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Vorläufige Deckungszusage Warum sich der BU-Versicherer am Ende doppelt ärgerte

Verzweiflung am Laptop
Verzweiflung am Laptop: Psychische Erkrankungen sind ein häufiger Grund für Berufsunfähigkeit. Auch im Fall vor dem LG Verden spielte das Thema eine Rolle. | Foto: imago images / Westend61

In der Zeit zwischen dem Abschluss eines Versicherungsvertrags und dem Beginn des vertraglichen Versicherungsschutzes können die Parteien eine vorläufige Deckung vereinbaren. Das LG Verden beurteilte, wann eine solche Vereinbarung auch wirklich rechtlich bindend ist – der Versicherungskunde daraus also Ansprüche hat (LG Verden, Urteil vom 6. Oktober 2021 - 8 O 240/20)

Der Fall vor dem LG Verden

Björn Thorben M. Jöhnke, Foto: Jöhnke & Reichow

Die streitenden Parteien sind Vertragspartner einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Zum 29. Juni 2016 beantragte der Kläger bei seinem Versicherer eine weitere BU-Versicherung. Diese sollte die alte ersetzen. Die Parteien vereinbarten:

„[Der bestehende Altvertrag] soll bei Annahme dieses Antrages aufgehoben werden.“

Der zweite Vertrag wurde mit einer vorläufigen Deckung gesichert: Der Kläger schloss einen Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz, bis das neue Versicherungsverhältnis beginnen würde. Wesentlicher Vertragsinhalt war, dass der Kunde die gleichen Leistungen wie aus einer bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung in der Schwebezeit geltend machen könne:

„2. Der vorläufige Versicherungsschutz erstreckt sich auch auf die für den Fall der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit beantragten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung […]. Wir erbringen bei Eintritt einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit während der Dauer des vorläufigen Versicherungsschutzes, wenn uns die Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit innerhalb von 3 Monaten seit ihrem Eintritt angezeigt worden ist [..]“.

Der Versicherungskunde sollte, wenn eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorläge, eine Höchstrente von 12.000 Euro jährlich erhalten. Nach den Bedingungen des Vertrags sollte der vorläufige Versicherungsschutz dann beginnen, wenn der Antrag eingehe.

Noch während allerdings der Antrag lief – also zwischen Neubeantragung durch den Kunden und Annahme durch den Versicherer – machte der Kunde die Folgen einer psychischen Erkrankung geltend. Er forderte Leistungen aus der BU-Versicherung. Daraufhin weigerte sich der Versicherer, den neuen Versicherungsantrag anzunehmen, er kündigte dem Kunden die vorläufige Deckung.

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Rechtliche Bewertung: Kann der Versicherungsnehmer Leistungen beanspruchen?

Im Fall vor dem LG Verden ging es darum, ob der Versicherungsnehmer Anspruch auf Versicherungsleistungen hat. Ausgeschlossen wäre dies, wenn die vorläufige Deckung daran gekoppelt wäre, dass der Vertrag auch wirklich zustande kommt. Der Versicherer hatte immerhin die Annahme verweigert.  

Um zu beantworten, ob eine vorläufige Deckung zustande gekommen war, war für das LG Verden allerdings die folgende Frage zentral: Schützt die Vereinbarung den Versicherungsnehmer auch ohne den beabsichtigten Vertragsschluss? Ausdrücklich ist in Paragraf 49 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) vorgesehen, dass ein Vertrag, der eine vorläufige Deckung gewährt, ein Versicherungsvertrag ist. Die Versicherungsbedingungen sahen ausdrücklich vor, dass der Kunde im Falle einer Berufsunfähigkeit eine jährliche Höchstrente von 12.000 Euro ausgezahlt erhalten solle. In der vorläufigen Deckungszusage liegt ein eigenständiger Versicherungsvertrag vor.

Zudem ist die Bedingung, die den ersten Versicherungsvertrag auflösen soll, nämlich die „Annahme dieses Antrags“ nicht eingetreten. Dem Versicherungsnehmer steht somit die Leistung sogar aus zwei Versicherungsverträgen zu. Dass der Versicherer nunmehr zwei Versicherungsverträge auf dasselbe Risiko mit dem Kunden unterhält, hat er allein sich selbst zuzuschreiben. Er kann die Leistung aus dem ursprünglich bestehenden Versicherungsvertrag nicht nach Treu und Glauben (Paragraf 242 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch) verweigern.

Fazit und Hinweise für Versicherungsvermittler

Wenn der Versicherungsfall eintritt, muss untersucht werden, aus welchen Verträgen ein Versicherungskunde Leistungen beanspruchen kann. Es kann mitunter sein, dass ein Versicherer dasselbe Risiko durch mehrere Verträge absichert. Dies kann jedoch nicht zulasten des Versicherungsnehmers gehen, sondern liegt allein in der Verantwortung des Versicherers. Das ist auch nur billig, denn schließlich erhält der Versicherer auch eine höhere Prämie aus den unterschiedlichen Verträgen.

Wenn der Versicherer dann die Leistung verweigert, sollte unbedingt ein Fachanwalt für Versicherungsrecht herangezogen werden.

Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Jöhnke ist Gründer und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weitere Informationen zum Thema BU finden Sie hier. Die Kanzlei Jöhnke & Reichow veranstaltet einen kostenfreien digitalen Vermittlerkongress. Hier geht es zur Anmeldung.

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