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Ausblick 2020 Europas Wachstum könnte positiv überraschen

Vincent Hamelink, CIO Candriam

Das Jahr 2019 war von einer deutlichen Abkühlung der Weltkonjunktur geprägt: Das Wachstum sank auf 3 Prozent und war damit so schwach wie seit der großen Finanzkrise nicht mehr. Hauptverursacher dieses Rückgangs, von dem fast drei Viertel der Weltwirtschaft betroffen waren, sind die Handelsspannungen zwischen den USA und China. Ebenfalls eine Rolle spielten die lokalen Wirtschaftskrisen in Schwellenländern wie Argentinien, der Türkei und Venezuela sowie die Probleme des europäischen Automobilsektors und die mit den Brexitverhandlungen verbundene Unsicherheit.

Der Handelskonflikt: Auch 2020 eine Wachstumsbremse

Der US-chinesische Handelskonflikt hat die wirtschaftlichen Gegebenheiten grundlegend verändert, indem er der die Planungssicherheit von Unternehmen reduziert hat. Darüber hinaus hat der Konflikt stark zur Abschwächung des Welthandels und der Unternehmensinvestitionen beigetragen. Am stärksten war erwartungsgemäß China betroffen. Aber auch die USA blieben von den Auswirkungen nicht unberührt: Dort haben etwa die Exporte und die Investitionen in Ausrüstungsgüter deutlich nachgelassen.

Dieser Handelskrieg ist also für die USA weder „gut“ noch „leicht zu gewinnen“, wie es US-Präsident Donald Trump vielleicht glauben machen wollte. Und selbst wenn in Kürze ein Waffenstillstand zwischen dem amerikanischen Präsidenten und Chinas Staatschef Xi Jinping vereinbart würde, wäre die völlige Auflösung der mit dem Handelskrieg verbundenen Unsicherheit unwahrscheinlich.

China: Hat die Volksrepublik aufgegeben?

In Anbetracht der Turbulenzen im Handel und der konjunkturellen Abschwächung war die Politik Chinas von besonderer Zurückhaltung gekennzeichnet. Zwar hat Peking die Kreditbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen erleichtert und beispielsweise den Immobiliensektor und den Automobilsektor mit Investitionen unterstützt. Aber im Gegensatz zu den Jahren 2015 und 2016 zielte die Stimulierung diesmal weniger auf eine Wachstumssteigerung als vielmehr auf die Vermeidung eines plötzlichen Wirtschaftsaufschwungs ab.

Hinzu kommt: Vor dem Hintergrund der anhaltenden Spannungen mit Washington wird sich Peking unserer Meinung nach auch im neuen Jahr zurückhaltend zeigen: Das Wachstum wird seine Verlangsamung fortsetzen und leicht unter 6 Prozent fallen. Dagegen dürfte die Konjunktur in den übrigen Schwellenländern 2020 wieder leicht an Fahrt aufnehmen. In den meisten dieser Regionen haben die Zentralbanken auf die anhaltenden Handelsschwankungen und das langsamere Wachstum der Weltwirtschaft mit einer Lockerung der Geldpolitik reagiert. Erste Ergebnisse werden sich 2020 zeigen.

USA: Verlangsamung aber keine Rezession

Die US-amerikanische Wirtschaft ist keine Ausnahme mehr. Genau wie die anderen großen Volkswirtschaften hat sich auch das US-Wachstum abgeschwächt. Der Konsum bleibt zwar dynamisch. Dennoch haben die US-Exporte unter dem schlechteren internationalen Umfeld und der Stärke des US-Dollars gelitten.

Vor allem die Investitionen in Ausrüstungsgüter sind deutlich zurückgegangen: Den Unternehmen fehlt die Planungssicherheit, weswegen sie ihre Projekte lieber zurückstellen. Die US-Notenbank Federal Reserve (FED) hatte angesichts des Gegenwinds kaum eine Wahl: Bis zum Ende des Jahres 2018 wurden die Zinssätze regelmäßig angehoben.

Um die von der Budgetpolitik Donald Trumps angeheizte Wirtschaft zu bremsen und nicht über die Vollbeschäftigung hinauszutreiben, musste diese Politik umgekehrtrt werden. Erst die daraus resultierende geldpolitische Lockerung regte die Binnennachfrage spürbar an. Sie dürfte das Potenzial besitzen – zusammen mit den immer noch starken Lohnsteigerungen – die Rezession zu vermeiden, auch wenn sich das Wachstum 2020 weiter abschwächen wird.

Euroraum: Warten auf den Aufschwung

Das Wirtschaftswachstum in Europa hat sich innerhalb weniger Quartale deutlich abgeschwächt: Ende 2017 betrug es noch knapp 3 Prozent, im Herbst 2019 lag es kaum über 1 Prozent. Bei diesem Rückgang spielten sowohl konjunkturelle als auch strukturelle Faktoren eine Rolle, etwa die US-chinesischen Handelsspannungen, die zähen Brexitverhandlungen, aber auch die fortwährenden Schwierigkeiten im Automobilsektor. Größtenteils kam die Verschlechterung, insbesondere in Deutschland, von außen.

Unser Ausblick für 2020 ist nicht wesentlich besser, aber die Rezession dürfte wohl vermieden werden: Unsere Wachstumserwartung für Europa liegt bei etwa 1 Prozent. Bei einem geringeren geldpolitischen Spielraum setzt die Ankurbelung in Europa allerdings einen Richtungswechsel in der Budgetpolitik voraus. Hier ruhen unsere Hoffnungen auf der Kommission der Europäischen Union (EU-Kommission) und dem ehrgeizigen Plan, den die neue Präsidentin Ursula von der Leyen vorgelegt hat.

Aktien: aussichtsreicher als Anleihen und Cash

Als Konsequenz daraus antizipieren wir für 2020 eine Phase der Stabilisierung bei den Zinssätzen etwa auf derzeitiger Höhe. In unserer Allokation bei Anleihen bleiben wir bei Staatsanleihen untergewichtet. Stattdessen ziehen wir weiterhin eine Renditensuche über Anleihen aus Schwellenländern vor, insbesondere bei Unternehmens- und Staatsanleihen in lokaler Währung.

Dennoch dürften 2020 die allgemeinen Renditen in allen Anlageklassen relativ niedrig ausfallen. Vor diesem Hintergrund bieten unserer Einschätzung nach Aktien nach wie vor eine aussichtsreiche Risikoprämie, weshalb wir sie weiterhin Anleihen und Liquidität vorziehen. Was die Unternehmensgewinne angeht, so dürften diese im neuen Jahr leicht steigen, jedoch weit weniger als von den Analysten derzeit erwartet.

Davon unbeeindruckt dürften sich die Aktienbewertungen zeigen, die vom Niedrigzinsumfeld und einem Kontext der allgemeinen wirtschaftlichen Stabilisierung unterstützt werden. Insbesondere Aktien von Nicht-US-Unternehmen könnten durch die Veröffentlichung der korrigierten Wirtschaftskennzahlen für Europa und die Schwellenländer von einem chancenreicheren Aufwertungspotenzial gestützt werden.

Den kompletten Ausblick finden Sie hier.

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