BGH-Urteil Anspruch auf Tagegeld – wann endet die ärztliche Behandlung?
Nach Ansicht des BGH lasse der Wortlaut der Klausel erkennen, dass es nicht auf den letzten Arztbesuch ankomme. Vielmehr zähle die Dauer der ärztlichen Behandlung. Selbst wenn zunächst auf das Handeln des Arztes abzustellen wäre, so seien regelmäßig auch etwaige vom Arzt angeordnet Behandlungsmaßnahmen einzubeziehen – wie etwa die Einnahme eines verschriebenen Medikaments oder die Durchführung einer verordneten Therapie.
Aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers werde die Dauer solcher Behandlungsmaßnahmen regelmäßig als Teil der ärztlichen Behandlung angesehen. Dies geschehe unabhängig davon, ob diese erst nach dem letzten Arztbesuch erfolgten, ob Dritte bei ihrer Durchführung tätig wurden oder inwieweit der Arzt Maßnahmen selbst spezifiziert oder ihre konkrete Ausgestaltung einem Dritten überlassen hat.
Unerheblich sei aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch, ob nach der verordneten Therapie ein...
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Nach Ansicht des BGH lasse der Wortlaut der Klausel erkennen, dass es nicht auf den letzten Arztbesuch ankomme. Vielmehr zähle die Dauer der ärztlichen Behandlung. Selbst wenn zunächst auf das Handeln des Arztes abzustellen wäre, so seien regelmäßig auch etwaige vom Arzt angeordnet Behandlungsmaßnahmen einzubeziehen – wie etwa die Einnahme eines verschriebenen Medikaments oder die Durchführung einer verordneten Therapie.
Aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers werde die Dauer solcher Behandlungsmaßnahmen regelmäßig als Teil der ärztlichen Behandlung angesehen. Dies geschehe unabhängig davon, ob diese erst nach dem letzten Arztbesuch erfolgten, ob Dritte bei ihrer Durchführung tätig wurden oder inwieweit der Arzt Maßnahmen selbst spezifiziert oder ihre konkrete Ausgestaltung einem Dritten überlassen hat.
Unerheblich sei aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch, ob nach der verordneten Therapie ein weiterer Arztbesuch zur Erfolgskontrolle stattfinde, bei dem der Arzt den Patienten ausdrücklich aus seiner Fürsorge entlässt, oder ob die verordnete Behandlung ohne einen solchen Kontrollbesuch ende, so der BGH.
Woran sich der Versicherungsschutz bemisst
Die Bundesrichter führten weiter aus, dass bei diesem Verständnis den Versicherungsnehmer der für ihn erkennbare Zweck des Tagegeldes schütze. Nach Ziffer 2.5.1 AUB 2008 müsse der Versicherer demnach Tagegeld zahlen, wenn die versicherte Person unfallbedingt in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt und in ärztlicher Behandlung ist. Sind nach dem ärztlichen Behandlungsplan Medikamente einzunehmen oder Therapien durchzuführen, sehe der Versicherte diese Maßnahmen regelmäßig als der Wiederherstellung oder Besserung der Arbeitsfähigkeit dienlich und daher vom Tagegeld umfasst.
Der Kläger werde auch kein abweichendes Verständnis der Klausel in Erwägung ziehen. Er werde vielmehr erkennen, dass er nach den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen Anordnungen des behandelnden Arztes zu befolgen habe. Andernfalls könnte der Versicherungsschutz entfallen oder die Versicherungsleistung gekürzt werden. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde zu solchen Anordnungen auch eine Verordnung des behandelnden Arztes zählen, die auf den letzten Arztbesuch folgen soll. Das werde nach Ansicht des Senats den Versicherten darin bestärken, diese Maßnahmen regelmäßig der ärztlichen Behandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen zuzurechnen.
Diese Auslegung entspreche der in der Rechtsprechung und im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung, die auf den Abschluss der ärztlichen Therapie abstellt. Die Dauer einer Medikation oder therapeutischen Maßnahme zähle dazu.
Im Ergebnis, folgert der BGH, ist der in Ziffer 2. 5 AUB 2008 verwendete Begriff der Dauer der ärztlichen Behandlung durchaus nicht unklar im Sinne von Paragraf 305c Abs. 2 BGB.
Praxishinweis
Das Urteil des Bundesgerichtshofs überzeugt. Die Gegenauffassung, der sich das Berufungsgericht (OLG Nürnberg) angeschlossen hat – dass nämlich eine ärztliche Behandlung stets mit dem letzten Arztbesuch endet – vermag dagegen nicht zu überzeugen. Entscheidend ist hier vielmehr die persönliche Begegnung zwischen Patient und Arzt. Daher ist es zutreffend, den Maßstab eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers heranzuziehen. Folgerichtig ist daher die Ausführung des Senats, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den ärztlichen Behandlungsplan im Hinblick auf einzunehmende Medikamente oder durchzuführende Therapien regelmäßig als Teil der ärztlichen Behandlung ansehen kann.
Über den Autor:
Björn Thorben M. Jöhnke ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Er ist Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Weitere Urteilsbesprechungen zum Versicherungsrecht finden Sie hier.