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Aktualisiert am 20.03.2020 - 17:41 Uhrin MeinungenLesedauer: 4 Minuten

Der große Ölpreis-Kollaps Über die Hintergründe und wie es weitergeht

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Nun mag man den offiziellen Angaben Pekings nicht trauen. Aber die Aussagen westlicher Unternehmen weisen in dieselbe Richtung. So sagte BMW-Chef Oliver Zipse vor Kurzem laut Handelsblatt, dass in China bereits 450 von 500 Händlern wieder geöffnet hätten. Die Produktion in den chinesischen Fabriken ist schon Mitte Februar wieder angelaufen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schätzt, dass Anfang März die Produktionsauslastung in China insgesamt schon wieder bei 60 bis 70 Prozent lag. Und sie dürfte in den kommenden Wochen weiter steigen. Denn nach Angaben von BCA Research übertreffen die Auftragseingänge derzeit deutlich die Produktion.

Ein wesentlicher Grund für das schrittweise Hochfahren der chinesischen Industrie ist die zunehmende Lockerung der Reisebeschränkungen. Rund 20 Provinzen haben mittlerweile den Alarmstatus wieder um ein oder zwei Stufen gesenkt. Dadurch kann das Heer der Millionen Wanderarbeiter schrittweise wieder an die Arbeitsstätten zurückkehren.

Peking versucht mit Macht die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Regierung braucht in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von rund 6 Prozent. Ansonsten ist das proklamierte Ziel in Gefahr, das Pro-Kopf-Einkommen in diesem Jahr gegenüber 2010 zu verdoppeln. Diese Vorgabe stammt immerhin von der Kommunistischen Partei selbst. Auch die westlichen Industrieländer werden versuchen, durch verschiedene geldpolitische und fiskalische Maßnahmen die Konjunktur zu stützen. Die Zinssenkung der amerikanischen Fed Anfang März war sicherlich erst der Anfang.

Kaum noch Neuinfizierte

Für eine Normalisierung in der Volksrepublik spricht auch, dass dort mittlerweile sehr viel weniger Menschen von dem Corona-Virus neu befallen werden als noch vor wenigen Tagen. Überträgt man den Verlauf der Epidemie auf die westlichen Industrieländer, könnte hier der Höhepunkt zwischen Mitte April und Mitte Mai erreicht werden. Die schlimmsten wirtschaftlichen Corona-Folgen könnten somit schon im zweiten Quartal ausgestanden sein. Unter dem Strich könnte also die Nachfrage nach Öl erstens nur temporär und zweitens möglicherweise auch nicht so stark einbrechen wie derzeit befürchtet.

Sobald zunehmend mehr amerikanische Schieferöl-Produzenten Insolvenz anmelden und gleichzeitig die guten Nachrichten aus China die schlechten übersteigen, könnte der Ölpreis wieder nach oben drehen. Das gilt vor allem dann, wenn sich die Rezessionsängste als übertrieben erweisen. Für einen solchen Verlauf könnte sich die Phase Ende 2018/Anfang 2019 als Blaupause erweisen.

Über den Autor:
Norbert Hagen ist Vorstandsvorsitzender und Fondsmanager der ICM Investmentbank. Das Institut wurde
1999 als Buyout der HypoVereinsbank-Gruppe gegründet und verwaltet rund 500 Millionen Euro an Kundengeld.

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