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Aktualisiert am 09.06.2020 - 16:29 Uhrin Die Spezialisten für globale GeldanlageLesedauer: 5 Minuten
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Schwellenländer-Experte Claus Born „Manche Kursschwächen sind hausgemacht“

Claus Born, Portfoliomanager der Templeton Emerging Markets Group

Herr Born, Sie sind ausgewiesener Argentinien- und Lateinamerika-Kenner und leben in Buenos Aires. Inwieweit äußert sich die konjunkturelle Eintrübung im Straßenbild?

Claus Born: Im Verlauf von zwanzig Jahren habe ich Argentinien in allen Phasen des Wirtschaftszyklus erlebt. Derzeit lässt sich beobachten, dass die Lage ziemlich schlecht ist. Geht man durch die Straßen, sieht man sehr viele leerstehende Geschäftslokale, auch in relativ guten Lagen. Man sieht, wie wenig die Leute einkaufen. In den Shoppingmalls flanieren die Besucher vor den Schaufenstern entlang, kaum jemand geht in die Läden. Auf Jahressicht leidet Argentinien unter 50 Prozent Inflation, monatlich liegt die Inflationsrate bei 4 bis 5 Prozent, da wird das als Lohn- und Gehalt ausgereichte Geld knapp. Das was auf der Straße zu sehen ist, spiegelt sich in den Unternehmensberichten.

Wie sieht es mit der Arbeitslosigkeit in Argentinien aus?

Born: Arbeitslosenzahlen in den Schwellenländern, eben auch in Lateinamerika, sind immer mit Vorsicht zu genießen. Es gibt eine hohe Quote an nicht erfassten Arbeitnehmern, die im Schwarzarbeit-Sektor tätig sind. Derzeit ist die Einwanderung aus Venezuela sehr sichtbar: Die meisten Flüchtlinge sind nach Kolumbien gegangenen, aber insgesamt haben sich die Venezolaner über ganz Lateinamerika verteilt. Fast alle Uber-Fahrer in Buenos Aires kommen aus Venezuela, auch in Callcentern und in Restaurants sind die aus dem bröckelnden Reich Maduros geflüchteten Menschen zu finden.

Die venezolanischen Flüchtlinge konkurrieren nun in einer schwachen Wirtschaftslage mit den Einheimischen um die abnehmende Zahl Jobs. Welche Konsequenzen ergeben sich?

Born: Die Venezolaner sind sehr aktiv, vor allem die gut ausgebildete Mittelschicht kann es sich leisten, das Land zu verlassen. Sie bringen ein wenig Geld mit, das sie in Argentinien investieren, um ein Business aufzuziehen – und sei es, dass sie ein Auto kaufen, um als Uber-Fahrer ihr Geld zu verdienen. Sie bekommen vom argentinischen Staat keine Hilfen, aber auf unkomplizierte Weise einen legalen Status und können somit auch arbeiten. Fremdenfeindlichkeit ist eigentlich nicht zu beobachten. Kritiker argentinischer Larmoyanz verweisen vielmehr auf die arbeitenden Venezolaner und geben zu bedenken, dass es auch in Argentinien trotz schlechter Wirtschaftslage offenbar Möglichkeiten gibt sich nützlich zu machen.

Wie sieht es in Lateinamerika im Hinblick auf die konjunkturelle Entwicklung derzeit insgesamt aus?

Born: In Brasilien scheint es einen Lichtstreif zu geben, das Land ist auf dem Weg, um aus einer langen Rezession herauszukommen. Positiv aus wirtschaftlicher Sicht sind die weitreichenden Privatisierungsbestrebungen. Es gibt auch den politischen Konsens, endlich eine dringend notwendige Pensionsreform durchzuführen. Im öffentlichen Sektor sind die Renten zu großzügig, wenn sich hier nichts ändert driftet das Land längerfristig in die Pleite.

Die Entwicklung in Kolumbien wird von einer durchgehend vernünftigen Wirtschaftspolitik getragen. Hier hängt immer noch viel von den Ölpreisen ab, aber das Land hat sich gut konsolidiert. Als ich bei Franklin Templeton angefangen habe, konnte man in Kolumbien eigentlich noch gar nicht investieren, seither hat sich richtig viel geändert. Es geht in Kolumbien in die richtige Richtung wie eigentlich in den anderen Andenstaaten am Pazifik wie Peru und Chile auch.

In Chile kam es vor einiger Zeit zu Studentenunruhen, hat sich die Lage wieder beruhigt?

Born: In Chile, dem konjunkturellen Aushängeschild Lateinamerikas, gibt es außerordentlich große Einkommensunterschiede. Im Zusammenhang mit dem relativ teuren Zugang zu Bildung kommt es dadurch zu Spannungen. Jetzt hat die Regierung gewechselt; statt einer Mitte-links-Regierung, die dem Land nicht gutgetan hat, führt jetzt eine Mitte-rechts-Regierung die Amtsgeschäfte. Das Investitionsklima hat sich dadurch erheblich verbessert.

Welche Bedeutung hat der Handelskonflikt für Lateinamerika?

Born: Natürlich leidet die Rohstoffnachfrage. Die USA sind wichtig als Handelspartner, haben aber letztlich eine nicht zu hohe Bedeutung. China hat die Möglichkeiten und ist willens, angesichts hoher Zölle seine Konjunktur zu stützen. Letztlich führen, das wird sich zeigen, höhere Zölle zu höheren Preisen für US-Konsumenten, der Schuss dürfte für Trump nach hinten losgehen.

Nichtsdestotrotz drückt der Konflikt auch in Lateinamerika die Kurse: Nicht nur BASF leidet, sondern auch die brasilianische Braskem…

Born: Rückgänge auf dem größten Kapitalmarkt Lateinamerikas sind durch den Handelskonflikt zu beobachten, ja. Allerdings sind manche Kursschwächen auch hausgemacht. Schauen Sie sich Mexiko an: Der Markt ist nicht zuletzt deshalb schwach, weil in diesem Jahr zum ersten Mal in der Geschichte Mexikos eine Linksregierung an der Macht ist; das sorgt für viel Unsicherheit unter den Investoren.

Welche Länder in Lateinamerika halten für Investoren viel Potenzial vor?

Born: Mexiko, Brasilien, Peru, Chile, natürlich auch Kolumbien. Aber sogar im gebeutelten Argentinien finden wir Chancen in einem, das ist natürlich zu berücksichtigen, volatilen Umfeld. Hier braucht man entweder einen langen Atem oder muss schnell handeln.

Welche Sektoren sind von besonderem Interesse?

Born: Wir sind stark in mexikanischen Banktiteln investiert, etwa Banorte und Santander México, die ein guter Hebel auf den erwarteten Konjunkturaufschwung sind. Die Banken weisen eine hohe Eigenkapital-Rentabilität auf, haben zugleich hohe Marktanteile. Erst jüngst hat die spanische Santander-Gruppe ein Übernahmeangebot für den Streubesitz von Santander México gemacht, daran sieht man, welches Potenzial dem Land, seinen Menschen und seiner Wirtschaftsentwicklung zugestanden wird – und wie günstig die Bewertungen derzeit erscheinen.

Bei Einzelaktien haben Vermögensverwalter oft MercadoLibre ins Portfolio aufgenommen, haben Sie hier auch investiert und wie stehen Sie zum „Amazon Lateinamerikas“?

Born: Wir sind hier derzeit nicht engagiert, waren es aber in der Vergangenheit. MercadoLibre ist schon seit 1999 am Markt, damals musste bei Abholung oder – seltener – Lieferung Cash gezahlt werden. Heute werden die Zahlungsprozesse über Kreditkarte getätigt und die Waren werden prompt geliefert. Die machen ihre Sache gut. Durch die Größe von MercadoLibre, den Bezahldienst und die Bekanntheit hat sich das Unternehmen ein schwer anzugreifendes Alleinstellungsmerkmal verschafft.

Bei welchen vielleicht eher exotischeren Investments rechnen Sie sich gute Chancen aus?

Born: Engagiert sind wir in diesem Zusammenhang im Bildungssektor Brasiliens. Nach anfänglicher starker Förderung durch die Regierung wurden aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage Mittel gestrichen, wodurch der Sektor erst einmal an der Börse in Ungnade gefallen war. Hier gibt es nun einige Unternehmen, die wir uns anschauen.

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