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Vermögensverwalter Gottfried Urban „Die Regulierungswut ist unsozial“

Gottfried Urban ist Vorstand von Bayerische Vermögen in München.
Gottfried Urban ist Vorstand von Bayerische Vermögen in München. | Foto: Bayerische Vermögen

Die Spätfolgen der Finanzkrise erkennt man an der Überregulierung des Privatkundengeschäftes. Investments in Wertpapiere erlauben Finanzinstitute nur noch, wenn der Anleger das Risiko des Totalverlusts und eine Flut von Dokumentationen akzeptiert. Doch damit ist der Kunde nicht wirklich besser beraten. Vielmehr bieten immer mehr Finanzinstitute ihren Kunden nur noch die zweit- oder drittbeste Lösung an, die dann wenig Rendite für den Anleger, aber eben auch viel geringere Haftungsrisiken und Dokumentationspflichten für den Anbieter bringt.

Genervte Kunden

Übertragen wir die Anforderungen der Bankenaufsicht einmal auf den Vertrieb von Haushaltsgegenständen. Ist ein Brotmesser gefährlich? Ja, es kann zu Verletzungen, im schlimmsten Fall gar zum Tod führen. Wer Brotmesser vertreibt, müsste daher beim Verkauf eine umfangreiche Dokumentation erstellen. Die Gebrauchsanweisung mitzugeben reicht nicht. Der Händler muss die Herstellerangaben noch einmal überprüfen. Im Verkaufsgespräch muss er dann erfragen und dokumentieren, welche Erfahrungen der Käufer im Umgang mit Brotmessern hat.

Nun muss der Käufer umfangreich und in schriftlicher Form und mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf vor dem Kauf über die Kosten, Provisionen und Zuwendungen von der Herstellung bis zum Ladenverkauf aufgeklärt werden. Ebenso ist eine Schätzung der Folgekosten während der voraussichtlichen Lebensdauer des Brotmessers von fünf Jahren abzugeben. Mindestens einmal im Jahr ist der Brotmesservertrieb verpflichtet, zu prüfen, ob das Brotmesser noch für den Kunden geeignet ist. All dies muss zudem schriftlich dokumentiert und aufbewahrt werden.

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"Privatkunden erhalten renditeschwache Einheitsprodukte"

Klingt übertrieben, unrealistisch? Bei Finanzprodukten geschieht genau das. Der Anleger muss sich geduldig die Ausführungen des Beraters anhören, der zudem Verständnisfragen stellen muss, um sicherzustellen, dass der Anleger aufmerksam zuhört. Diese fühlen sich durch die wiederholten Erklärungen oft genervt und möchten am liebsten nur noch ungelesen unterschreiben. Doch das geht nicht. Die Papierflut für einen einfachen Beratungsvorgang übersteigt die Vorstellungskraft der Kunden. Jede seriöse Einzelberatung zu Wertpapieren dauert ohne Vor- und Nachbereitung mehr als eine Stunde.

Wegen der entstehenden Kosten- und Haftungsrisiken bieten viele Finanzinstitute die Wertpapieranlage gar nicht mehr oder nur noch online für Selbstentscheider an. Stattdessen empfehlen sie vorrangig garantierte Vorsorgeprodukte, wie Versicherungen, Bauspar- oder Kontosparverträge.
Die Regulierungswut begünstigt so die Reichen, die ab einer halben Million Euro Anlagevermögen weiterhin hoch qualifizierte, individuelle Wertpapierberatung nutzen können. Der Normalsparer wird in renditeschwache Einheitsprodukte gedrängt.

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