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Aktualisiert am 20.03.2024 - 16:04 Uhrin Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)Lesedauer: 6 Minuten

Experten-Produktcheck Mehrwert oder Marketing - Verzicht auf konkrete Verweisung bei der BU der HDI

Tobias Bierl
Tobias Bierl ist der Experte in Sachen Berufsunfähigkeitsversicherung bei DAS INVESTMENT. | Foto: Foto: Finanzberatung Bierl GmbH / Josephina Rollinger mit Canva

Die HDI hat ein Update ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung „HDI EGO TOP“ auf den Markt gebracht. Ab dem 1. Januar 2024 wird bei allen neu abgeschlossenen Policen auf konkrete Verweisungen in der Vor- und Nachprüfung verzichtet.

Neuerung mischt den BU-Markt auf

Damit dürfte es die HDI auf die Agenda jedes Produktmanagements der Konkurrenz geschafft haben.  Denn das ist ein absolutes Novum am Markt, das sicherlich kontrovers diskutiert werden dürfte. Nicht umsonst riefen auch unser Maklerunternehmen einige Versicherer an und fragten: „Was haltet ihr denn vom kompletten Verzicht der Verweisung? Wir müssen uns als Gesellschaft jetzt mit dieser Frage beschäftigen, wir hätten gerne eure Einschätzung dazu.“ Einen ausführlichen Test dazu gibt es hier.

Was sind konkrete und abstrakte Verweisungen?

Zur Erklärung: Im Gegensatz zur abstrakten Verweisung, bei der es nur darum geht, dass man theoretisch einer Tätigkeit nachgehen könnte, geht es bei der konkreten Verweisung darum, ob man tatsächlich einer Tätigkeit nachgeht. Der Verzicht auf die abstrakte Verweisung (die versicherte Person kann nicht auf einen anderen Beruf verwiesen werden) ist mittlerweile gang und gäbe, selbst bei den normalen Standardtarifwerken am Markt.

Es muss sich kein Versicherer mehr dafür rühmen, dass der Ingenieur nicht an der Supermarktkasse mehr sitzen muss (die soziale Wertschätzung und die Lebensstellung lassen wir aus vereinfachten Gründen außen vor) und darauf verwiesen werden kann. Aber da die meisten Menschen eine Beschäftigung brauchen, wollen viele versicherte Kunden wieder ins Berufsleben zurückkehren, aber vielleicht nicht mehr in ihren vorherigen körperlich anstrengenden oder stressigen Beruf.

Welche Probleme die Neuregelung der HDI löst

Der HDI verzichtet jetzt für sämtliche Berufe auf die konkrete Verweisung (bisher hat man es in der Erstprüfung schon gemacht, nun aber auch für die Nachprüfung). Das bedeutet, dass eine versicherte Person im Leistungsfall noch jeden anderen Beruf ausüben kann. Die BU-Rente fließt weiterhin, solange man weiter berufsunfähig ist in der damals zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Für den Verbraucher schafft dies auf den ersten Blick durchaus einen sehr großen Mehrwert, denn die Frage nach der Ausübung einer anderen Tätigkeit, wie viel hinzuverdient werden und ob Leistungen aus der privaten BU-Rente gekürzt werden, sind hinfällig.

Kompletter Verzicht im Markt nicht verbreitet

Manche Versicherer wie die Baloise, Ergo, Deutsche Ärzteversicherung oder die Nürnberger haben in bestimmten Berufsgruppen ebenfalls den Verzicht auf die konkrete Verweisung inkludiert. Aber dieser gilt nur in speziellen Berufen wie Ärzte, Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater oder dem Wirtschaftsprüfer. Nicht für den Industriemechaniker, die Krankenschwester oder den Sozialpädagogen. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied. 

Die konkrete Verweisung in der Praxisfallbetrachtung

Bei Akademikern, die auch unsere Hauptinteressenten sind, sehe ich aus der Praxis eh nur eine geringe Verweisbarkeit aufgrund der Lebensstellung. Dafür hat insbesondere für handwerkliche, körperliche und soziale Berufe der Verzicht auf die konkrete Verweisung in meinen Augen einen eminent großen Vorteil. Nehmen wir an, ein Maurer wird aufgrund eines Bandscheibenvorfalls berufsunfähig und schult um zum Bauzeichner. Die Versicherer würden anschließend die Leistung höchstwahrscheinlich einstellen, da zum einen die soziale Wertschätzung, Lebensstellung sowie das Einkommen eines Bauzeichners denen des Maurers durchaus ebenbürtig sein dürften. Das passiert bei der HDI aber nicht und ist somit ein enormer Mehrwert.

Die Praxis zeigt wiederum, dass die HDI bei diesen Kundengruppen im Marktvergleich eher teure Prämien aufruft, sodass sich der Vorteil wahrscheinlich für diese Kundengruppe nicht niederschlagen dürfte. Es ist eh schon schwierig, manche Berufsgruppen zu erreichen, da ist der Preis (leider) schon eine wichtige Komponente.

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Langfristig Probleme für das Versichertenkollektiv zu befürchten

Nicht vergessen werden darf, dass die Beiträge langfristig auskömmlich kalkuliert sein müssen. Wir sehen natürlich derzeit einen starken Trend zu immer günstigeren Prämien (insbesondere bei Akademikern) mit mehr Leistungen. Im ersten Moment freut sich jeder Versicherer über das Neugeschäft, aber Leistungsfälle treten teilweise erst Jahrzehnte später auf. Dann entscheidet sich erst, ob die Einnahmen für die Ausgaben genügen und man nicht knapp gerechnet hat.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Leistungsfallprüfung in Zukunft vielleicht noch etwas härter wird. Vor allem, wenn ein Kunde in einem Beruf Leistungsfallanspruch erhebt, welcher sehr einfach umgeschult werden kann (vom Maurer zum Bauzeichner, vom Schreiner zum Bürokaufmann, von der Krankenschwester zur Verwaltungsmitarbeiterin). Dann hätte die Innovation der HDI langfristig eher negative Folgen. Ich kann nur hoffen, dass die Bedenken unbegründet sind. 

Ratingagenturen und Vergleichsportale dürften sich freuen

Sicherlich ein Gewinner des HDI-Updates sind Ratingagenturen und Vergleichsportale, die nun einen Vergleichspunkt haben, bei dem es endlich wieder extreme Unterschiede gibt (kein Verzicht auf die konkrete Verweisung = Rot, Verzicht darauf = Grün). Es wird ja mittlerweile immer schwieriger, eklatante Unterschiede in den guten Bedingungswerken zu erkennen. So ehrlich müssen wir alle sein, auch wenn diese Botschaft nicht jedem gefallen dürfte.

 

Was hat sich sonst noch geändert?

Im Zuge des HDI-Updates Anfang 2024 gab es noch weitere, kleine Verbesserungen:

  • Die Berufswechseloption (berufliche Besserstellung) wurde von 37 auf 40 Jahre erhöht – weiterhin aber mit einer (vereinfachten) Gesundheitsprüfung verbunden.

  • Der Abschluss einer Facharztausbildung ist jetzt auch ein Grund für das Ziehen einer Nachversicherung. Leider hat sich aber generell an der maximalen Obergrenze von 3.000 Euro noch nichts getan.

  • Verschiedene Berufe werden günstiger eingestuft, so werden viele Arztberufe nun in eine neue Berufsgruppe platziert, was sinkende Prämien zur Folge hat.

  • Eine mögliche Vertragsverlängerung bei Anhebung der Regelaltersgrenze ist nun bis 55 Jahre möglich, was einen Spitzenwert im Markt darstellt.

  • Die Wiedereingliederungshilfe von sechs Monatsrenten, aber maximal 12.000 Euro wurde folgerichtig gestrichen, welche bisher nach einer konkreten Verweisung gezahlt wurde.

  • Bei Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, einer beruflichen Auszeit oder Elternzeit kann nun mehrfach eine Prämienfreistellung mit anschließender Wiederinkraftsetzung erfolgen.

Mein Fazit

Auf jeden Fall ist der komplette Verzicht auf die konkrete Verweisung ein Punkt der HDI- Berufsunfähigkeitsversicherung, der für Aufruhr sorgt. Für manche potenziellen Kunden dürfte dies ein erheblicher Vorteil sein. Es muss sich niemand mehr darüber Gedanken machen, wie viel man noch dazuverdienen darf und wann die Leistungen eingestellt werden. Ich sehe aber durchaus Risiken für das gesamte Kollektiv. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren und bin auf die weitere Marktentwicklung sehr gespannt.

Über den Autor: 

Tobias Bierl wurde 1984 geboren. Als ausgebildeter Versicherungsfachmann und Finanzanlagenfachmann gründete er mit seinem Bruder 2008 Stefan die Finanzberatung Bierl in Walderbach in der Oberpfalz. Als einer der Geschäftsführer liegt sein Schwerpunkt im Bereich Biometrie / Berufsunfähigkeitsversicherung. Bierl gewann 2019 den OMGV Makler-Award für den besten Blog / Content auf der Homepage und 2021 für die besten Kundenbewertungen.   

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