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Wachtendorf-Kolumne Verschwörungstheorien und verschwendete Lebenszeit

DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf
Muss seine Meinung über Marc Friedrich nicht revidieren: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf. | Foto: DAS INVESTMENT

Eines muss man Marc Friedrich lassen: Seine Bücher verkaufen sich wie geschnitten Brot. Das jüngste Werk „Die größte Chance aller Zeiten“ landete im vergangenen Jahr einmal mehr auf Rang 1 der Wirtschafts-Bestseller des „Manager Magazins“. Kein Wunder, dass der selbsternannte Vordenker der deutschen Crash-Propheten-Szene von einer 2019 gegenüber der „Stuttgarter Zeitung“ vorgenommenen Einschätzung schnell wieder Abstand genommen hat. „Von unserer Seite ist jetzt alles gesagt, sodass wir kein weiteres Buch mehr schreiben müssen“ gab er anlässlich der Veröffentlichung seines vorherigen, damals noch mit seinem langjährigen Geschäftspartner Matthias Weik als Co-Autor verfassten Werks „Der größte Crash aller Zeiten“ zu Protokoll.

Seit der 2020 vollzogenen Trennung von Weik schreibt Friedrich nicht nur weiter Bücher, er ist auch omnipräsent auf allen gängigen Social-Media-Kanälen von Instagramm bis Twitter. Auf YouTube postet er zudem mehrmals pro Woche halbstündige Monologe oder Interviews, in denen sich Fragesteller und Antwortgeber gegenseitig die Bälle zuspielen – mit Inhalten, die sich nach Meinung einer der seltenen kritischen Stimmen in der Kommentarspalte unterhalb des Kanals auch in sechs Minuten rüberbringen lassen würden. Sich das in voller Länge anzuschauen sei eine „Verschwendung von Lebenszeit“.

So habe ich das bisher auch gesehen. Trotzdem habe ich kürzlich gleich drei aktuelle Friedrich-Videos von der ersten bis zur letzten Minute auf mich wirken lassen. Manchmal muss man einfach prüfen, ob sich an früheren Einschätzungen etwas geändert hat, und im Kern zielt Friedrich mit seiner Fundamentalkritik an Politikern und Notenbankern ja durchaus in die richtige Richtung. Das penetrante Beharren, dabei in allen angesprochenen Belangen im Alleinbesitz der gültigen Wahrheit zu sein, stößt mich aber nach wie vor ebenso ab wie die gnadenlose Eigenlob-Hudelei à la „Im Zug, auf der Straße und sogar im Supermarkt kommen Menschen auf mich zu und danken mir für das, was ich mache, und dann habe ich Gänsehaut am ganzen Körper und noch ein bisschen mehr.“ Was genau er mit „ein bisschen mehr“ meint, will ich dann schon gar nicht mehr so genau wissen.

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Nahezu unerträglich wird es, wenn Friedrich wie im Video zu der Frage „Droht ein Dritter Weltkrieg?“ Verschwörungstheorien freien Raum lässt. Darin bringt er zwar von niemandem ernsthaft widersprochen auf den Punkt, dass es „vor Russlands Türe lichterloh brennt“. Wer im Krieg gegen die Ukraine Aggressor ist und wer Verteidiger, geht aber angesichts dunkler Andeutungen, auf ukrainischer Seite kämpften überwiegend ausländische Söldner und der wie immer in solchen Momenten mit maliziösem Lächeln vorgetragenen Aussage „Vielleicht ist es Teil des großen Plans, erst mal alles kaputtzumachen, um es dann später wieder aufzubauen“ vollkommen unter.

Bleibt die Frage, warum sich Friedrichs Botschaften trotzdem so massenhaften Zulaufs erfreuen. Ist es wirklich die von ihm regelmäßig beschworene altruistische Nächstenliebe, die ihn geradezu zwingt, seine Mitmenschen immer und immer wieder vor drohenden Gefahren zu warnen? Ich neige unverändert eher zu der Erklärung, die ein weiterer kritischer Kommentator in Friedrichs YouTube-Kanal hinterlassen hat: „Ein Zuschauer sitzt im Olympiastadion und schaut sich mehrere Spiele in mehreren Disziplinen an. Er kritisiert, analysiert und diskutiert. Wägt ab und meint, er wüsste alles besser. Er verdient sein Geld damit, seine eigenen Erkenntnisse anderen Zuschauern zu verkaufen. Und viele der anderen Zuschauer, mit weniger Hintergrundwissen, hören und stimmen ihm begeistert und aufmerksam zu und tragen sein vermeintliches Wissen – vermischt mit ihrem Wissen – an die nächsten Zuschauer weiter.“ Denn auch das muss man Marc Friedrich lassen: Er weiß, wie soziale Medien funktionieren.

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