grundsätzlich begeistert, Europa hat in diesem Bereich viele richtig gute Firmen. Neben ASML wären das etwa VAT aus der Schweiz, BE Semiconductor oder ASM International. Im Juni 2022 haben sehr optimistische Positionen aufgebaut. Diese haben wir mittlerweile neutralisiert. Wir sehen, dass der Boden tiefer und später erreicht werden wird als gedacht.
Was heißt das konkret?
Schramm-Fuchs: Wir erwarteten ein Tief im Mai, vermutlich wird es aber erst im Juni erreicht. Und der Dollarumsatz pro Monat gegenüber dem gleichen Monat im Vorjahr könnte um bis zu 30 Prozent niedriger liegen. Seit Oktober verzeichnet der Sektor eine Rally, und angesichts dieser Prognose preist der Markt eine sehr steile und problemlose Erholung des Marktes ein. Wir glauben jedoch, dass sie nicht so glatt verlaufen wird und die Auftragseingänge wieder enttäuschen werden.
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für Ihr Portfolio?
Schramm-Fuchs: Wir streben nach einer möglichst geringen Volatilität und haben uns deshalb im Long-Buch defensiv aufgestellt.
Sie lassen also bewusst Chancen liegen?
Schramm-Fuchs: Im Zweifelsfall ja. Unser Portfolio ist so aufgestellt, dass wir nach oben zu einem gewissen Grad mitlaufen, aber nach unten abgesichert sind. In der absehbaren Zukunft wird es volatiler an den Märkten zugehen. Um durch diese Phase gut durchzukommen, positionieren wir uns zurückhaltender.
Wie lange könnte diese Phase dauern?
Schramm-Fuchs: Das ist schwer zu sagen, denn es gibt verschiedene Einflussfaktoren. Ein deutlicher Rückgang der Inflation wäre gut, denn das würde den Zentralbanken mehr Spielraum geben, mit den Zinssteigerungen aufzuhören oder gar über Zinssenkungen nachzudenken. Eine zusätzliche Stimulierung in China würde ebenfalls Druck rausnehmen. Unsere Hoffnung ist, dass wir jetzt einen kurzen Rückfall erleben und wir dann schnell die Zinswende erreichen. Das wäre das Beste für die Märkte.
Über den Interviewten:
Robert Schramm-Fuchs ist Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors und Teil des Europa-Aktien Teams in London. Unter anderem ist er als Lead-Manager verantwortlich für das Management des europäischen Large Cap Long/Short-Fonds „Horizon Pan European Absolute Return Fund“ (ISIN LU0264598268).