LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
Aktualisiert am 07.07.2023 - 10:40 Uhrin Karl PilnyLesedauer: 9 Minuten

Pilnys Asia Insights Drei Gipfeltreffen, die die Welt verändert haben

G7-Gipfeltreffen in Hiroshima, Japan
G7-Gipfeltreffen in Hiroshima, Japan. | Foto: imago images / UPI Photo

Die G-7-Staaten, die in Hiroshima zusammenkamen, haben sich von einem informellen Wirtschaftsklub zu einer Allianz des freien Westens fortentwickelt, die entschlossen versucht Russland einzudämmen und auch eine Konfrontation mit China nicht mehr zu scheuen scheint. China wiederum nutzt die neue Abhängigkeit seines russischen Verbündeten, um durch den Gipfel in Xian seine Macht in Zentralasien zu verstärken, nachdem es vor kurzem seinen Einfluss am Arabischen Golf deutlich ausbauen konnte.

Dorthin, nämlich zum Treffen der Arabischen Liga in Saudi-Arabien, reiste auch Selenski. Er will und kann sich nicht länger darauf verlassen, dass die USA die arabische Welt auf die Seite der Ukraine bringen können. Russland hingegen baut seine Stellung im Mittleren Osten seit der Parteinahme und Unterstützung für Syriens Präsidenten Assad im Jahre 2016, der nun wieder rehabilitiert ist, systematisch aus. Ebenso in Afrika, wo von Mali bis Südafrika mit vollen Händen Wirtschafts- und Militärhilfe verteilt wird.

Der Versuch zur Schaffung einer globalen Wertegemeinschaft

Xi Jinping verkündet seit langem, dass er einen alternativen globalen Ordnungsrahmen zur von den USA etablierten Weltordnung bauen will. Er hat bereits große Anstrengungen unternommen, das Brics-Bündnis und die Shanghai Cooperation Organization (SCO) aufzuwerten – und schafft neue Formate wie den China-Zentralasien-Mechanismus beim Treffen in Xian, wo die Staatschefs von fünf Ländern Zentralasiens unter wohlwollender Anleitung durch Xi die „Süd-Süd-Kooperation“ beschworen.

Xi versprach den fünf Staatsoberhäuptern, China werde ihre Länder bei der Modernisierung umfassend unterstützen und will in den kommenden Jahren finanzielle Hilfen im Gesamtumfang von 3,7 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen. Außerdem wird China für den Ausbau von Straßen- und Schienenverbindungen zwischen China und Zentralasien sorgen und den Bau einer neuen Gaspipeline anstoßen. „Die Welt braucht ein stabiles, prosperierendes, harmonisches und gut vernetztes Zentralasien“, sagte Xi.

 

Gleichzeitig sollten sich die sechs Länder Einmischungen von außen in die inneren Angelegenheiten widersetzen. Für Xis langfristige Pläne spielt Zentralasien eine wichtige Rolle. Seine erste Auslandsreise nach fast drei Jahren Isolation durch die Corona-Pandemie führte Chinas Staatschef im vergangenen September nach Kasachstan.

Ebenfalls in Kasachstan stellte Xi im Jahr 2013 seine „Belt-and-Road-Initiative“ vor. Trotz einer Reihe von Fehlschlägen hat die Initiative in Zentralasien gemäß einer Studie in letzter Zeit noch an Ansehen gewonnen. Bei den zentralasiatischen Staatschefs kommen Chinas Avancen offenbar gut an. In gemeinsamen Erklärungen bekannten sie sich beim Gipfel in Xian zu den drei von Xi in der jüngsten Vergangenheit vorgestellten Initiativen: der globalen Entwicklungsinitiative, der globalen Sicherheitsinitiative und der globalen Zivilisationsinitiative. Mit Letzterer will Chinas Staatschef eine „globale Wertegemeinschaft“ schaffen. Wie bei Xi üblich sind diese Vorstöße bislang eher vage formuliert, doch in den kommenden Jahren dürften sie mit Leben gefüllt werden.

Russlands Abhängigkeit von China

Xis Griff nach Zentralasien kommt zu einer Zeit, in der China innerhalb der Partnerschaft mit Russland klar die Führungsrolle innehat. So fand der China-Zentralasien-Gipfel ohne Putin statt. Russland ist durch seinen Angriffskrieg und die Sanktionen geschwächt und wirtschaftlich und politisch fast vollständig von China abhängig.

China hat seit Beginn des Kriegs Investitionen in die Infrastruktur Zentralasiens mit diplomatischen Initiativen verknüpft. Im vergangenen Jahr erreichte das Handelsvolumen zwischen China und Zentralasien mit 70 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord. Kirgistan, Usbekistan und Turkmenistan handelten im vergangenen Jahr jeweils mehr mit China als mit Russland. China wird in der Region mehr und mehr zur bestimmenden Größe.                        

Vor allem will Xi den Schwellenländern im sogenannten globalen Süden eine Alternative zur traditionell westlich geprägten Ordnung mit Institutionen wie dem IMF, der Weltbank, den G-7-Staaten und dem G-20-Bündnis bieten.

 

Brics-Gipfel: China zieht insbesondere Schwellenländer in seinen Bann

Mit seiner eine Billion US-Dollar schweren Belt-and-Road-Initiative (BRI) hatte Xi schon 2013 ein global ausgelegtes Konzept vorgestellt. Die BRI ist ein Konzept, mit dem Xi entfernte Regionen in Afrika, in der arabischen Welt, in Südostasien, aber auch in Europa mittels großer Infrastrukturprojekte verkehrstechnisch an China anbinden will.

Mittelbar will China durch die Investitionen auch seinen politischen Einfluss ausweiten. In Afrika, in einzelnen Ländern Südostasiens und in Zentralasien ist dies bereits gelungen. Bei Abstimmungen in den Vereinten Nationen schafft es China immer öfter, Staaten auf seine Seite zu ziehen.

Wenngleich die BRI in den vergangenen Jahren von einer Reihe von Fehlschlägen und Kritik an der Kreditvergabe begleitet war, so hat sich doch das Image der BRI nach einer aktuellen Umfrage gerade in Afrika und in Zentralasien weiter verbessert. Wie die Thematisierung von BRI beim China-Zentralasien-Gipfel illustriert verzahnt China die einzelnen Formate, um die Schlagkraft zu erhöhen.

Das Brics-Format, 2001 vom Goldman-Sachs-Investmentbanker Jim O’Neill ersonnen, hatte schon länger an Bedeutung verloren. Doch Xi hat dem losen Bündnis der Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in letzter Zeit wieder zu mehr Gewicht verholfen. Der jüngste Brics-Gipfel fand Ende Juni 2022 zwar nur virtuell statt. Aber der offizielle Gastgeber Xi machte klar, dass er das Bündnis um weitere Mitglieder erweitern will. Saudi-Arabien, Ägypten und die Türkei haben bereits Interesse an einem Beitritt geäußert.

1.200% Rendite in 20 Jahren?

Die besten ETFs und Fonds, aktuelle News und exklusive Personalien erhalten Sie in unserem Newsletter „DAS INVESTMENT Daily“. Kostenlos und direkt in Ihr Postfach.

 

Was die Abwertung des US-Dollars bedeutet

Die Schwächung der Rolle des US-Dollars als Leitwährung für die Abwicklung des internationalen Handels ist eines der wichtigsten Ziele der Gipfel- und Formate-Diplomatie Xis. 2022 verständigten sich die Teilnehmerländer denn auch darauf, eine eigene Reservewährung schaffen zu wollen. Diese soll der vom US-Dollar dominierten Reservewährung des IMF Konkurrenz machen und basiert auf einem Korb der Währungen Chinas, Brasiliens, Russlands, Indiens und Südafrikas.

Sollte es Xi zudem gelingen, das Brics-Bündnis um namhafte Länder zu erweitern und diese zu einer engeren Kooperation zu bewegen, könnte dies zu einer Verschiebung von Lieferketten und neuen Abhängigkeiten führen. Saudi-Arabien und Russland sind bedeutende Ölförderländer. Mit einem gestärkten Brics-Bündnis entstünde eine Vereinigung, die größere Ölproduzenten und Abnehmer zusammenbrächte und auch die OPEC marginalisieren würde.

Ähnliches gilt für andere Rohstoffe, vor allem für Nahrungsmittel. China ist einer der bedeutendsten Baumwollproduzenten, Russland spielt eine wichtige Rolle als Lieferant von Gerste und Sonnenblumenöl, Brasilien liefert Sojabohnen in großem Stil, Indien Reis und Weizen. Zweifellos wird Xi versuchen, ein erweitertes Brics-Bündnis zu einer engeren Zusammenarbeit beim Handel mit Nahrungsmitteln zu bewegen.  Auch das könnte zu neuen Abhängigkeiten im Westen führen.

Auch der SCO hat China neues Leben eingehaucht. Das Sicherheitsbündnis wurde 2001 in Schanghai von China, Russland, Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan und Tadschikistan gegründet. Die Vereinigung beschäftigt sich auch mit Fragen der Energiesicherheit, der Zusammenarbeit bei Wissenschaft und Technologie und der Wirtschaft.

Beim Gipfel im September 2022 in Samarkand - wo Putin noch fast über den Tisch kriechen musste, um das Ohr des neuen Kaisers Xi zu bekommen - unterschrieben die Staatschefs die Rekordzahl von 40 Abkommen. Und das Bündnis könnte weiterwachsen. Die Türkei und Aserbaidschan nahmen am jüngsten Gipfel als Dialogpartner teil, Iran, die Mongolei und Weißrussland haben Beobachterstatus.

 

Der Westen schaut nicht nur zu

Zwar hat Peking bei seinen globalen Vorstößen auch schon Rückschläge erlitten. Das sogenannte 17+1-Format etwa, ein Forum mit 17 zentral- und osteuropäischen Ländern, zerfällt zusehends; mehrere Staaten sind bereits ausgestiegen.

Die etablierten Mächte des Westens sehen jedoch Xis Vorstößen nicht tatenlos zu und treten China mit eigenen Initiativen entgegen. Mit dem Sicherheitsdialog Quad etwa haben Indien, Australien, Japan und die USA ein Format geschaffen, das Demokratien im asiatisch-pazifischen Raum unter einem Dach vereint. Mit dem 2021 ins Leben gerufenen Militärbündnis Aukus, zu dem sich die USA, Australien und Großbritannien zusammengeschlossen haben, reagiert der Westen auf die zunehmende militärische Bedrohung Chinas.

Fraglich ist, ob die Welt dadurch einer Zweiteilung aus einer westlich geprägten Ordnung und einer einflussreichen, von China dominierten Ordnung entgegengeht. In weiten Teilen des sogenannten globalen Südens jedenfalls sind Xis Angebote hochwillkommen.

Dies wird von den G7, die in Hiroshima zusammenkamen, argwöhnisch verfolgt. Zur G7 gehören neben den USA auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada sowie die Europäische Union. Ein Treffen der Alten Welt also, denn es stellt sich die Frage, wie zeitgemäß die Institution des G-7-Gipfels überhaupt noch ist. Als sich die Gruppe 1975 gründete, stand sie noch für rund 60 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Heute sind es gerade einmal 31 Prozent, Tendenz weiter sinkend.

Von den „führenden Industrienationen“ kann nur noch die Rede sein, wenn man „westlich“ und „demokratisch“ hinzufügt, Italien und Kanada haben schon lange nicht mehr die notwendige Leistungskraft. Es mag weiter der Anspruch der G7 sein, die Weltordnung zu prägen. Erfüllen können sie ihn immer weniger. Nicht einmal die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in einer Demokratie. Statt auf die Prinzipien der Marktwirtschaft verlassen sich viele der aufstrebenden Schwellenländer auf die Macht des Staatskapitalismus. Es wäre daher nicht verwunderlich, wenn Länder wie China, Indien und Brasilien - aktuell Teil der G20 - einmal eine eigene Gruppe führender Industriestaaten bilden.

RCEP: Kräfteverhältnis in der Welt verschiebt sich

Das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Abkommen RCEP zeigt jedenfalls, wie sich die Kräfteverhältnisse verschieben: Die fünfzehn Länder aus der Asien-Pazifik-Region bilden die größte Freihandelszone der Welt. Die USA und die EU sind außen vor. Wenn auch selbstverschuldet, nicht gerade erfreulich für den Westen, der sich noch immer schwertut, das Ausmaß des eigenen Bedeutungsverlustes zu erkennen. Anzeichen und Beispiele gibt es viele.

So zeigen die in Hiroshima nochmals nachgeschärften Sanktionen gegen Russland und die Unterstützung der Ukraine zwar Wirkung. Dass aber viele wichtige Staaten dem westlichen Vorbild nicht folgen, sollte zu denken geben. Die oft beschworene multipolare Welt ist noch unübersichtlich. Doch klar ist jetzt schon, dass eurozentrisches Denken und kleinteiliges rein nationales Handeln den multiplen Krisen nicht mehr gerecht werden. Der Nahe Osten, wo nicht nur Syrien, sondern auch Iran zunehmend aus der Isolation findet, zeigt, wie vor allem die USA auf der Weltbühne an Gewicht verlieren.

Aufhalten lässt sich diese Entwicklung nicht, sie ist eine Folge der Globalisierung. Aber was konkret getan werden kann und muss, wie man damit umgeht, das sollte gerade in Deutschland mehr Aufmerksamkeit finden. Doch wie so oft scheinen wir mit etwas Wichtigerem beschäftigt, nämlich uns selbst, ach ja und Heizungen. Immerhin - denn „the heat is on“.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen