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Kunden unter neuer Flagge Wie viel ein Kundenbestand wert ist

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Mitunter würden Bestände allerdings auch nur in Teilen verkauft, berichtet Schmidt. Viele Kaufinteressenten zögen die vermeintlich lukrativeren Sachversicherungskunden vor – für die laut Studie im Mittel auch höhere Summen über den Tisch gehen. Kunden zum Beispiel von Lebensversicherungen oder Kapitalanlagen, die Maklern tendenziell niedrigere Courtagen und höhere Verlustrisiken einbringen, wechselten dann nicht mit zum neuen Vermittler. Sie würden gesondert verkauft oder verblieben weiter in der Obhut des ursprünglichen Maklers, erläutert Schmidt.

Es komme vor, dass sich für schlecht gepflegte und an moderne Standards kaum angepasste Bestände gar kein Käufer finde – ein schlimmes Ergebnis für Makler, die ihren Bestand als Basis für die eigene Altersversorgung eingeplant hatten. Im äußersten Fall gehen Verträge, die nicht in neue Obhut übertragen wurden, bei Tod des Maklers zunächst an die Versicherer über, mit denen sie geschlossen wurden. Die Unternehmen suchen den Kunden dann einen neuen Vermittler als Ansprechpartner.

Jeder zweite Bestandsverkauf erfolgt aus Altersgründen, fanden die Studienautoren heraus. Das bestätigt auch Schmidt aus seiner Praxis: Makler wollten meist dann ihre Kunden in andere Hände übergeben, wenn sie ihren Rückzug aus dem aktiven Berufsleben planten. Eine weitere Erkenntnis der Umfrage: Nur wenige Makler kaufen einen fremden Bestand, um damit eine berufliche Existenz aufzubauen. Stattdessen langen bei Verkaufsangeboten mehrheitlich bereits bestehende Makler zu, die ihr Geschäft erweitern wollen. Oft sind sie dem Anfangsstadium schon entwachsen und treten als Kapitalgesellschaften in Form etwa einer GmbH auf.

Boom bei Bestandsübertragungen

Als Großaufkäufer von Kundenbeständen tummelten sich am Markt unter anderem einige Insurtechs, berichtet Schmidt. Und auch Maklerpools. Sie verfolgten unterschiedliche Strategien: Einige übernähmen vorzugsweise ganze Unternehmen, andere vor allem Bestände. Mitunter seien sie auch auf ganz bestimmte Versicherungssparten spezialisiert. Unterschiede gibt es auch bei den Zahlungsbedingungen: Manche Pools zahlen ihren Vermittlern beim Bestandskauf die Kaufsumme als Einmalbetrag aus. Manche bieten im Gegenzug eine sogenannte Maklerrente an, also regelmäßige Zahlungen zu vorher festgelegten Bedingungen. Schmidt rät, Maklerrenten von vornherein in fester Höhe zu vereinbaren. Denn wenn die Auszahlungen sich an der jeweils aktuellen Courtagesumme bemessen, schrumpfen sie bei sinkenden Einnahmen – zum Nachteil für den Vermittler. Vor allem aus steuerlicher Sicht sei eine Einmalzahlung vorteilhafter, gerade für ältere Makler, die zusammen mit dem Bestand auch ihr Untenehmen verkauften, findet Schmidt. Denn ab einem Alter von 55 Jahren werde auf den Veräußerungsgewinn nur noch der halbe Einkommensteuersatz fällig. Außerdem gibt es bei Verkauf des Betriebs einen steuerlichen Freibetrag: Dieser liegt derzeit bei maximal 45.000 Euro.

Wieso vor allem erfahrene Marktteilnehmer und vergleichsweise wenige Greenhorns Bestände kaufen? Die Studienmacher führen das auf die komplizierten Rahmenbedingungen zurück. Das bestätigt auch Unternehmensberater Schmidt: „Durch Digitalisierung, Regulierungsmaßnahmen und schrumpfende Courtagen haben immer mehr Makler die Nase voll. Viele junge Leute ergreifen heute von vornherein lieber einen anderen Beruf.“

Kein Geheimnis ist: Finanz- und Versicherungsvermittler sind eine nicht eben junge Berufsgruppe. Das Durchschnittsalter verorten Beobachter bei deutlich über 50 Jahren. Rechtsanwalt Norman Wirth, Vorstand des Vermittlerverbands AfW, hat für den Altersschnitt sowie das damit zusammenhängende immer stärkere Interesse der Branche am Thema Nachfolgeregelungen eine interessante Erklärung. Er führt die Entwicklung auf die deutsche Einheit vor knapp 30 Jahre zurück: Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, erläutert Wirth, hätten viele junge Menschen aus den ostdeutschen Bundesländern auf der Suche nach Perspektiven den Weg in die Vermittlerbranche eingeschlagen. Die Generation verabschiede sich demnächst in den Ruhestand. Aktuell sei sie auf der Suche nach Nachfolgern. Seit etwa zwei Jahren erlebe das Thema Bestandsübertragung daher einen Boom.

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