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Eyb & Wallwitz Von der Wahrscheinlichkeit des Helikoptergeldes

Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer bei Eyb & Wallwitz: „Die Zinsen werden nicht angehoben werden; weder in Europa noch in den USA.“
Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer bei Eyb & Wallwitz: „Die Zinsen werden nicht angehoben werden; weder in Europa noch in den USA.“ | Foto: Eyb & Wallwitz

Dem Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) steht ein einfaches Mittel zur Verfügung, um die Lust am Sparen (die einen deflationären Effekt hat) zu dämpfen, die direkte Finanzierung des Staates, der Unternehmen oder der Privathaushalte durch die EZB. Die Zentralbank würde damit die Kreditvergabe durch die Geschäftsbanken umgehen, indem sie Geld direkt auf die Konten des Staates und/oder der Bürger bucht. Allgemein nennt man diese direkte finanzielle Versorgung des Staates und der Bevölkerung „Helikoptergeld“, denn sie wirkt so, als würde man Geldscheine aus Helikoptern auf das Land regnen lassen.  Dies ist ein prinzipiell einfaches Mittel, das aber angesichts der schwierigen Natur des Gegners nur mit größter Vorsicht eingesetzt werden sollte.

Grob vereinfacht gesagt, besteht das Problem der EZB darin, dass die Sparfreude in der Eurozone derart groß ist, dass die Ausweitung der Geldmenge (+ 28 Prozent seit 2013) nicht geholfen hat, die Inflationsrate dem erklärten Ziel von 2 Prozent p.a. nahe zu bringen. (Die Teuerungsrate in der Eurozone lag in den letzten fünf Jahren bei durchschnittlich 0,9 Prozent – das ist nach allgemeiner Auffassung zu wenig für das Wohlergehen der Wirtschaft). Das Geld wird einfach nicht in den Konsum oder in Investitionen gesteckt. In Deutschland geht die Sparneigung sogar so weit, dass sowohl der Staat als auch die Unternehmen und der private Sektor Überschüsse erzielen (die dann notwendigerweise ins Ausland fließen müssen). Und wenn die Sparneigung nur groß genug ist, reicht auch das billigste Kreditangebot nicht, um Investitionen zu Wachstum anzukurbeln. Das beste Beispiel ist der deutsche Staat, der sich zu negativen Zinsen verschulden kann, einen erheblichen Investitionsstau vorzuweisen hat und dennoch im ersten Halbjahr 2019 einen Überschuss von 45 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Wer einfach nur spart und nicht an die Zukunft denken möchte, dem ist mit niedrigen Zinsen nicht zu helfen.

Geld auf Konten buchen bis die Lust am Sparen vergeht

Die Zentralbank könnte also so lange so viel Geld auf die Konten des Staates oder der Bürger buchen, bis ihnen die Lust am Sparen vergeht, sie das Geld ausgeben und die Preise zu steigen beginnen. Das Helikoptergeld ist nicht gut beleumundet und wird insbesondere von sparsamen Nationen wie Deutschland rundheraus abgelehnt. So wurde auch die direkte Staatsfinanzierung durch die EZB bei deren Gründung explizit ausgeschlossen. (Wenn die EZB heute Staatsanleihen kauft, zeichnet sie niemals Neuemissionen, sondern erwirbt nur Anleihen, die ein Dritter bereits im Portfolio hatte).

Als abschreckendes Beispiel dient die direkte Finanzierung des deutschen Staates durch die Reichsbank im ersten Weltkrieg bis 1923. Anfänglich, in den Jahren 1917/18 wirkte sich die Geldvermehrung kaum auf die Preise aus, denn die Zeiten waren hart und viele Menschen erhöhten ihre Sparguthaben, um wenigstens ein finanzielles Polster zu haben. Das Geld wurde also nur zum Teil für Waren ausgegeben und die relativ geringe Nachfrage führte natürlich zu einer geringen Teuerungsrate. Irgendwann aber, in den Jahren 1921/22, war auf allen Konten so viel Geld, dass der Knoten platzte. Aus einer schleichenden wurde eine galoppierende Inflation und schließlich – im Jahr 1923 – eine Hyperinflation.

Allerdings haben sich die Zeiten sehr geändert. Europa hat in letzter Zeit keinen Krieg verloren, muss keine Reparationszahlungen in Fremdwährung leisten, kann sich intern finanzieren und hat eine Zentralbank mit hinreichend Know-how, um mit Inflation umzugehen. Die Umstände sind heute nicht vergleichbar; die historische Analogie eignet sich also nur bedingt.

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Finanzplätze London und Hong Kong in tiefer Verfassungskrise

Wie wahrscheinlich ist es, dass das Helikoptergeld irgendwann kommt? Die Krise müsste sich jedenfalls vertiefen, damit es zu einer derart radikalen Lösung kommt. Unvorstellbar ist eine erhebliche Verschärfung der Probleme nicht. Die Anleihemärkte haben im August laut und deutlich eine Rezession angekündigt. Es gibt kaum Anzeichen, dass sich der Handelskonflikt zum Guten wendet. In China liegt die Automobilproduktion etwa 12 Prozent unterhalb des Vorjahresniveaus. Das Wachstum der Industrieproduktion ist global zum Erliegen gekommen. Zwei der drei wichtigsten globalen Finanzzentren – London und Hong Kong – befinden sich in einer tiefen Verfassungskrise. Aber ob das reicht, um die Helikopter mit Banknoten zu beladen? Eher nicht.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB innerhalb der nächsten fünf Jahre (so lang ist in etwa unser Anlagehorizont) zu derart drastischen Maßnahmen greift, ist gering. Die Widerstände gegen ein unerprobtes und ungeliebtes Mittel sind einfach zu groß. Bevor sich die Europäer dem Thema widmen, müssten die Amerikaner oder Japaner vorangehen und für uns Erfahrungen sammeln. So lange hier keine Bewegung ist, können wir das Thema also ignorieren.

Zinssenkungen haben kaum Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität

Wie also geht es weiter mit den Zinsen? Sie werden nicht angehoben werden; weder in Europa noch in den USA. In Europa wird es vielleicht Erleichterungen für die Banken geben (sie könnten für einen Teil ihrer Einlagen bei der EZB von den Negativ-Zinsen befreit werden), aber es ist nicht zu erwarten, dass die Zentralbank ein grundsätzlich neues Mittel wie das Helikoptergeld ausprobieren wird. Die EZB weiß aber auch, dass ihre Mittel weitgehend ausgeschöpft sind in dem Sinne, dass weitere Zinssenkungen kaum noch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Aktivität haben (und am Ende vielleicht mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen). Sie wird die Politik darauf hinweisen, dass ihre Möglichkeiten ausgeschöpft sind und dass es nun an den Staaten ist, ihre neu gewonnenen Möglichkeiten zum Geldausgeben zu nutzen. Hoffentlich stößt sie dabei nicht auf taube Ohren. Kurz, es bleibt uns also das positive Umfeld für Aktien erhalten.

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