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Stolls Fondsreisen Machtwechsel in Brasilien – eine Chance für Anleger?

Redakteur Sven Stoll auf Fondsreise
Redakteur Sven Stoll auf Fondsreise: Nach dem Zittersieg von Lula da Silva reagiert die Börse in São Paulo erleichtert auf die geordnete Präsidentschaftswahl. | Foto: Jessica Hunold erstellt mit Canva

Brasilien hat gewählt: Nach einer regelrechten Schlammschlacht, in der sich der Rechtspopulist Jair Bolsonaro und sein linker Herausforderer Lula da Silva nichts schenkten, hat Da Silva das Rennen um die Präsidentschaft in der Stichwahl mit einem hauchdünnen Vorsprung von 50,9 Prozent für sich entschieden. Brasilien hat ein präsidiales Regierungssystem. Das heißt, der Präsident ist sowohl Staatsoberhaupt als auch Regierungschef. Deswegen gelten Präsidentschaftswahlen im südamerikanischen Land als richtungsweisend. Der Präsident wird in Brasilien für die vierjährige Amtszeit direkt vom Volk gewählt.

Bolsonaro setzte im Wahlkampf den Fokus auf Themen wie Korruption, die Wirtschaftskrise und hohe Kriminalitätsraten. Lula kündigte an, gegen die Gewalt im Land und die Abholzung des Regenwaldes vorzugehen. Während der Amtszeit Bolsonaros hatte diese deutlich zugenommen und lag zuletzt so hoch wie noch nie.

Lula stammt aus ärmlichen Verhältnissen. Er regierte Brasilien bereits von 2003 bis 2010. Im Jahr 2017 wurde er wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft verurteilt, kam aber per Gerichtsentscheid im Jahr 2021 wieder frei. Während seiner ersten Amtszeit verzeichnete die Wirtschaft hohes Wachstum. Das lag unter anderem am damaligen Rohstoffzyklus und den hohen Preisen für zahlreiche Erdgüter. Gleichzeitig grassierte jedoch die Korruption.

Wohin führt Brasiliens Weg nach der Wahl?

Nun herrscht unter Investoren Sorge darüber, ob Brasilien durch das Wahlergebnis nach links abdriftet. Lulas Wahlvolk erwartet, dass er gute Sozialpolitik macht und sich dem Schutz des Amazonas-Regenwaldes widmet. Gleichzeitig hoffen Investoren, dass das Land nicht zum Wohlfahrtsstaat verkommt, sondern Lula wirtschaftsfreundliche Entscheidungen trifft. Bolsonaro hätten sie das vermutlich eher zugetraut.      

„Die brasilianischen Wahlen haben ein knappes Ergebnis und ein gespaltenes Land ergeben. Dennoch haben wichtige Akteure, darunter auch einige Verbündete von Jair Bolsonaro, den Prozess gelobt, und mehrere wichtige Länder, darunter die USA, China und führende Politiker Lateinamerikas, haben Lula da Silva bereits gratuliert. Sollten die Ergebnisse nicht angefochten werden oder größere Proteste ausbleiben, ist eine Erholung der Märkte zu erwarten“, mutmaßt Claudia Calich, Managerin des M&G Emerging Markets Bond Fund.

Fakt ist: Brasilien ist in den vergangenen 20 Jahren von einem bitterarmen Land zum Zugpferd Lateinamerikas aufgestiegen und gehört mittlerweile zu den spannendsten Schwellenmärkten der Welt – auch deshalb, weil das rücksichtlose Handeln der beiden alten Großmächte Russland und China Investoren von dort flüchten lässt. Russland hat sich durch den Krieg wirtschaftspolitisch völlig ins Abseits geschossen und ist uninvestierbar. Noch zu Jahresbeginn profitierte die russische Wirtschaft von steigenden Ölpreisen und Aktien erreichten neue Rekordhöhen. Davon ist nichts übrig. China macht sich aus verschiedenen Gründen unbeliebt bei Anlegern. Aufgrund der harten Lockdowns hat sich das Wirtschaftswachstum eingetrübt. Außerdem herrscht nach Xi Jinpings Wiederwahl Angst vor weiteren staatlichen Regulierungen im Immobilien- und Technologiesektor.

Vor dem Hintergrund globaler geopolitischer Spannungen ist Brasilien zu einem Zufluchtsort für internationales Kapital geworden. Ablesen lässt sich das an der Entwicklung der brasilianischen Börse. Während die Indizes in Industrieländern in diesem Jahr oft zweistellige Verluste aufweisen, verzeichnet Brasiliens wichtiger Bovespa-Index seit Jahresbeginn ein Plus von 11 Prozent. Das Potenzial am Zuckerhut dürfte noch lange nicht ausgereizt sein, dafür sprechen gleich mehrere Gründe.

 

Vier Gründe für brasilianische Aktien

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Grund Eins: Brasilianische Aktien sind immer noch preiswert! Mit einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von sechs ist der Bovespa attraktiv bewertet und hat viel Luft nach oben. Das KGV aller Schwellenländer liegt bei 10,5. Und selbst das ist deutlich günstiger als die Aktien der entwickelten Märkte, die zurzeit bei einem KGV von 14 liegen. Darüber hinaus locken Dividendenrenditen von im Schnitt 14 Prozent.

Punkt Zwei: das Wirtschaftswachstum. Es soll laut dem jüngsten Ausblick der brasilianischen Zentralbank (BCB) vom 7. Oktober in diesem Jahr um 2,7 Prozent zulegen, eine wesentlich höhere Rate als zum Beispiel in den USA. Im Jahr 2021 ist das BIP um 4,6 Prozent gewachsen und hat die technische Rezession im vierten Quartal überwunden. „Die makroökonomischen Daten für die brasilianische Wirtschaft waren eine positive Überraschung, sowohl was die Wirtschaftstätigkeit, den Arbeitsmarkt und sogar die Inflation angeht“, kommentiert Itau Fondsmanager Luiz Ribeiro.

Grund Drei: Noch wichtiger als der Ausgang der Wahl ist für Ribeiro der Aspekt, dass sich die Zinserhöhungen im krassen Gegensatz zu den USA und Europa dem Ende zuneigen. „Die Wahrnehmung, dass sich der geldpolitische Straffungszyklus in Brasilien in der Endphase befindet, trägt ebenfalls zu einer positiveren Verfassung des brasilianischen Aktienmarktes bei, insbesondere wenn man die äußerst attraktive Bewertung der Vermögenswerte berücksichtigt.“ Wieder fallende Zinsen dürften die Wirtschaft weiter ankurbeln.

Und schließlich Grund Vier: die Rohstoffbranche. Brasilien zählt zu den Top-10-Bergbaunationen weltweit. In mehr als 8000 Minen des Landes werden über 70 mineralische Substanzen abgebaut. Bei Rohöl soll Brasilien einspringen, um die ausbleibenden Lieferungen aus Russland zu kompensieren. In den kommenden zehn Jahren soll die Produktion um 70 Prozent ansteigen. Beim aktuellen Rohölpreis ein einträgliches Geschäft. Zu den größten Titeln im Index zählen Vale, eines der größten Bergbauunternehmen der Welt und der Energiekonzern Petrobras.

Die Landwirtschaft ist der wichtigste Motor der Exportwirtschaft

Eine stabile Säule Brasiliens ist auch die Agrarwirtschaft. Mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rund 600.000 Quadratkilometern gehört Brasilien zu den wichtigsten Agrarländern der Welt. Die Wirtschaft wird noch immer vom Export von Lebensmitteln wie Kaffee, Kakao, Zucker und vor allem Soja geprägt. Nicht wenige Rohstoffexperten sprechen in diesem Bereich von einem „Superzyklus“, einem viele Jahre dauernden und viele Rohstoffe umfassenden Anstieg der Preise, die deutlich über dem langfristigen Trend liegen.

Laut Goldman Sachs dürfte Brasilien damit zu den größten Profiteuren gehören. Die US-Investmentbank riet Anlegern erneut dazu, Rohstoffe im Portfolio überzugewichten. Darüber berichtete das „Handelsblatt“. Die Energiekrise und anhaltende Materialknappheit werden die Rohstoffpreise weiter steigen lassen, argumentieren die Analysten der Bank.

Ähnlich wie in der Türkei könnte sich zudem das verstärkte Interesse brasilianischer Privatanleger am heimischen Aktienmarkt als Kurstreiber erweisen. Diese entdecken nämlich zunehmend die Börse, vermeldete der Börsenbetreiber B3. So ist allein die Zahl der Depotkonten von 600.000 in den Jahren 2008 bis 2017 auf heute mehr als drei Milliarden angestiegen. Das demografische Profil des brasilianischen Anlegers wandelt sich ebenfalls. Mittlerweile sind auch jüngere, weniger wohlhabende Anleger aktiv, die vom Aktienmarkt profitieren wollen.

Wer die spannenden Chancen der Region nutzen will, hat die Wahl aus rund 90 Fonds und ETFs, die in ganz Lateinamerika investieren. Dazu gesellen sich rund 25 Produkte mit Schwerpunkt Brasilien. In der folgenden Klickstrecke findet ihr die besten Fonds aus beiden Fondsgruppen, sortiert nach der Wertentwicklung der vergangenen fünf Jahre. Passive Produkte konnten auf der Langstrecke nur wenig überzeugen. Allerdings liegen ETFs auf den MSCI Brazil, wie beispielsweise der Lyxor MSCI Brazil Ucits ETF mit einem Plus von 46 Prozent in diesem Jahr ganz vorn.

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