Wahlfreiheit versus Altersarmut Versicherungen und Fondsanbieter: 5 Vorstände zur Riester-Reform
Ideal: Wir sind nach wie vor von Garantien überzeugt.
DAS INVESTMENT: Was halten Sie von dem Vorschlag der Expertenkommission der Bundesregierung zur Riester-Reform?
Ramona Paul: Obwohl wir als Ideal keine Riester-Produkte anbieten, halten wir die Vorschläge der Kommission für nachvollziehbar und erachten eine Reform als unabdingbar. Verwaltungskosten, regulatorischer Aufwand und Erträge stehen bei Riester in keiner vernünftigen Relation mehr. Altersvorsorge staatlich zu fördern, ist dennoch wichtig, damit möglichst viele Menschen über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus privat vorsorgen. Das Förderungsprozedere sollte jedoch möglichst einfach und standardisiert gestaltet werden. Die Produkte selbst sollten den Sparern mehr Flexibilität wie zum Beispiel Wechselmöglichkeit und höhere Renditechancen ermöglichen. Dazu könnte auch eine Abkehr von der 100-Prozent-Garantie beitragen.
Ist eine Abkehr von der 100-Prozent-Garantie im aktuellen Zinsumfeld noch angebracht? Schließlich argumentierten die Experten bislang, dass die Garantie bei sehr niedrigen Zinsen kaum finanzierbar sei. Gilt das auch jetzt nach der Zinswende?
Paul: Sich von der 100-Prozent-Garantie für die staatlich geförderte Altersvorsorge zu lösen, ist schon allein aus Wettbewerbs- und Kostengründen dringend angeraten. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Anpassungen beim Höchstrechnungszins generell nur mit starkem Zeitverzug der aktuellen Zinsentwicklung folgen. Wichtig ist, dass die verschiedene Anlegertypen bedient werden und dafür eine Auswahl an passenden Produkten bereitsteht. Nicht jeder Versicherer kann sich eine 100 Prozent Garantie leisten, hat dafür aber vielleicht andere interessante Produkte im Portfolio.
Welche Argumente sprechen aus Ihrer Sicht für die 100-Prozent-Garantie?
Paul: Das wesentliche Motiv, warum sich Verbraucher für ein Produkt mit 100-Prozent-Garantie entscheiden, ist Sicherheit. Unsere Kunden möchten mit dem Geld, das sie für ihre Altersvorsorge einsetzen, nicht das Risiko von Kapitalanlageentscheidungen tragen und eventuelle Verluste hinnehmen müssen. Sie möchten sicher sein, mit welcher Summe sie bei Renteneintritt garantiert und mindestens rechnen können. Doch auch klassische Produkte können sicher und dennoch renditestark sein können. Wir sind nach wie vor vom Konzept der Klassik und von Garantien überzeugt.
„Künftig wird es so gut wie keine Tarifangebote mit hundertprozentiger Beitragsgarantie mehr geben“, prophezeite bereits 2021 Thorsten Teichmann, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung beim Versicherer Aon. Die aktuellen Überlegungen der Bundesregierung scheinen ihm Recht zu geben. Was sagen Sie dazu?
Hallo, Herr Kaiser!
Paul: Das Geschäft mit Lebensversicherungen hat sich grundlegend verändert. Die Branche ist dabei, ihr Geschäftsmodell sukzessive von klassischen auf kapitalmarktnahe Produkte umzustellen. Eine große Anzahl von Versicherern hat sich bereits von der 100 Prozent Garantie verabschiedet. Die Nachfrage nach Garantieprodukten ist weiterhin stabil.
Die Riester-Rente soll einen neuen Namen bekommen. Dieser steht allerdings noch nicht fest. Was wäre denn Ihr Vorschlag?
Paul: Der Name Riesterrente hat vermutlich ausgedient, darin sind sich alle Beteiligten einig. Einen konkreten Vorschlag habe ich allerdings nicht.
Die Experten schlagen zudem vor, mehr Flexibilität in der Rentenphase zu ermöglichen und auch Produkte zuzulassen, bei denen zu Beginn des Ruhestands mehr ausgezahlt wird. Was halten Sie von einer teilweisen Abkehr von der Leibrente?
Paul: Mehr Flexibilität ist immer eine gute Idee. So könnten beispielsweise in der Rentenphase auch weiterhin Zuzahlungen und auch in begrenztem Maße Entnahmen möglich sein. Zur Sicherung eines lebenslangen Einkommens ist die Leibrente jedoch unverzichtbar.
Die Bundesregierung plant eine Reform der privaten Altersvorsorge. Die Expertenkommission schlägt unter anderem vor, die Riester-Rente zu reformieren und unter einem neuen Namen fortzuführen. Dabei sollen die Produkte standardisiert und die Pflicht zu einer 100-prozentigen Beitragsgarantie abgeschafft werden.
Die Verbände äußerten sich hierzu unterschiedlich. Die Finanzbranche lobte den „Paradigmenwechsel“. Aus der Versicherungswirtschaft und von Verbraucherschützern kam hingegen Kritik. So hält der Versicherungsvermittler-Verband BVK Renten und Mindestgarantien für „enorm wichtig“, um das Langlebigkeitsrisiko für Versicherte abzusichern und für Planbarkeit zu sorgen.
Einigkeit bei Garantie, Differenzen bei Leibrente
DAS INVESTMENT fragte mehrere Lebensversicherer, Anbieter von Riester-Produkten sowie Versicherer und Fondsgesellschaften, die das Riester-Neugeschäft in den vergangenen Jahren eingestellt haben, wie sie die Vorschläge bewerten und ob sie gegebenenfalls planen, das Riester-Geschäft unter neuen Rahmenbedingungen wieder aufzunehmen. Vier Versicherer und eine Fondsgesellschaft antworteten.
Alle fünf sind sich weitgehend einig darüber, dass es höchste Zeit für eine Reform der staatlich geförderten Vorsorge sei und dass die 100-Prozent-Beitragsgarantie abgeschafft gehöre. Was die teilweise Abkehr von der Leibrente betrifft, gehen die Meinungen auseinander. Welche Gesellschaften hier welche Position vertreten und welche neuen Namen sie für die Riester-Rente vorschlagen, zeigen unsere fünf Kurzinterviews.