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Globale Aktienmärkte Steigende Bewertungen und sinkende Risikoprämien lassen Aktien teuer erscheinen

New Yorker Börse: Rob Almeida zufolge zahlen Investoren derzeit einen Aufschlag für Aktien, obgleich die Unternehmensgewinne nicht steigen.
New Yorker Börse: Rob Almeida zufolge zahlen Investoren derzeit einen Aufschlag für Aktien, obgleich die Unternehmensgewinne nicht steigen. | Foto: Imago Images / Jürgen Schwenkenbecher

Robert M. Almeida,
Globaler Investmentstratege

Der Enthusiasmus für künstliche Intelligenz im Verbund mit rückläufigen Inflationszahlen und besseren Konjunkturdaten als befürchtet haben zum Anstieg der globalen Aktienmärkte in diesem Jahr beigetragen.   

Zugleich sind die Gewinnwachstumserwartungen schwach; zum Teil rechnen die Marktteilnehmer sogar mit leichten Rückgängen. Da die Aktienkurse steigen, die Gewinnerwartungen aber nicht, haben die Bewertungen zugelegt (Grafik 1). Investoren zahlen mehr, obgleich die Gewinne nicht steigen.

 

Grafik 1: Mehr für weniger

Die Risikoprämien sprechen die gleiche Sprache. Der erwartete Renditevorteil von Aktien gegenüber Staatsanleihen lag im langfristigen Durchschnitt bei 3 bis 5 Prozent. Da die Zinsen jetzt wieder normaler sind, die Marktzinsen den Leitzinsen folgen, die ab 2022 angehoben wurden, und Aktien in diesem Jahr stark gestiegen sind, sind die Risikoprämien jetzt so niedrig wie zuletzt während der Dotcom-Blase. Die Grafik 2 zeigt die negative Risikoprämie für den technologielastigen Nasdaq 100.

Grafik 2: Die Risikoprämien sind zu niedrig

Was wir von George Box lernen können

Viele der heutigen Investoren – professionelle ebenso wie private – haben ein solches Marktumfeld noch nie erlebt. Sie kennen nur steigende Märkte und ein System, das die Privatisierung von Gewinnen und Vermögen sowie die Vergesellschaftung von Kapitalverlusten in längeren schwierigen Marktphasen ermöglicht.  

Da viele Investoren zurzeit alle Warnsignale ignorieren, sollten wir das Ganze einmal aus einer anderen Perspektive betrachten. Der berühmte britische Statistiker George Box hielt alle Modelle für naturgemäß fehlerhaft, weil sie auf der Vergangenheit beruhen. Er meinte aber auch, dass es von Vorteil sei, diese Fehler zu kennen. Dann könne man nämlich die Gewichtung der einzelnen Parameter abhängig vom prognostizierten oder wahrgenommenen Umfeld variieren und Vergleiche mit der Vergangenheit anstellen. 

Kurs-Umsatz-Verhältnis

Als die Dotcom-Blase vor zwanzig Jahren platzte, waren viele der heutigen Investoren noch nicht am Markt tätig, aber den meisten von ihnen ist der Crash des Neuen Markts und das damalige Umfeld ein Begriff.

Woran man sich meist erinnert, sind die außergewöhnlich hohen Bewertungen von Unternehmen mit einem „.com“ oder „.net“ im Namen. Der enorme Kapitalzyklus, der durch das Internet entstanden ist, wird aber häufig vergessen. Für jeden Schreibtisch wurde ein Computer angeschafft und mit anderen über das Internet verbunden. Dank dieser Unternehmensinvestitionen sind Wirtschaft und Umsätze enorm gewachsen. Aber dessen ungeachtet waren die Bewertungen exorbitant, sodass Aktien trotz des gigantischen Wachstums sehr teuer waren, sogar gemessen am Kurs-Umsatz-Verhältnis.

Der Zyklus nach 2008 war dagegen völlig anders. Er hatte nichts mit Unternehmensinvestitionen zu tun. Deflationsangst, nachlassende Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und schwache Endverbrauchernachfrage sorgten dafür, dass die Unternehmen ihr Kapital nicht in Anlagegüter – zum Beispiel in Ausstattung – investierten, sondern stattdessen eigene Aktien zurückkauften, höhere Dividenden ausschütteten oder andere Unternehmen übernahmen. Die Folge war der schwächste Konjunkturzyklus seit über 100 Jahren, und das Umsatzwachstum war so dürftig wie noch nie. Dennoch entwickelten sich Aktien phantastisch, weil die Unternehmen durch Kosteneinsparungen bei zugleich fallenden Zinsen, die Auslagerung von Arbeit in Niedriglohnländer und immer weniger Anlageinvestitionen ihre Rentabilität steigern konnten. Aber diese Phase ging 2022 zu Ende, und mit den günstigen Auswirkungen der niedrigen Zinsen auf die Gewinne, den Auslagerungen und den zu geringen Investitionen ist es jetzt nicht nur vorbei. Hier sind sogar gegenläufige Trends entstanden.

Da viele Aktieninvestoren kurzfristig denken und weder nach links noch nach rechts schauen, könnten die auf Sicht der nächsten zwölf Monate erwarteten KGVs und Gewinnrenditen die Risiken verharmlosen. Ganz im Sinne von George Box zeigt die Grafik 3 die Entwicklung des Kurs-Umsatz-Verhältnisses des S&P 500 seit Mitte der 1990er-Jahre.

Grafik 3: Kurs-Umsatz-Verhältnis unterhalb des Spitzenwerts, aber immer noch hoch

Wie bereits erwähnt, waren Aktien selbst gemessen an dieser wachstumsabhängigen Kennzahl in den 1990ern trotz des starken Wachstums teuer. Angesichts des schwachen Wirtschafts- und Umsatzwachstums während des Zyklus nach 2008 überrascht es wenig, dass das KUV danach wieder gestiegen ist – auf Werte wie zuletzt auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase. 2021 ist es wegen des Wachstumsschubs nach den Lockdowns, ausgelöst von den staatlichen und geldpolitischen Maßnahmen, ein wenig zurückgegangen. Seitdem hat die Dynamik aber nachgelassen, und weil die Aktienkurse in diesem Jahr gestiegen sind, hat auch das KUV wieder zugelegt.

Fazit: Kapital und Arbeitskraft so knapp wie 2008, doch Aktien sind hoch bewertet

Gemessen an traditionellen Kennzahlen sind Aktien hoch bewertet. Das große Ganze ist allerdings komplexer. Die Zeit der niedrigen Kapitalkosten ist vorbei und die hohen aufgelaufenen Schulden werden teuer refinanziert werden müssen. Das belastet den freien Cashflow. Auch die niedrigen Lohnkosten gehören der Vergangenheit an. Die Lieferketten sind nicht mehr überlastet und es wird wieder mehr in nachhaltigere Geschäftsprozesse investiert.

George Box hat gesagt, dass Modelle grundsätzlich falsch, aber einige von ihnen nützlich sind. Ich denke, das gilt auch für Bewertungsmodelle. Jeder Konjunkturzyklus und jedes Marktumfeld ist anders. Diese Besonderheiten bestimmen, wie nützlich Bewertungskennzahlen sind und sie sind der Grund dafür, dass man verschiedene Parameter betrachten und ihre Fehler kennen sollte.

Wir stehen am Beginn einer neuen Zeit: Kapital und Arbeit sind so knapp wie zuletzt 2008; nicht alle Unternehmen werden genug verdienen können, um ihre neuen oder wieder normalen Faktorkosten bezahlen zu können; Zahlungsausfälle, Kapitalrestrukturierungen und Konkurse werden zunehmen.

Um gut durch diese neue Zeit zu kommen, braucht man andere Werkzeuge als zuletzt. George Box würde vermutlich sagen, dass man immer daran denken muss, dass alle Bewertungs- und Fundamentalanalysemodelle fehlerhaft sind, aber einige von ihnen nützlich. Um diesen Zyklus zu meistern, werden Investoren viel mehr Hausaufgaben machen müssen. Dabei könnte es hilfreich sein, möglichst eine Vielzahl von Werkzeugen für die Analyse der Bewertung und der Fundamentaldaten zu nutzen. 


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Die hier dargestellten Meinungen sind die des Autors/der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung oder Aufforderung zum Kauf eines Wertpapiers oder als Anlageberatung verstanden werden. Prognosen sind keine Garantien.

 

 

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