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Schwellenländerexpertin von Credit Suisse „Lateinamerikas Emittenten sind besser als ihr Rating“

In Gold gekleidete Tänzerin in Rio, Brasilien: Gold ist nur eines der Rohstoffe, die Lateinamerika exportiert und die groß nachgefragt werden.
In Gold gekleidete Tänzerin in Rio, Brasilien: Gold ist nur eines der Rohstoffe, die Lateinamerika exportiert und die groß nachgefragt werden. | Foto: imago images / Danita Delimont

Die gegenwärtige Krise unterscheidet sich von ihren Vorgängern. Die Schwellenländer wurden In den letzten Jahrzehnten mehrfach von Krisen heimgesucht. Deren Auswirkungen beschränkten sich in der Regel allerdings auf einzelne Länder oder Sektoren. Dieses Mal ist es anders: Nur sehr wenige Segmente des Universums konnten sich dem Einfluss der COVID-19-Pandemie entziehen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Standard und die Kapazität der örtlichen Gesundheitseinrichtungen hinter den Industrieländern zurückbleibt. Daher hat diese Krise mehr mit der umfassenden globalen Finanzkrise von 2008 gemeinsam als beispielsweise mit der Asienkrise von 1998 oder der Tequila-Krise, die Mexiko 1994/95 durchmachte.

Die größten Unterschiede betreffen jedoch den rapiden anfänglichen Markteinbruch, die schnelle und umfassende fiskalpolitische Reaktion seitens der Regierungen und die koordinierte Art und Weise, in der die Zentralbanken durch aggressive und rasche geldpolitische Maßnahmen Liquidität zur Verfügung stellten. Zudem sollte man nicht vergessen, dass etliche Länder Lateinamerikas in den letzten Jahren weitreichende Reformprogramme eingeleitet haben. Die meisten dieser Länder werden diesen Reformkurs fortsetzen müssen, um langfristig zukunftsfähig zu bleiben, zumal die Regierungen in der aktuellen Coronavirus-Krise auf Fiskalausgaben setzen, um den wirtschaftlichen Abschwung abzufedern.

Das wirkte sich auch auf die Credit Spreads aus, die die Unternehmensanleihen attraktiv gemacht haben. In Lateinamerika zum Beispiel liegt der historische Durchschnitt der Kreditspreads nach der globalen Finanzkrise bei 408 Basispunkten (Bp), aber dieser Wert stieg rasch auf einen Höchststand von etwa 869 Bp an, da sich die Investoren um den Abbau der Risiken bemühten. Volatilität schafft zwangsläufig attraktive Einstiegspunkte, und obwohl die Renditeaufschläge anschließend auf circa 618 Bp geschrumpft sind und der wichtigste Wendepunkt offenbar hinter uns liegt, bieten sich für strategische Investoren mit einem mittelfristigen Anlagehorizont immer noch viele gute Gelegenheiten.

Besser als ihre Ratings

Und auch die Qualität einiger Anleihen aus Lateinamerika kann sich sehen lassen und ist besser, als ihr Ruf. Dann: Man sollte sich darüber im Klaren sein, welchen Einfluss die Länderratings auf Unternehmensanleihen haben. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Staatsanleihen aus Schwellenländern, die ein Investment-Grade-Rating erhalten, beträchtlich erhöht. Insgesamt ist das Spektrum aber nach wie vor sehr breit gefächert, vor allem in Lateinamerika, wo Chile mit A+ bewertet ist, während sich Argentinien mit dem niedrigsten Hochzinsrating begnügen muss.

Eine Veränderung des Bonitätsratings auf Landesebene gilt normalerweise im gleichen Maße auch für zahlreiche Unternehmen, vor allem staatsnahe Gesellschaften, systemrelevante Banken oder strategisch relevante Unternehmen. Aufgrund der Methodologie der Rating-Agenturen darf ein Unternehmen in der Regel kein höheres Bonitätsrating erhalten als das Land, in dem sich sein Firmensitz befindet. Die Rating-Agenturen nutzen allerdings einen gewissen Ermessensspielraum und erteilen den Wertpapieren von robusten Unternehmen mit weltweiten Geschäftsaktivitäten oder einer exportorientierten Ausrichtung Bonitätsratings, die einige Stufen über denjenigen ihrer jeweiligen Länder liegen. Aktive Investoren können daher höhere Risikoprämien lateinamerikanischer Emittenten identifizieren und abschöpfen, die aus fundamentaler Sicht ebenso solide, wohlüberlegt verschuldet und finanziell robust sind wie ihre Wettbewerber in den Industriestaaten (die höhere Länderratings aufweisen).

Es ist zudem erwähnenswert, dass die Unternehmen in Lateinamerika ihre Kredite in den letzten Jahren klugerweise in US-Dollar aufgenommen haben. Die meisten dieser Unternehmen verfügen inzwischen über eine globale Präsenz und generieren einen soliden Prozentsatz ihrer Umsatzerlöse in US-Dollar. Außerdem sichern viele Firmen sowohl ihre Zinsverbindlichkeiten als auch ihre Gesamtverschuldung in US-Dollar ab.

Gute Fundamentaldaten und hohe Transparenz

Hinzu kommen die guten Fundamentaldaten: In den letzten Jahren haben sich die Bilanzen und die Fähigkeit der Unternehmen zur Erwirtschaftung eines freien Cashflows verbessert. Zugleich ist die Gesamtverschuldung stabil geblieben oder gesunken. Dieses ungehebelte Wachstum ist ein überaus wünschenswertes Attribut, zumal das Fälligkeitsprofil ebenfalls günstig ist, da kurzfristige Anleihen einen vergleichsweise geringen Teil der Gesamtschuldenquote ausmachen. Das Refinanzierungsrisiko ist daher gering.

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Hinzu kommt, dass die Emittenten in der Regel von kompetenten Managementteams mit einer nachweislichen Erfolgsbilanz im Umgang mit Krisen profitieren, da Lateinamerika das älteste und ausgereifteste Segment im Universum der Schwellenländeranleihen ist. Ohnehin sind Anleger in lateinamerikanischen Anleihen relativ anspruchsvoll und erwarten ein hohes Maß an Transparenz, sodass eine vierteljährliche Berichterstattung zum Standard gehört (was in anderen geografischen Regionen des Schwellenländeruniversums nicht der Fall ist).

All das trägt zu einem sehr robusten High-Yield-Sektor bei, der eine hohe Kompensation für eine kluge Risikoabsorption bietet – vor allem in diesem Bereich wollen wir im Auftrag unserer Anleger einen Mehrwert erzielen. Dabei arbeiten wir mit Lucror Analytics zusammen, einer unabhängigen Research-Firma, die sich auf Hochzinsanleihen spezialisiert hat. Insgesamt bietet das lateinamerikanische Universum aktiven Managern ein breites Spektrum titelspezifischer Anlagechancen, um eine solide Anlageperformance mit breiter Diversifikation zu erzielen.

Rohstoffe und Fleischproduzenten

Doch welche Sektoren sind im derzeitigen Umfeld von besonderem Interesse? Die Region Lateinamerikas ist für ihre umfangreichen Rohstoffvorkommen bekannt und macht einen bedeutenden Teil der globalen Exporte aus. Im Gegensatz zu Russland und dem Nahen Osten beispielsweise umfasst der lateinamerikanische Rohstoffreichtum neben Öl noch vielfältige andere Güter wie Gold, Eisenerz, Kupfer, Sojabohnen, Zellstoff, Papier und Proteine.

In Bezug auf Proteine hat sich der Nahrungsmittelkonsum als krisenresistent erwiesen. Zurzeit besteht eine ungedeckte Verbrauchernachfrage nach Fleisch und Fleischerzeugnissen, bedingt durch die vorübergehenden Werksschließungen, die Dürren der letzten Monate, die negativen Folgen der afrikanischen Schweinepest und den erneut beschleunigten Konsum in China. Brasilianische Fleischproduzenten mit globaler Reichweite können diesen Nachfrageüberhang teilweise bedienen und profitieren entsprechend. Jede Krise hat ihre Gewinner, und diese Gewinner profitieren vom gegenwärtigen Marktumfeld.

Darum lohnt sich ein Einstieg

Im Kontext der COVID-19-Krise bieten Stressphasen am Markt in der Regel lukrative Einstiegspunkte für Anleger, die mutig genug sind, sich darauf einzulassen. Lateinamerika bietet ein Umfeld, in dem viele Emittenten mittlerweile weltweit vertreten sind und parallel zu ihrer Kostenbasis in Lokalwährung einen soliden Prozentsatz ihrer Umsätze in US-Dollar erwirtschaften. Das ist ein enormer Vorteil in Phasen eines starken US-Dollars, wenn die rückgeführten Gewinne durch den Währungseffekt gesteigert werden.

Derweil haben die bereits erwähnten höheren Risikoprämien in der Regel höhere Renditen generiert und im Vergleich zu anderen Märkten für Unternehmensanleihen einen besseren Carry bewirkt. Kapitalwerte schwanken immer, aber die Gesamtvolatilität der Emissionen in harter (nicht lokaler) Währung hielt sich zuletzt eher in Grenzen. Das bedeutet, dass die monatlichen Gesamtrenditen generell positiv ausgefallen sind, wodurch sich seit Auflegung eine annualisierte Rendite im hohen einstelligen Bereich ergibt1. Die Sharpe-Ratios (ein Maßstab für die risikobereinigten Renditen) sind im Vergleich zu anderen Regionen und Anlageklassen attraktiv, was die überzeugenden Eigenschaften dieser Anlagechance unterstreicht.

1Quelle: J.P. Morgan, Daten per 04.06.2020 für den J.P. Morgan Corporate Broad Diversified EMBI Latin America Index seit seiner Auflegung am 31.12.2001.

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