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Die Kunst des Fondsmanagements Warum Brexit und Donald Trump Anleger nicht beunruhigen sollten

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Ein aktuelles Beispiel ist der Handelsstreit zwischen den USA und China. Gewiss gibt es viele Herangehensweisen an dieses Thema und die Interessenlage, insbesondere innerhalb der USA, ist nicht eindeutig. Aber die folgende Abwägung, wer in diesem Spiel die besseren Karten hat, erklärt das bisherige Geschehen relativ gut: Trump, der im nächsten Jahr wieder gewählt werden möchte und seinen Anhängern bislang wenig vorzuweisen hat – wo bleibt die Mauer? – und das Versprechen vorteilhafter Handelsbeziehungen und eines wirtschaftlichen Aufschwungs zum Markenkern gemacht hatte, oder Xi, der mit seinem Volk und seiner Partei im Grunde machen kann, was er will. In dieser Situation greift die alte Wirtschafts-Weisheit: If you want a deal badly, you get a bad deal. Diese Überlegung legt es nahe, dass Trump, der eine Rezession im Wahljahr um jeden Preis vermeiden möchte, den Deal dringender braucht als Xi und dass die Amerikaner sich daher vermutlich bald auf einen kosmetisch schönen, aber inhaltlich leeren Deal einlassen werden. In der Auseinandersetzung mit den Europäern steht es nicht viel anders. Realitäten haben die Tendenz, sich irgendwann gegen die Rhetorik durchzusetzen. Es besteht also kein Grund, die Aktienquoten auf Grund der Furcht vor einem Handelskrieg zu reduzieren.

Ähnliche Überlegungen führen dazu, den Brexit entspannter zu sehen als es in den Medien generell geschieht. Keine der derzeit vorliegenden Austrittsvarianten (No-Deal oder der May-Deal) sind im Interesse eines nennenswerten Teils der Bevölkerung. Die politischen Wettmärkte vertreten daher schon seit langer Zeit die Auffassung, dass das Vereinigte Königreich auch im April 2019 noch zur Europäischen Union gehören wird. Der mit einem Austritt verbundene Vermögens- und Bedeutungsverlust kann nur demjenigen egal sein, der entweder viel Geld hat oder am staatlichen Tropf hängt. Diese Bevölkerungsgruppen sind aber nicht groß genug, um auf Dauer die Linie vorzugeben. Wir können daher das Drama im Parlament getrost als Unterhaltung ansehen und uns in unserer Kundschaftertätigkeit auf tatsächliche Verschiebungen in der Interessenlage konzentrieren. Dies sind Beispiele für aktuelle Interessenlagen, die es täglich zu sortieren gilt und die sich auch kurzfristig ändern können.

Wichtiger noch ist aber die Weltsicht, die eine langfristige, das Tages- und sogar das Jahresgeschäft überspannende Theorie ist.

Das ist das große Gerüst der wirtschaftlichen Realitäten, in dem die einzelnen Interessenskonstellationen ihren wechselnden Platz finden und in dem Brexit und Trump und Xi nur Fußnoten sind. Darin geht es um die großen Zyklen von Innovation und Stagnation, um Aufbruch und Verknöcherung, um das Keimen und Vergehen von großen Ideen, um die Verschiebung von wirtschaftlichen und politischen Gewichten auf der Welt.

Die Kunst des Fondsmanagements besteht darin, den Übergang zwischen Theorie und Praxis, die Übersetzung abstrakter Regeln im täglichen Handeln zu meistern. Dies leistet bei Kant die Urteilskraft. Die Fähigkeit zu Urteilen ermöglicht es uns erst, unsere Regeln, Einsichten und Theorien in der Welt anzuwenden. Ohne sie legt man besser kein Geld an und muss sich zurückhalten, wie etwa Oliver Kahn auf die Frage, ob ein Tor auf seine Kappe gegangen sei: „Darüber muss sich jeder Einzelne ein Urteil machen. Ich mache das jedenfalls nicht.“ So leicht hat es unsereiner leider nicht.

Die Marktbedingungen bleiben unterdessen freundlich, die positive Tendenz in Aktien und Unternehmensanleihen wird uns noch eine Weile begleiten. Für diese Annahme sprechen eine Reihe guter theoretischer Gründe. Als Fondsmanager müssen wir uns derzeit hauptsächlich um die Umsetzung Gedanken machen, um die Auswahl der geeigneten Papiere. In den nächsten Monaten dürfte also in der Hauptsache die Urteilskraft gefragt sein.

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