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Nachgefragt im Vertrieb Baufi-Boom zu Ende – das berichten Vermittlerfirmen

Handwerker beim Bau eines Mehrfamilienhauses
Aktuell schwer zu bekommen: Handwerker beim Bau eines Mehrfamilienhauses | Foto: imago images/Markus Matzel

Wer eine Wohnung kaufen oder ein Haus bauen wollte, konnte das jahrelang zu freundlichen Bedingungen tun: Kredite waren äußerst günstig zu haben. Bei einem Hauptrefinanzierungssatz („Leitzins“) der EZB von 0 Prozent kostete ein zehnjähriger Baukredit zeitweise weniger als 1 Prozent Zinsen. Noch Ende 2021 war das so. Gleichzeitig stiegen die Immobilienpreise in immer luftigere Höhen.

Beide Trends haben sich mittlerweile umgekehrt. Wobei Immobilien nur an einigen Orten Deutschlands günstiger geworden sind, und das auch nur zaghaft – die Preise bewegen sich weiter auf hohem Niveau. Vor allem jedoch sind Immobilienkredite teurer geworden. Mittlerweile liegt der Leitzins im Euroraum bei 3,75 Prozent, und eine zehnjährige Baufinanzierung schlägt mit durchschnittlich 3,9 Prozent Zinsen zu Buche, wie der Immobilienkreditspezialist Interhyp ermittelt hat.

Wenig erstaunlich, dass es immer weniger Verbraucher gibt, die einen Immobilienkreditvertrag abschließen. Und wenn, dann ist die aufgenommene Kreditsumme oft niedriger als noch zwei Jahre zuvor.  

Baufi-Kreditbestand geht erstmals seit Langem wieder zurück 

„Das Ende des Baufi-Booms“, betitelt das Beratungsunternehmen Barkow Consulting eine aktuelle Grafik zur langfristigen Entwicklung am Baufinanzierungsmarkt. Der jüngste Einbruch bei den Krediten ist dort deutlich zu erkennen. Die Daten beziehen sich auf das Geschäft von Volksbanken und Sparkassen – beides wichtige Anlaufstellen, wenn Verbraucher in Deutschland Geld aufnehmen wollen, um Wohneigentum zu kaufen. Konkret hat man bei Barkow Consulting den Netto-Kreditbestand von Baufinanzierungen jeweils gegenüber dem Vorquartal gemessen.

Grafik zur Volumensentwicklung bei der Baufinanzierung
Grafik zur Volumenentwicklung bei der Baufinanzierung © Barkow Consulting

Im Fall der Sparkassen (blaue Linie) ist der Kreditbestand im ersten Jahresquartal 2023 demnach erstmals seit Langem in den negativen Bereich gerutscht, also geschrumpft – um 0,8 Milliarden Euro. Der Rückgang war sogar stärker als der Einbruch 2009, als Verbraucher mit den Nachwehen der internationalen Finanzkrise zu kämpfen hatten. Und auch bei den Volksbanken gab es nur noch einen Minizuwachs.

Nun ist das erste Quartal eines jeden Jahres mit Blick auf das Baufinanzierungsvolumen traditionell schwach, wie man bei Barkow erläutert. Auch könnte es im zweiten Quartal schon wieder nach oben gehen. Dennoch sieht man dort den Markt an einem Wendepunkt angelangt. „Die fetten Wachstumsjahre sind wohl erstmal vorbei“, heißt es von Barkow Consulting.

Rückgang bei Baukrediten – das berichten Vermittlerbetriebe

Soweit die Daten und die Theorie. Aber wie erleben Praktiker diese Trendumkehr – also jene, die die Baufi-Kunden direkt vor sich sitzen haben? Wir haben bei zwei großen Vermittlungsunternehmen für Immobilienfinanzierung nachgefragt.

„Wir nehmen wahr, dass das Thema Immobilienkauf derzeit mit vielen Unsicherheiten und Ängsten verbunden ist“, beschreibt Mirjam Mohr die Stimmung. Mohr ist Vorständin für das Privatkundengeschäft beim Vermittlerunternehmen für Immobilienfinanzierungen Interhyp. Die aktuelle Situation auf dem Immobilienmarkt sei für die Kunden „herausfordernd“. Dennoch möchte man der Entwicklung auch Positives abgewinnen: Der Immobilienmarkt habe sich innerhalb kürzester Zeit „von einem Verkäufermarkt hin zu einem Käufermarkt gewandelt“, meint Mohr. Denn mittlerweile hätten Kaufinteressenten wieder eine größere Auswahl an Angeboten.

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Durch die entspanntere Lage am Immobilienmarkt hätten sie außerdem mehr Zeit, um über konkrete Angebote nachzudenken. Zudem säßen sie als Verhandlungspartner in einer günstigen Position: Immer häufiger gelinge es, Kaufpreise nach unten zu drücken, beobachtet Mohr – „sei es ein Abschlag auf den Preis, sei es eine Berücksichtigung von Sanierungsbedarf, ein günstigerer Tiefgaragenstellplatz oder auch ein Nachlass in der Maklerprovision“.

Einen Einbruch beim Baufinanzierungsvolumen beobachtet man auch beim Baufinanzierungsspezialisten Dr. Klein. Laut dem Niederlassungsleiter Lübeck, Henning Ludwig, geht die Nachfrage nach Immobilienkrediten vor allem im Bereich der Neubauten zurück, bei Käufen über Bauträger wie auch bei privaten Bauvorhaben. Wer dennoch einen Kreditvertrag abschließt, schraubt oft seine Ansprüche zurück: Auch die Kreditsummen sind zuletzt im Mittel gesunken. „2022 haben Kreditnehmer durchschnittlich 370.670 Euro für eine Baufinanzierung aufgenommen, rund 5 Prozent weniger als noch im Jahr zuvor“, berichtet Ludwig.

Der Baufinanzierungsspezialist weiß auch, an welchen Enden Immobilieninteressenten zuerst sparen: „Die einen sind bereit, weiter aus den Ballungszentren rauszuziehen, die anderen, auf ein paar Quadratmeter zu verzichten.“ Auch die Banken seien vorsichtiger geworden: „Einige Kreditinstitute haben ihren maximalen Finanzierungsrahmen nach unten angepasst, und es werden seltener Vollfinanzierungen angeboten“, beobachtet Ludwig. 

Immobilienkredite – warten auf günstigere Zeiten 

Das Interesse, eine Immobilie zu kaufen, sei bei vielen Verbrauchern durchaus weiterhin vorhanden, heißt es von Dr. Klein. Viele Kaufinteressierte warteten jedoch lieber ab. Denn es erscheint unklar, wie Zinsen und Immobilienpreise sich weiter entwickeln werden.

Auf Zinsseite setzt die Europäische Zentralbank den maßgeblichen Impuls: Steigen die Leitzinsen noch weiter als bisher, wird sich auch die Immobilienfinanzierung weiter verteuern. Sollte der Erhöhungszyklus bald wieder beendet sein und sinken die Zinsen dann erneut, dürften mit etwas Zeitabstand auch die Banken nachziehen. Baukredite gäbe es dann wieder günstiger.

Der größere Faktor X sind allerdings die Preise für Wohneigentum. Diese waren zuletzt deutschlandweit vielerorts leicht gesunken. Doch wie geht es weiter?

Die höheren Finanzierungskosten haben die Nachfrage zuletzt gedrückt – was die Preise sinken lässt. Andererseits sind die Kosten für Bauen und Renovieren in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. So machen nicht nur die Preissteigerungen im Schlepptau des Ukrainekriegs, sondern auch die neuen Energieeffizienzregeln das Bauen und Nachrüsten teurer. Baumaterial und auch Handwerkerleistungen haben sich deutlich verteuert. Ganz zu schweigen davon, dass es mitunter schwer wird, überhaupt einen Handwerker zu finden. Denn viele Handwerksbetriebe werden mit Anfragen zu Dämmung und neuen Heizsystemen aktuell überrannt. Gleichzeitig mangelt es der Branche an Nachwuchs.

Neben den bauspezifischen Preisen machen weiterhin natürlich auch die allgemein gestiegenen Preise  Verbrauchern zu schaffen – was sich ebenfalls auf die Immobilienkäufe auswirkt. „Die Lebenshaltungskosten sind aufgrund der Inflation derzeit sehr hoch“, erinnert Ludwig. Potenzielle Bauherren und Immobilienkäufer halten sich auch dadurch tendenziell zurück.

Bei Dr. Klein gibt man sich dennoch zuversichtlich. „Sobald wieder mehr Stabilität und Planungssicherheit eintreten, rechne ich damit, dass sich Angebot und Nachfrage auf einem neuen Preisniveau einpendeln werden“, schätzt Baufinanzierungsspezialist Ludwig. Für Verbraucher wären nachhaltig niedrigere Preise bei Immobilien vermutlich eine hochwillkommene Botschaft.

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