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Wachtendorf-Kolumne Russland-Investments: Mit blauem Auge davongekommen?

Unser Kolumnist Egon Wachtendorf
Analysiert die Schäden, die Russland-Investments im Depot hinterlassen haben: Kolumnist Egon Wachtendorf. | Foto: DAS INVESTMENT

„Russland hat faktisch kein Interesse, in die Ukraine einzumarschieren“ – ein Satz vom 20. Februar 2022, der Sahra Wagenknecht eher um die Ohren flog, als es wohl selbst ihre schärfsten Kritiker vermutet hätten. So blauäugig wie die einstige Linken-Fraktionschefin im Bundestag dürfte vier Tage vor dem von Wladimir Putin befohlenen Überfall auf den westlichen Nachbarn kaum ein Managementteam eines Russland- oder Osteuropa-Fonds seinem denkbar undankbaren Job nachgegangen sein.

 

 

Geholfen hat es freilich nichts: Schon Ende Februar 2022 froren die ersten Investmentgesellschaften notgedrungen ihre entsprechenden Produkte ein, niemand darf seither mehr rein oder raus. Die wenigen, die wie der Schroder Emerging Europe oder der Templeton Eastern Europe inzwischen wieder offen sind, haben im Vergleich zum Herbst 2021 zwischen 50 und 65 Prozent an Wert verloren.

Ein Desaster – aber fast nicht der Rede wert im Vergleich zu dem, was den Anteilsinhabern reiner Russland-Fonds blühen könnte. Einer Auswertung des Analysehauses Morningstar zufolge betrug deren Gesamtvermögen im Januar 2022 noch 5,3 Milliarden Euro. Mittlerweile sollen es weniger als 80 Millionen Euro sein. Viel Hoffnung, davon auch nur einen Cent wiederzusehen, macht Morningstar betroffenen Anlegern nicht.

Was bei den Anbietern prompt auf Widerspruch stößt. Wahrscheinlich zu Recht. Doch wie viel am Ende des Krieges oder durch einen vorgezogenen Forderungsverkauf an Dritte aufs eigene Konto zurückkehrt und vor allem wann dies der Fall sein könnte, dazu vermag derzeit niemand eine verlässliche Aussage zu treffen.

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Letztlich reicht das Problem jedoch viel tiefer. Denn russische Aktien und Anleihen stecken nicht nur in den genannten Produkten. Sie können sich quasi in jedem beliebigen globalen Aktien-, Renten- oder Mischfonds verbergen. Mit dem Effekt, dass dort im vergangenen Jahr Abschreibungen vorgenommen wurden, von denen die Anleger im Zweifel gar nichts mitbekommen haben und die unter Umständen höher sind als es dem Wert der irgendwann vollzogenen Ausbuchung entspricht. In diesem Fall ist der bis dahin ausgewiesene Anteilspreis zu niedrig und macht am Tage X einen wie auch immer ausgeprägten Satz nach oben. Schön für alle, die dann noch dabei sind. Ärgerlich dagegen für all jene, die ihren Fonds in der Zwischenzeit verkauft haben.

Pech, könnte man sagen. Oder dementsprechend Glück, wenn man erst später gekauft hat und so quasi unverdient in den Genuss der Aufwertung kommt. Und ja – in den Auswirkungen möglicherweise tatsächlich vernachlässigbar, denn in den meisten Fällen dürften russische Wertpapiere im Februar 2022 selbst in reinen Schwellenländerfonds zu deutlich weniger als 5 Prozent vertreten gewesen sein.

Als die Bric-Länder Brasilien, Russland, Indien und China noch als Synonym für die werbewirksam vermarkteten Begriffe Rohstofflager, Zapfsäule, Denkfabrik und Werkhalle herhalten mussten, war das etwas anders. Ob die Aufseher der Bafin auch 2005 oder 2006 so seelenruhig geblieben wären, wenn die Branche ihre Kunden derart rudimentär über die im Fondsvermögen vorgenommenen Abwertungen informiert hätte wie in den vergangenen zwölf Monaten?

Die Forderung nach mehr Transparenz in Krisenzeiten ist das eine. Zum anderen reift hoffentlich bei Anbietern wie bei Anlegern die Einsicht, dass das in den 90er Jahren durchaus populäre Instrument des Emerging-Markets-Länderfonds brandgefährlich ist. Wer sich etwa im aktuellen Umfeld einen Türkei- oder einen Taiwan-Fonds ins Depot holt, muss schon sehr tollkühn sein. Oder extrem blauäugig.

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