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Wachtendorf-Kolumne Crash-Propheten: Schaut auf dieses Video!

Bekommt bei einem Crash-Propheten-Video das kalte Grausen: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf
Bekommt bei einem Crash-Propheten-Video das kalte Grausen: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf | Foto: Johannes Arlt

Es liegt schon einige Wochen zurück, aber die Erinnerung ist trotzdem noch frisch. Auf dem ersten Höhepunkt der Corona-Krise, als Ende März die Börsenkurse am Boden lagen, bekam ich gleich von mehreren Bekannten eine Mail mit identischem Link zugeschickt. „Hier ein hochinteressantes und aufschlussreiches Interview mit Markus Krall, das musst Du Dir ansehen“, lautete einer der Begleittexte.

Markus Krall? Muss man den kennen? Laut Wikipedia ein „deutscher Volkswirt, Unternehmensberater und Autor“, daneben seit September 2019 Vorstandsmitglied des Frankfurter Goldhändlers Degussa. Nun ja, hätte man in meiner Position wissen können. Und in das angehängte Video mal reinzuschauen macht ja nicht dümmer. Gedacht, geklickt – und gleich zu Beginn die erste Überraschung. Markus Krall hat prominente Verstärkung an seiner Seite, zugeschaltet ist Marc Friedrich von der Friedrich & Weik Vermögenssicherung. Den kenne ich natürlich, und den Lesern von DAS INVESTMENT brauche ich ihn sicher ebenfalls nicht weiter vorzustellen.

Was soll ich sagen? Das Video dauert knapp eine Stunde, und es ist in der Tat höchst aufschlussreich. Nicht unbedingt wegen der Thesen, die Krall und Friedrich verbreiten. Die sind hinreichend bekannt und mit den Kernaussagen „Die Politik läuft Amok und erzeugt eine galoppierende Inflation, die auf direktem Weg in eine Vernichtung der Währung führt“ (Krall), „Diese Regierung ist fest entschlossen, jetzt den Sozialismus einzuführen und die Marktwirtschaft komplett abzuschaffen“ (wiederum Krall) und „Wir werden eine globale Depression erleben und relativ schnell von der Deflation in die Hyperinflation schlittern“ (Friedrich) erschöpfend abgedeckt. Nein – bemerkenswert beziehungsweise geradezu entlarvend ist vielmehr die Art und Weise, auf die sich die beiden selbsternannten Weltenretter dort präsentieren.

Schon die Einleitung zieht einem förmlich die Schuhe aus. Friedrich wendet sich mit maliziösem Lächeln ans Publikum und freut sich überschwänglich, seinen Gesprächspartner Krall zu einem „ganz besonderen historischen Zeitpunkt“ begrüßen zu dürfen. Klar, denke ich, das Video ist am 26. März gepostet, die Corona-Pandemie tobt, in Italien gehen die Beatmungsgeräte zur Neige. Schon ein besonderer Moment irgendwie, wenn auch ein trauriger. Doch das meint Friedrich gar nicht. Er zielt darauf ab, dass Kralls neues Buch „Die bürgerliche Revolution“ aus dem Stand Platz 2 in der „Spiegel“-Bestsellerliste erobert hat: „Da bekomme ich Gänsehaut, weil das heißt, auch unsere Zeit ist gekommen.“ Chapeau – so freimütig hat schon lange niemand mehr zugegeben, wo die Prioritäten des eigenen Tuns liegen.

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So geht es munter weiter. Friedrich und Krall spielen sich gekonnt die Bälle zu („Unsere Bücher ergänzen sich da 1a“) und überbieten sich mit gegenseitigen Lobhudeleien („das Gespräch mit Dir – ein absolutes Fest“). Klar, dass zwischendurch auch die Mitarbeiter des Degussa-Online-Goldhandels zu „Helden unserer Tage“ hochstilisiert werden. Schuften sie doch Tag und Nacht, um vor dem in Kürze zu erwartenden „raketenhaften“ Preisanstieg für physisches Gold noch möglichst viele Kunden zu beliefern.

Wie gesagt, das Video dauert eine knappe Stunde. Während dieser Zeit gelingt es mir nur selten, meinen Blick von Friedrich abzuwenden, dessen Gesichtsausdruck pausenlos zwischen Allwissenheit, Triumph und scheinbarer Betroffenheit pendelt. Wenn ich dazu aus seinem Mund Sätze wie „Wir freuen uns nicht darüber, was da gerade passiert“ oder „Uns liegen unsere Mitmenschen am Herzen“ höre, könnte ich – bitte entschuldigen Sie den Ausdruck – einfach nur kotzen.

Per 30. April 2020 verzeichnet das Video mehr als 528.000 Klicks. Der Youtube-Daumen geht 20.178-mal hoch, nur 680-mal ist er gesenkt. Manche Kommentatoren überschlagen sich förmlich vor Zustimmung. Ich gehöre also mit meiner Meinung eindeutig einer Minderheit an. Trotzdem bleibe ich dabei: Einen besseren Weg, Demagogen zu enttarnen, als diese schamlose Selbstbeweihräucherung massenhaft weiterzuverbreiten, gibt es nicht.

Hier der Link zum Video

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