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Aktualisiert am 20.03.2020 - 17:42 Uhrin AnalysenLesedauer: 6 Minuten

Coronavirus und ungesundes Framing „Aus dem Schlagzeilen-Wust das Seriöse vom Unseriösen unterscheiden“

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Doch es wird ab hier noch komplizierter. Denn auch der Berater hat seine eigene Deutung der Dinge - wie auch die Investmentgesellschaften, die die Fonds und ETFs auflegen. Anleger laufen also Gefahr, dass sie im Frame der Berater, Vertriebe und Fondsgesellschaften gefangen werden. 

Es ist keine Lösung, den Medien zu misstrauen und kritiklos den Frame der anderen Seite, der Investment-Industrie und der Vertriebsorganisationen, zu adoptieren und deren Marktkommentare und Ratschläge als objektiv zu akzeptieren. Vertriebe sind überwiegend provisionsgetrieben. Sie wollen verkaufen, zumindest jedoch sicherstellen, dass die Anleger investiert bleiben. Sie arbeiten auf eigene Rechnung, und die geht auf, wenn der Anleger bei der Stange bleibt.

Natürlich raten auch Fondsanbieter fast immer zum Kauf ihrer Fonds und ETFs. Denn natürlich sind auch sie Gewinn-orientierte Unternehmen. Ich kenne kaum Beispiele von Fondshäusern, die explizit von einem Investment in ihre Fonds abgeraten hätten, als die Märkte Schlimmes in petto hatten. (Vincent Strauss, einer der Gründer des französischen Fonds-Hauses Comgest, der sich vor einigen Jahren in den Ruhestand verabschiedet hat, galt als einer dieser seltenen Spezies.) 

Auch Banken und Broker verfolgen ureigene Interessen. Sie wollen zu Transaktionen animieren, seien es Käufe oder Verkäufe. Insofern sollten Anleger auch den Rat dieser Akteure nicht als objektiv ansehen. Auch hier handelt es sich um Gewinn-orientierte Unternehmen, die Einnahmen aus Transaktionen (und Bestandsvermögen) generieren.

(Und natürlich ist auch Morningstar ein Gewinn-orientiertes Unternehmen, das Research und Daten verkaufen will. Auch wenn ich hier längst nicht mehr objektiv bin, stehe ich dennoch zur These, dass das Geld, das Anleger für qualifiziertes Research ausgeben, gut investiert ist.)

Fazit: Achte auf den Frame

Die meisten Untersuchungen über Anlegerpsychologie verweisen auf typische Anlegerfehler. Das ist gut und richtig, aber die Anlegerpsychologie lässt sich durchaus weiter fassen. Die Beschäftigung mit dem Verhalten von Medien in der vergangenen Woche hat uns gelehrt, uns kritisch mit dem Rahmen, dem Frame, den die Medien in ihrer Berichterstattung schaffen, auseinanderzusetzen. Auch wenn einige Medien professionell agiert haben, ist leider zu konstatieren, dass der dramatische Frame prägend für die Deutung der Börsen-Ereignisse in der letzten Woche war.

Wörter wie „Korrektur“, „Kursverluste“ zu verwenden, war OK, weil es sich um Fakten handelte. Unkommentierte Parallelen zu 2008 oder 1929 zu ziehen oder Wörter wie „Crash“ oder „Absturz“ zu verwenden, war dagegen definitiv nicht OK. Hier war Panikmache im Spiel.

Der Frame erstreckt sich auch auf Bilder uns Illustrationen. Die Entscheider in den Medien müssen kritisch reflektieren, inwiefern die Bildelemente, die sie zur Untermalung ihrer Texte verwenden, nicht auch schon ein unzulässiges Framing darstellen. Was will uns der mimisch begabte Kursmakler vor blinkend roten Kurstafeln suggerieren? Muss man den unbedingt in das Rampenlicht rücken?

Die Märkte haben ihre eigenen Gesetze, die sich nur begrenzt durch das Starren auf Tageskurse erfassen lassen. Die erfolgreichsten Investoren agieren langfristg. Vermutlich ist es für ängstliche Gemüter am besten, sich in unruhigen Börsenzeiten von den Tagesmedien und dem Internet fernzuhalten und allenfalls einmal wöchentlich den guten alten Teletext zu bemühen. Nüchterner und Fakten-orientierter geht es kaum.


Über den Autor:
Ali Masarwah ist als Chefredakteur für die deutschsprachigen Seiten des Research-Hauses Morningstar verantwortlich.

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